Bücher tauschen in der Telefonzelle

Sie sind selten geworden, die gelben Telefonzellen, beinahe ausgestorben. Zumindest ein Exemplar in Sulz am Eck hat jedoch eine neue Verwendung gefunden. Es dient als Buchtauschzelle. Zu verdanken ist das Sandra Kunze, ihrer Freundin und Nachbarin Moni Bach-mann sowie deren Tochter Luisa.

Von Jacqueline Geisel

Lesedauer: ca. 2min 59sec
Moni und Luisa Bachmann (von links) und Sandra Kunze vor der Buchtauschzelle in Sulz am Eck GB-Foto: Geisel

Moni und Luisa Bachmann (von links) und Sandra Kunze vor der Buchtauschzelle in Sulz am Eck GB-Foto: Geisel

In anderen Städten hatte Sandra Kunze das Prinzip der Buchtauschzelle bereits gesehen. Sofort war sie von der Idee begeistert und sagte sich: Das will ich auch. Wie überzeugt sie davon war, zeigte sich bei der Errichtung des Stellplatzes vor ihrem Haus 2018. Schon damals plante sie den Standort für eine Telefonzelle mit ein. Und es hat sich gelohnt: Heute steht das gute Stück direkt vor ihrer Eingangstüre, wo sie tagtäglich einen Blick darauf werfen kann.

Eine passende Telefonzelle für ihr Projekt hatte Sandra Kunze schon lange gefunden. Die stand hinter der GTÜ-Kfz-Prüfstelle und war „in einem desolaten Zustand“, erinnert sich Moni Bachmann. Es dauerte eine Weile, bis sich der Eigentümer entschied, sich von der Zelle zu trennen. Als es so weit war, wollten Moni und Luisa Bachmann Sandra Kunze eine große Überraschung und Freude bereiten, gemeinsam mit Kunzes Chef Dieter Gehring. Pünktlich zu ihrem Geburtstag war alles vorbereitet.

Der eigentliche Plan sah so aus: Sandra Kunze sollte bis spät in die Nacht arbeiten. Wenn sie heimkommt, sollte sie von der Telefonzelle vor ihrer Haustüre überrascht werden. Für eine große Geschenkschleife war gesorgt. Der Platz war ja auch schon vorhanden. Das Aufstellen lief zwar glatt, doch rutschte einer Kollegin etwas raus – die Überraschung war dahin, wie sich Sandra Kunze mit einem Lachen erinnert. Das machte aber nichts, die Freude war trotzdem riesig. Endlich, am 15. September 2019, war Sandra Kunzes lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Sie bekam ihre eigene Telefonzelle. Vor lauter Begeisterung richtete sie diese direkt mit Büchern aus ihrem eigenen Fundus ein, und schon am nächsten Tag war alles bereit, die Buchtauschzelle in der Burghalde war geboren. Inzwischen stammen die Bücher, die sich hier entdecken lassen, aus ganz unterschiedlichen Quellen. Neben denen von Sandra Kunze selbst sind einige von Personen dazugekommen, die die Buchtauschzelle selbst nutzen. „Manche bringen einfach Bücher vorbei“, erzählt Kunze. Daraus ist eine bunte Sammlung erwachsen, die so ziemlich jedes Genre umfasst. Kinderbücher sind ebenso vertreten wie Kochbücher und Romane. Es findet also jede Altersklasse, jeder Geschmack etwas zu lesen in dieser Telefonzelle.

Vorgaben für die Nutzung der Buchtauschzelle gibt es nicht. Man kann Bücher bringen, wenn man welche ausleiht, muss aber nicht. Wer möchte, kann Bücher stiften, ohne sich welche zu nehmen. Anders herum ist es aber auch kein Problem – also Bücher einpacken, ohne selbst welche zu bringen. Auch Mengenbegrenzungen gibt es keine. Ein, zwei, fünf Bücher – jeder kann mitnehmen oder bringen, so viel er will. „Es ist alles möglich“, erklärt Sandra Kunze.

Bücher landen
nicht im Altpapier

Das Konzept funktioniert, denn nach wie vor finden sich viele Bücher in dem gelben Kasten. Etwa 170 sind es aktuell. Auch Moni und Luisa Bachmann sind von dem Konzept überzeugt. „So hat jedes Buch noch einen Sinn und landet nicht im Altpapier“, meint Moni Bachmann. Luisa sieht das ähnlich: Ihr ist das Wichtigste, dass die Bücher nicht weggeworfen werden. Außerdem, wie sie anmerkt, kostet es hier nichts, sich ein Buch zu holen.

Sandra Kunze selbst, erzählt sie, komme nur selten zum Lesen. Genau das habe sie auch ein Stück weit zur Einrichtung der Buchtauschzelle motiviert. „Vielleicht kommen ja andere mehr dazu“, dachte sie sich. Hinzukommt: „Ich werfe ungern etwas weg, was noch nutzbar ist.“

Abgesehen von ihrer jetzigen Verwendung ist die Buchtauschzelle auch einfach ein Blickfang. Schon beim Aufbau habe sie Aufmerksamkeit auf sich gezogen, erinnert sich Moni Bachmann. Und auch danach hätten die Leute nicht schlecht gestaunt, seien teils sogar hergekommen, um sich die Telefonzelle selbst genau und von Nahem anzuschauen. Vor allem bei Kindern, so Kunze, seien die gelben Telefonzellen ja eigentlich gar nicht mehr bekannt. Umso schöner, dass diese eine neue Verwendung gefunden hat.

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Erstellt:
30. März 2020

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