Den regionalen Gedanken konsequent umsetzen

Niedrige Getreidepreise und Schwankungen am Weltmarkt, die sich nicht vorhersehen lassen, machen Landwirten wie Björn Broß zu schaffen. Der Bondorfer hatte eine Idee dieser Situation zu entkommen und fand in Eberhard und Katharina Haizmann von der Kronenbrauerei in Hochdorf die richtigen Partner. Ab nächstem Jahr wird er den gesamten Ertrag seiner Braugerste direkt an die Hochdorfer vermarkten. Nur eine Mälzerei ist zwischengeschaltet, die genau das verarbeitet, was sie von Broß erhält.

Von Anke Kumbier

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Björn Broß, sein Sohn Benjamin und Eberhard Haizmann (von links) begutachten Sommergerste, kurz bevor sie geerntet wurdeGB-Foto: Bäuerle

Björn Broß, sein Sohn Benjamin und Eberhard Haizmann (von links) begutachten Sommergerste, kurz bevor sie geerntet wurdeGB-Foto: Bäuerle

Björn Broß hält am Feldrand an, steigt aus seinem Auto und betrachtet die Braugerste kritisch. Sie ist beinahe reif und kann bald geerntet werden. Seit 2015 Broß’ Schwiegervater in den Ruhestand ging, läuft der landwirtschaftliche Betrieb auf den 36-Jährigen. Die zweizeilige Braugerste ist nicht einfach im Anbau. Ihr Eiweißgehalt darf maximal 11,5 Prozent betragen und damit deutlich weniger als Futtergerste. Das erfordert ein extensives Vorgehen, beispielsweise durch möglichst wenig düngen. „Die Menge geht dabei runter, aber die Qualität steigt“, erklärt Broß. Deshalb hätten sich inzwischen viele Landwirte von der Braugerste verabschiedet und sich dem Anbau lukrativerer Getreidesorten zugewandt. Doch die Familie beliefere die Brauerei in Hochdorf seit vielen Jahren. Bisher war dieser Kette ein Großhändler zwischengeschaltet, bei dem Broß die Gerste abgab. „Aufgrund verschiedener Skandale in der Landwirtschaft setzten immer mehr Betriebe auf Direktvermarktung. Da wissen die Leute, wo das Produkt herkommt.“

Auch Björn Broß kam der Gedanke seine Braugerste direkt zu vermarkten. Im Geschäftsführer der Kronenbrauerei, Eberhard Haizmann, fand er einen willigen Partner. „Seit vielen Jahren verfolgen wir ein Regionalkonzept“, erklärt dieser. Zusammen mit Tochter Katharina Haizmann und Björn Broß erläutert er das neue Vorgehen. Bisher wurde die Gerste der Familie Broß mit Erträgen anderer Landwirte gemischt, wurde in verschiedenen Mälzereien verarbeitet und kam schließlich nach Hochdorf, ohne dass sich direkt zurückverfolgen ließe, welche Gerste von Broß’ Feldern stammt und welche nicht. Das soll sich ab nächstem Jahr ändern. „Ich lebe auf dem Land und sehe, was sich verändert“, lautet ein Teil von Haizmanns Motivation, der andere: „Wir möchten den regionalen Gedanken noch konsequenter umsetzen.“

Die Vorstellungen über Anbau und Qualität passen zusammen. Björn Broß bewirtschaftet seine Felder nach Kriterien des Qualitätszeichens Baden-Württemberg. Er benutzt kein Glyphosat, keinen Wachstumsregler und nutzt nur vermindert Pflanzenschutzmittel. Die Kronenbrauerei wiederum setzt auf gentechnikfreie Produkte, den Einsatz regionaler Rohstoffe und Slow Brewing. „Wasser, Malz, Hopfen, Hefe, Energie“, zählt Haizmann auf. Beinahe alle diese Stoffe kämen schon zum Großteil aus der Region, sogar ein eigenes Hopfenfeld legte die Brauereifamilie in Hochdorf an. Bisher fehlte die Gerste, das soll sich jetzt ändern.

Der Umstieg ist vor allem für Björn Broß aufwendig, doch die Vorzüge überwiegen bei weitem. Die Gerste kann nach der Ernte nicht sofort verarbeitet werden, sondern muss gelagert werden. Diese Aufgabe, die bisher vom Landhandel übernommen wurde, fällt nun Björn Broß zu. Deshalb stellte der Landwirt einen Bauantrag für ein Silo außerhalb Bondorfs, der umgehend genehmigt wurde. 800 Tonnen Getreide kann es fassen. Nur vom eigenen Ertrag wird er es nicht ganz füllen können. Doch er habe bereits mit Kollegen gesprochen, die ihm aushelfen. Statt die Gerste im Ort abzuladen, landet sie künftig im Silo. Über das Jahr verteilt rechnet Broß mit circa 30 Lkw, die die Gerste abholen und zu einer kleinen Mälzerei im Badischen bringen. Dort wird die Gerste verarbeitet und zur Brauerei in Hochdorf gebracht. Die Brauerei erhält genau das, was Broß losgeschickt hat. Der 36-Jährige zählt die Vorteile auf. Sie sind vielfältig, nicht nur für ihn, sondern auch für die Umwelt. Die Kronenbrauerei bezahle die Ware so, dass man als Landwirt davon leben könne. „Auf diese Weise sind wir dem Weltmarktpreis nicht ausgeliefert und können planen“, hebt er hervor. Seine Arbeit als Landwirt wird dadurch wieder wertgeschätzt. „Es macht Spaß, wenn man solche Geschäftspartner hat“. Die Umwelt profitiert durch den integrierten Anbau und die kürzeren Lieferwege.

Sie seien die Ersten, die in der Region in diesem Bereich auf Direktvermarktung umsteigen. Eine große Hürde sei der höhere Preis, den die Brauerei aber zu zahlen bereit ist. „Im Gegenzug bekommt sie Qualität und das Wissen, wo die Ware herkommt“, betont Broß stolz. „Das ist es uns wert“, bekräftigt auch Eberhard Haizmann die Partnerschaft. Seit 1654 gibt es die Kronenbrauerei in Hochdorf. „Traditionell wurden fünf Sachen unter einen Hut gebracht – die Landwirtschaft, die Mälzerei, die Brauerei, die Gastwirtschaft und nebenher die Brennerei“, erklärt Braumeisterin Katharina Haizmann. Das solle nun wieder zusammengeführt werden. Plötzlich fällt beiden auf: Mit Björn Broß passt das sogar noch besser als gedacht. Denn seine Familie betreibt neben der Landwirtschaft ein Gasthaus und eine kleine Edeldestillerie in Bondorf.

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Erstellt:
15. August 2018

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