Pflegewohngemeinschaft „Heimathafen“

Das Haus Rügen wird bezogen

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Kollektiv Pflegegemeinschaft Heimathafen Herrenberg / Foto: Holom

Kollektiv Pflegegemeinschaft Heimathafen Herrenberg / Foto: Holom

Es ist ein mutiges Vorhaben, das Gabriele und Jürgen Muschinski mit ihrer Vision einer Pflegewohngemeinschaft für Menschen mit Demenz sowie Pflege und besonderem Unterstützungsbedarf auf sich genommen haben. Doch sie fanden bei der Stadt Herrenberg ein offenes Ohr, erwarben ein für zwei Doppelhaushälften vorgesehenes Grundstück in der Schwarzwaldstraße 57 und bauten darauf für 3,8 Millionen Euro das Wohnprojekt Heimathafen. Nach 14 Monaten Bauzeit zogen Ende Juli die ersten zwölf Bewohner in das für Menschen mit Demenz vorgesehene (ab Pflegegrad 2 bis 5) Haus Sylt ein. Nun, Mitte Oktober, werden zwölf weitere Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf (ebenfalls ab Pflegegrad 2 bis 5) den zweiten Gebäudetrakt, das Haus Rügen, mit Leben füllen. Jürgen und Gabriele Muschinski sind seit 13 Jahren mit dem Pflegedienst „der Punkt GmbH“ in der Stuttgarter Straße 19 ansässig und Arbeitgeber von 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit ihrem ambulanten Pflegedienst waren sie nun auch die Bauherren für das ehrgeizige Projekt in der Schwarzwaldstraße. „Wir haben allerdings lange keinen Bauträger gefunden, der das mit uns realisieren wollte. Den einen waren wir zu klein, den anderen zu groß. Geklappt hat es aber schließlich mit der Firma Geiger, die in Herrenberg auch den Bau des Seeländer begleitet haben“, sagt Gabriele Muschinksi, die examinierte Altenpflegerin und Pflegedienstleiterin ist.

Bei der Namensfindung ihrer Einrichtung kamen sie auf den Namen „Heimathafen“, steht dieser doch sinnbildlich für das Einlaufen im letzten Hafen des Lebens. Die beiden Gebäudeteile wurden dann nach den beiden bekanntesten deutschen Inseln der Nord- und Ostsee benannt, nicht zuletzt mit dem Gedanken, dass die Bewohner sich hier fühlen sollten wie im Urlaub. Die maritimen Steilvorlagen finden sich denn auch in gestalterisch-dekorativen Elementen in und ums Gebäude wieder. Ein Miniatur-Leuchtturm steht vor dem Haus, eine Kapitänsfigur, der täglich von einer Bewohnerin aus deren Leben erzählt bekommt, sitzt Pfeife rauchend auf einer Bank auf der Terrasse, Fischernetze sind im Innenbereich unter der Decke gespannt, in Hamburg fanden die Muschinskis eine alte Schiffsglocke von 1860 bei einem Trödler und befinden sich eingerahmt alte Briefe der Gorch Fock und Seemannsknotenbeispiele an den Wänden. Und oben im ersten Stock von der beide Häuser verbindenden Dachterrasse lässt es sich wie von der Kommandobrücke eines Schiffes hinüber auf die Stiftskirche blicken. „Unsere Bewohner sollen sich bei uns wie im Urlaub fühlen“, merkt Gabriele Muschinski an. Die Lieferung der Strandkörbe wird noch erwartet.

Wer im „Heimathafen“ wohnt, ist auf dem Papier Mieter von einem der zwei Mal zwölf Einzelzimmer. Diese sind durchschnittlich 14 Quadratmeter groß, verfügen über ein Einzel- beziehungsweise Doppelbad, und können auch mit mitgebrachten Möbeln oder Erinnerungsstücken möbliert werden. Meist halten sich die Bewohner tagsüber jedoch in der Küche und dem Gemeinschaftsraum auf, wo jede und jeder sich ganz wie sie oder er kann, in die Gemeinschaft einbringt. Kartoffeln schälen, Spülmaschine ausräumen, den Tisch eindecken – vieles darf so laufen wie von früher her gewohnt. Es wird aber auch gemeinsam gespielt (zum Beispiel Mensch ärgere Dich nicht) und ferngesehen. Auch sorgt ein elektrischer Kamin für Heimeligkeit, ohne dass man sich an seinen Flammen die Finger verbrennen könnte. Zudem stehen eine Hobbyküche zum Backen und Basteln sowie ein zweiter Raum für zum Beispiel Gymnastik zur Verfügung. Eine Besonderheit ist im Kellergeschoss noch ein sogenannter Snoezelenraum, abgeleitet vom niederländischen Wort für dösen. Dort steht ein Wasserbett, in das man sich fallen lassen und videoprojizierten Wolken- und Lichtspielen sowie entspannender Musik, Klängen oder Geräuschen wie Meeresrauschen und Vogelgezwitscher lauschen kann. Auch Düfte sind Teil dieses ideal für Therapiezwecke geeigneten kleinen Reiches. „Wir nutzen den Raum tagesformabhängig, und er ist schon äußerst beliebt bei unseren Bewohnern“, sagt Gabriele Muschinski.

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Das Haus Rügen  wird bezogen

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Das Haus Rügen  wird bezogen

Das Haus Rügen  wird bezogen

Um seine Bewohner kümmert sich die Crew des „Heimathafens“ im Dreischichtbetrieb, darunter auch die beiden erwachsenen Kinder der Muschinskis und die Schwiegertochter, die allesamt das „Pfleger-Gen“ in sich tragen und ihre Berufswahl entsprechend getroffen haben. „Unser Herzenswunsch war es, zwei Pflegewohngemeinschaften in Herrenberg zu erbauen, wo Menschen mit Demenz und Menschen mit Unterstützungsbedarf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung mit der Sicherheit einer 24-Stunden-Betreuung und -Pflege leben können, Anerkennung und Wertschätzung erfahren und Handlungsräume erhalten, um das eigene Ich und Tun zu entwickeln und zu erhalten“, sagt Gabriele Muschinski. Dieser Wunsch hat sich erfüllt. THOMAS VOLKMANN

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Erstellt:
15. September 2022

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