Den Dünger liefern Erbse und Regenwurm

Immer mehr Landwirte liebäugeln mit der Option, sich die Natur zum Komplizen zu machen und in den Öko-Landbau einzusteigen. Auch Karl-Heinz und Eleni Egeler stellen derzeit ihren Betrieb um. Läuft alles nach Plan, darf sich der Tailfinger Hof in rund einem Jahr zu den etwa 7300 zertifizierten Bioland-Betrieben zählen.

Von Nadine Dürr

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Karl-Heinz undEleni Egelerkönnen ab Mitte2019 ihreKartoffeln alsBioland-WareverkaufenGB-Foto: Schmidt

Karl-Heinz und Eleni Egeler können ab Mitte 2019 ihre Kartoffeln als Bioland-Ware verkaufen GB-Foto: Schmidt

Besonders gut hat Karl-Heinz Egeler die in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzten Spritzmittel noch nie vertragen, immer wieder litt der Tailfinger unter Kopfschmerzen. Seit Ende der 1990er Jahre experimentiert der gelernte Landwirt daher bereits mit biologischen Stoffen zur Aktivierung des Bodenlebens. Die Entscheidung, den Öko-Landbau konsequent umzusetzen, fiel indes erst viele Jahre später. „Mit der Zeit ist es immer schlimmer geworden mit den Spritzmitteln. Und dann ging alles ganz schnell“, erinnert sich Egelers Frau Eleni. Ohne viel Federlesens machte der Landwirtschaftsmeister Nägel mit Köpfen und trieb die Bio-Zertifizierung seines Hofs voran. Im Moment befindet sich dieser in der Umstellungsphase, ab dem 1. Juli dieses Jahres können die Egelers ihre Kartoffeln erstmals mit dem Zusatz „Ohne Chemie angebaut“ bewerben. Genau ein Jahr später ist die Umstellung beendet und die gelbe Knolle darf als zertifizierte Bioland-Ware verkauft werden. Beim Getreide ist es am 1. Juli 2020 soweit.

Die Änderungen, die mit der Umstellung einhergehen, fasst das Paar in zwei Punkten zusammen: „Es dürfen keine Spritzmittel und keine künstlichen Düngemittel mehr eingesetzt werden.“ Um dem Boden Stickstoff zuzuführen, hat Karl-Heinz Egeler bereits im Herbst eine Leguminosen-Mischung eingesät. Auch die Regenwürmer, die sich dank der Aktivierung des Bodenlebens nun auf den Feldern tummeln, tragen mit ihrem Kot zur natürlichen Stickstoffversorgung bei: „Das ist der beste Bodendünger überhaupt.“ Da der Ertrag im Bio-Landbau geringer sei – „wenn es 50 Prozent vom einstigen Ertrag sind, ist es gut“ – wird generell weniger Stickstoff benötigt. Ausgetauscht hat der angehende Biobauer zudem die Gerätschaften: Statt mit der Pflanzenschutz-Spritze auf den Acker zu fahren, entfernt der Tailfinger Landwirt die Beikräuter nun mechanisch – mit einem Striegel.

Das Wörtchen „Unkräuter“ hat Karl-Heinz Egeler inzwischen aus seinem Wortschatz getilgt. „Wenn man die Distel oder den Ackerfuchsschwanz auf den Feldern hat, werden die vom normalen Landwirt bekämpft“, erzählt er. „Der Biolandwirt aber geht anders damit um und fragt sich, woher die Distel kommt. Irgendetwas stimmt da mit dem Boden nicht. Also muss man den Boden bearbeiten oder ihm Stoffe mitgeben, damit er sich regeneriert.“ Der Umgang mit der Natur sei ein anderer als in der Vergangenheit, sagt auch Eleni Egeler: „Wenn die Kornblume auf dem Feld wächst, erfreut man sich daran. Unser Ziel ist nicht, Pflanzen zu bekämpfen, sondern mit ihnen das Bestmögliche rauszuholen.“ Wuchere ein Kräutlein, habe dies eine bestimmte Ursache, die es zu beheben gelte. Anders in der konventionellen Landwirtschaft: „Da wird die Ursache nicht behandelt, das ist Symptom-Bekämpfung.“

