„Der Fußball hat mein Leben bereichert“

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Will Zimmermann schrieb seit 1978 als Spieler und als Trainer eine unglaubliche Erfolgsgeschichte GB-Grafik: gb/GB-Foto (Archiv): Holom

Will Zimmermann schrieb seit 1978 als Spieler und als Trainer eine unglaubliche Erfolgsgeschichte GB-Grafik: gb/GB-Foto (Archiv): Holom

Uli Hoeneß ist ein Mann, dem man seit Jahrzehnten auf kaum einem Kanal entgehen kann, sei es als herausragender Fußballer, anschließend als Manager und Präsident des FC Bayern München. Er polarisiert, wird von Fans geliebt und von Feinden verachtet. Kaum jemand aus der hiesigen Region kam Uli Hoeneß so nahe wie Willi Zimmermann, der nach 34 Jahren als Trainer seine Karriere am vergangenen Samstag mit dem Spiel seines Clubs Fortuna Böblingen gegen den VfL Nagold II (5:4) beendet hat. Willi Zimmermann spielte Anfang der 70er Jahre in der damaligen Nachwuchsrunde mit seinem Klub Stuttgarter Kickers gegen Bayern München, als Manndecker gegen Hoeneß. „Ich habe keinen einzigen Ball gesehen“, erzählt Zimmermann.

Das ist eine von zahlreichen Begebenheiten, die der 66-jährige Zimmermann in seiner Karriere erlebt hat. Sie startete 1960 in seinem Heimatort Weil im Schönbuch beim SV Weil 07, der später mit dem TSV zur Spvgg. Weil im Schönbuch fusionierte. „Bei uns in der Familie haben alle gekickt“, so Zimmermann. Mit 20 Jahren wagte er den Sprung in die Landeshauptstadt, er wechselte zu den Stuttgarter Kickers. Zimmermann: „Das war ein schwerer Schritt, ich habe den Kirchturm zu Hause nicht mehr gesehen.“ Zimmermann absolvierte bei den Blauen ein Probetraining, er durfte bleiben, gehörte eine Zeit lang sogar dem erweiterten Kader der Profis an. „Ich habe mehrfach mit den Lizenzspielern trainiert. Ich wollte testen, wie weit es bei mir gehen kann“, sagt Zimmermann, der viele Jahre von einem großen Ehrgeiz getrieben war.

„In den Jahren bei den Kickers habe ich gelernt, was Fußball bedeutet in Sachen Leistung und Disziplin“, so der 66-Jährige, der im damaligen Trainer Erich Schmeil einen seiner früheren Lehrmeister sieht: „Von ihm habe ich viel gelernt. Ich habe versucht, von jedem Trainer etwas abzuschauen, war aber nie eine Kopie von einem Trainer. Wenn man jemanden kopiert, ist man nicht mehr authentisch“, betont Willi Zimmermann, der darüber hinaus 20 Jahre von 1992 bis 2012 im Trainerlehrstab des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) und fünf Jahre als Schiedsrichter aktiv war.

Willi Zimmermann kehrte zur Spvgg. Weil im Schönbuch zurück, spielte beim 1. FC Pforzheim, schloss sich wieder Weil an, ehe er 1985 mit 32 Jahren seine erste Station als Coach übernahm, er wurde Spielertrainer bei der Spvgg. Aidlingen. Zimmermann: „Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, wie lange ich das machen werde.“ Nun, es sind 34 Jahre geworden, die er auf der Trainerbank absolvierte. Am Stück, ohne Pause. Und fast immer in einer stressigen Situation: „Bei mir ging es fast immer entweder um den Aufstieg oder gegen den Abstieg. Fast keine Runde plätscherte so im Mittelfeld dahin.“

Zimmermann lebte von Anfang an den Fußball und lebte ihn bis zu seinem letzten Spiel. Für ihn kam es nicht infrage, einer Partie fernzubleiben aufgrund eines privaten Termins. Der Taufe seiner Tochter konnte er einst nicht beiwohnen, er spielte mit Aidlingen um den Klassenverbleib. Der Pfarrer sagte bei der Taufe: „Der Vater ist aus beruflichen Gründen verhindert.“ Später auf dem Fest war Zimmermann vor Ort, seine Mannschaft stieß dazu. Überhaupt die Familie: „Ohne den Rückhalt der Familie und von meiner jetzigen Partnerin hätte ich nie so lange und intensiv den Trainerjob ausüben können“, sagt Zimmermann. „Wir haben Dir gerne den Rücken freigehalten, auch wenn Du uns oft gefehlt hast. Du kannst mega stolz auf Dich sein, Du hast viele Vereine zum Erfolg geführt“, schrieben ihm seine Töchter Michaela und Sarah. In diesem Zusammenhang lobt Willi Zimmermann auch seinen Arbeitgeber, die Hecker Werke in Weil im Schönbuch. Seit dem 4. April 1972 bis zu seinem Ausscheiden war er dort tätig, bekam frei, wenn er freinehmen musste, arbeitete diese Zeit dann aber nach, blieb der Firma nichts schuldig. Und heute noch arbeitet Zimmermann zeitweise für den Betrieb.