Die Egelers sind zuversichtlich, dass sie die Umstellungsphase erfolgreich bestreiten werden, die ersten Bodenuntersuchungen liefern bereits gute Ergebnisse. Nichtsdestotrotz: „Die Angst ist immer noch da, dass es nicht funktioniert.“ So gebe es etwa kein wirksames Mittel gegen den Gelbrost. Momentan müsste man zudem mit dem Striegel ins Sojabohnen-Feld – ein Vorhaben, das der anhaltende Regen durchkreuzt. „Wenn das Unkraut überhandnimmt, kann es die eigentliche Saat unterdrücken und dann ist die Ernte gefährdet“, erklärt Egeler. Auch ob sich die Umstellung finanziell rechnet, stehe derzeit noch in den Sternen. „Das können wir erst nach einigen Jahren sagen“, meint Eleni Egeler. „Es heißt, bei den Bio-Kartoffeln liegt der Preis um ein Drittel höher als bei der konventionellen Ware.“ Dass die Kundschaft im Hofladen die Umstellung mitmacht, da ist die Hauswirtschaftsmeisterin guter Dinge: „Die Tendenz ist, ohne Chemie vernünftige Nahrungsmittel zu erzeugen. Das will der Verbraucher.“ Die Möglichkeit, bei einem Misserfolg zur konventionellen Landwirtschaft zurückzukehren, bestehe grundsätzlich. Die Egelers aber sind sich einig: „Das wollen wir nicht.“

Zumal sich die Eheleute ein besonders ambitioniertes Ziel gesetzt haben: Sie möchten Bioland-Ware produzieren, was mit höheren Anforderungen an den Landwirt einhergeht. So ist hier etwa die Gesamtbetriebsumstellung vorgeschrieben. „Dass der Sohn Bio-Kühe melkt und der Vater zeitgleich mit der Spritze auf die Felder rausfährt – das gibt es auf Bioland-Betrieben nicht“, sagt Dr. Christian Eichert, Geschäftsführer von Bioland Baden-Württemberg. Zudem seien weniger Zusatzstoffe in der Verarbeitung erlaubt und in der Tierhaltung gelten rigidere Vorgaben: Die Tiere erhalten mehr Platz und es existieren längere Wartezeiten beim Antibiotika-Einsatz. Auch die Kreislaufwirtschaft spielt sowohl beim Humusaufbau als auch soziologisch eine große Rolle bei dem 1971 gegründeten und deutschlandweit größten ökologischen Anbau-Verband: „Es ist ein ganzheitliches Kreislaufdenken, das Bioland-Betriebe versuchen umzusetzen“, betont Eichert. Auch die Egelers profitieren von den Vorteilen einer Mitgliedschaft im Verband: „Wir haben uns für Bioland entschieden, weil der Verband ein dementsprechendes Marketing hat und bekannt ist.“ Zudem könne man das Getreide über die regionale Bioland-Erzeugergemeinschaft Rebio in Rottenburg vermarkten. „Wir wollen das Regionale ein bissle unterstützen“, sagt Eleni Egeler. „Es macht keinen Sinn, alles biologisch anzubauen und die Ware dann mit schweren Lastwagen nach Norddeutschland oder Osteuropa zu fahren.“ Was den beiden Tailfingern ebenfalls behagt: „Mit Bioland gehen wir keine Ehe ein und sind nicht ewig gebunden. Wenn es nicht läuft, kann man sich auch andere Wege offenhalten.“

Um die Umstellung auf den Weg zu bringen, hatten die Egelers verschiedene bürokratische Schritte zu bewältigen. „Zuerst muss man bei der unabhängigen Kontrollstelle ABCERT anmelden, dass man Öko-Betrieb nach EU-Norm werden will. Die schicken einen Kontrollvertrag zu, den man ausfüllen muss“, erzählt Karl-Heinz Egeler. Bei einer Betriebsbesichtigung wird dann genau überprüft, ob sich noch Spritz- und Düngemittel auf dem Hof befinden. Auch eine Inspektion der Felder schließt der Kontrollbesuch mit ein. „Die haben schon einen Blick dafür und sehen, ob Düngemittel gestreut wurden oder nicht“, so die Erfahrung der Egelers. Auch wenn Pestizid-Rückstände des Nachbarn einen Streifen des Bioland-Ackers verunreinigen, gibt es kein Erbarmen: Der beschädigte Streifen muss heruntergemulcht und eine neue Feldfrucht eingesät werden. Die dort wachsende Ernte wird zurückgestuft und muss noch länger als Umstellungsware verkauft werden. Auch sind die Egelers verpflichtet, den Schaden an ABCERT zu melden. „Die Kontrolleure sind richtig streng“, meint Eleni Egeler. „Aber das ist auch gut so.“ Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der Verbandsrichtlinien zu gewährleisten, erhält der Hof Egeler künftig einmal im Jahr Besuch von den Kontrolleuren der unabhängigen Kontrollstelle ABCERT und des Bioland-Verbands. Bioland kontrolliert zudem zehn Prozent der Betriebe unangekündigt und kann mit jährlich 1,1 Kontrollen pro Betrieb die größte Kontrolldichte vorweisen. Im Rahmen der sogenannten Tierwohlkonferenz werden zudem die Haltungsbedingungen auf Höfen mit Tieren in den Blick genommen. Rücken die Kontrolleure an, überprüfen diese dann genau die Lieferscheine, die Rechnungen und die Ernte, um beurteilen zu können, ob Letztere mit dem eingesetzten Saatgut tatsächlich korreliert. „Außerdem muss alles öko-zertifiziert sein, auch die Zwischenfrucht“, erzählt Karl-Heinz Egeler.

Hilfe bei der Betriebsumstellung erhielten die beiden Tailfinger von einem Bioland-Berater: „Mit ihm haben wir zum Beispiel besprochen, was man mit Fruchtfolgen machen kann.“ Momentan bauen die Egelers Kartoffeln, Getreide, Sojabohnen, Erbsen, Ackerbohnen und Kleegras an. „Wie man es richtig macht, kann aber kein Berater sagen. Er kann nur Vorschläge machen, denn jeder Betrieb ist anders strukturiert“, sagt Karl-Heinz Egeler, der den Hof Ende der 1980er Jahre von seinen Eltern übernahm.

Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, erhalten die künftigen Bio-Höfe eine Umstellungsprämie in Höhe von 300 Euro pro Hektar. „Das ist ein Ausgleich“, erklärt Karl-Heinz Egeler, „denn bei der Umstellung geht nie alles glatt.“ Zudem erhalten die angehenden Bio-Landwirte höhere EU-Subventionen: „Wir Landwirte stellen jedes Jahr den Antrag beim Landratsamt wegen der Zahlungsansprüche und da gibt es ein Zusatz-Häkle für den Öko-Landbau. Um mehr Geld zu erhalten, muss man den Bericht der unabhängigen Kontrollstelle beistellen, der nach der Betriebskon-
trolle angefertigt wird.“

Die ersten Schritte auf dem Weg zum Bioland-Betrieb sind Karl-Heinz und Eleni Egeler bereits gegangen. Für die Zukunft schmiedet das Paar schon weitere Pläne. So wollen die beiden mit vielfältigeren Fruchtfolgen arbeiten und statt des bisherigen Futtergetreides künftig Brotgetreide anbauen, das gemahlen zu Biomehl oder weiterverarbeitet zu Bioweizen- und Biodinkelbrot im Hofladen verkauft werden soll. Auch spiele man mit dem Gedanken, rote Bohnen für einen Kontakt auf der Schwäbischen Alb anzubauen und die Firma Taifun mit Sojabohnen für die Tofu-Produktion zu beliefern.

Die Landwirte im näheren Umfeld beäugen das Vorhaben der Egelers unterdessen mit Neugier, wie der Betriebschef beobachtet: „Die Kollegen vor Ort sagen im Moment noch nichts, aber sie gucken und sind gespannt, ob es funktioniert.“

Den Dünger liefern Erbse und Regenwurm

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Erstellt:
20. Juni 2018

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