Während der aktiven Zeit als Coach seien es natürlich die Erfolge, die sportlichen Ziele, die motivieren würden. Gegen Ende seiner Karriere war Willi Zimmermann immer noch erpicht darauf, mit seinen Teams die bestmögliche Leistung zu bringen. Dabei hatte er immer die Möglichkeiten des Vereins im Hinterkopf: „Wichtig ist zu wissen, was für einen Verein machbar ist und was nicht.“ Zimmermann eignete sich im Laufe der Jahre, bedingt auch durch unterschiedliche Trainerstationen, einen etwas distanzierteren Blick an. „Die ganzen Meisterschaften und Erfolge sind toll, keine Frage“, sagt Zimmermann, was aber vor allem haften bleiben werde, seien die vielen Freundschaften, die sich durch den Fußball entwickelt hätten, die vielen besonderen Erlebnisse und die vielen unterschiedlichen Menschen, der er kennenlernte. „Ich hatte mit Personen wie Ewald Höhn, Fritz Aichele oder Helmut Hörmann zu tun. Ich glaube, ich habe so ziemlich jeden menschlichen Charakter kennengelernt“, resümiert Zimmermann. In Sachen Menschenkenntnis sei das sehr lehrreich gewesen, das könne man in einer Schule oder in einer Ausbildung nicht lernen.

Zimmermann forderte viel von sich, und er forderte das auch von seinen Spielern. Er war als Coach nahbar und kumpelhaft, in der Sache aber kompromisslos und durchaus streitbar. Das haben viele seiner Spieler und viele Funktionäre erlebt. Eines aber war Zimmermann: Geradeheraus. Aus diesem Grund könne er heute noch zu jedem seiner ehemaligen Clubs zurückkommen, „die Türe würde aufgehen“. Verbrannte Erde hatte er nicht hinterlassen, vielmehr war er sehr erfolgreich: 13 Clubs trainierte er, acht Meisterschaften feierte er, mit sieben Vereinen stieg er auf. Eine Bilanz, die äußerst beachtlich ist.

Impulsiv war Willi Zimmermann, keine Frage. Ein Beispiel: Der VfL Sindelfingen spielte in der Verbandsliga beim SV Fellbach. Zur Pause lag der VfL nach einer miserablen Leistung mit 0:3 zurück. „In der Kabine habe ich die Spieler beleidigt, ich habe gebrüllt wie irre. Draußen haben die meisten Zuschauer wahrscheinlich gedacht, ich spinne“, erzählt Zimmermann. Er blieb zu Beginn der zweiten Hälfte in der Kabine sitzen mit der klaren Ansage: „Den Scheiß schau’ ich mir nicht mehr an.“ Lag es am Wutausbruch des Coaches, am Leistungseinbruch der Fellbacher? Der VfL siegte mit 4:3, die Spieler gingen nach dem Schlusspfiff mit einem Grinsen im Gesicht an Zimmermann vorbei.

„Ich bin viel öfter gefeiert als gefeuert worden, ich hatte viel mehr schöne als schlechte Zeiten gehabt“, meint Zimmermann, wenn er an seine knapp dreieinhalb Jahrzehnte als Trainer zurückdenkt. An eine „turbulente Zeit, die psychisch und physisch viel gefordert hat“, so Zimmermann. Die ihm aber auf der anderen Seite sehr viel gegeben habe. „Der Fußball hat mein Leben bereichert.“

Uli Hoeneß sagte nach seiner letzten Rede als Bayern-Präsident: „Ich habe fertig.“ Das hat nun auch Zimmermann, der seit Jahrzehnten Mitglied und großer Fan des FC Bayern ist. Einmal kreuzten sich ihre Wege, ehe sie in ihren jeweiligen Karrieren durchstarteten.THOMAS OBERDORFER

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Erstellt:
11. Dezember 2019

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