Der lange Weg zur Anerkennung
Fußball: Die Anfangsjahre der Kickersparte waren beim TSV Hildrizhausen von Grabenkämpfen und Erfolgslosigkeit geprägt. Am Wochenende wird das 70-jährige Bestehen mit einem Legendenspiel gefeiert.
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Die Gründungsmitglieder des Hildrizhausener Fußballs trafen sich mit Anhang unlängst im TSV-Sportheim (hintere Reihe, stehend von links) Margret Holzapfel, Hans Holzapfel, Edwin Derer, Kurt Wojtech, Heinz Hörmann und Initiator Helmut Hörmann, (hintere Reihe, sitzend von links) Kurt Gomringer, Erich Schütz, Frieda Klingenstein, Rolf Klingenstein, Elfriede Gomringer, (vordere Reihe von links) Günter Sontowski, Anne Sontowski, Erwin Wichtermann, Paul Fischer und Betreuerin.GB-Foto: gb
Helmut Hörmann schüttelt den Kopf: „Das findet man in keinem Protokollbuch.“ Der mittlerweile 82-jährige, ehemalige Vorsitzende des TSV Hildrizhausen hat vor geraumer Zeit die Anfangsjahre des Fußballs in den Jahren 1951 bis 1960 aufarbeiten wollen. Die noch in Sütterlin-Schrift gehaltenen Protokolle des Turn- und Sportvereins hat er noch mal abgetippt. „Außer kurzen Einträgen hinter ehemaligen Vereinsmitgliedern wie ’Austritt’, ’Ist ausgeschlossen worden’ oder ’Ist von seinem Amt zurückgetreten’ steht da nichts drin“, so Hörmann. Und betont zugleich: „Das hat uns nicht gejuckt, was es da im Vereinsausschuss für Händel gab. Wir waren damals C-Jugendliche und wir wollten kicken.“
Vor einigen Wochen hat Helmut Hörmann anlässlich des 70. Geburtstages der Sparte, der am kommenden Wochenende mit einem Neun-Meter-Turnier, einem Legenden-Spiel und Jugendturnieren (siehe Kasten) gefeiert werden soll, die alte Garde noch mal zu einem „Gründungstreffen“ im TSV-Sportheim zusammengetrommelt. Musikalisch begleitet von Frieda Klingenstein und Elfriede Gomringer ließ man die alten Zeiten mit dem Singen von Fußballer-Liedern noch mal aufleben. Helmut Hörmann lobte in seinem Rückblick vor allem den Zusammenhalt: „Das Umfeld von Hausen war phänomenal. Da hat der ganze Flecken mitgemacht.“
Freilich: Die alten Fußball-Kämpen aus den 50er Jahren leben bis auf Werner Riethmüller und Wilhelm Häußermann nicht mehr. Hörmann, selbst Jahrgang 1940, war bei der Gründungsversammlung am 12. Januar 1952 gerade mal elf Jahre alt und noch nicht dabei. Erwin Wichtermann, später auch als Kassier aktiv, meinte: „Es war eine schwere Zeit.“ In einem Rückblick im „Gäubote“ Anfang der 90er Jahre sprach Hörmann von „regelrechten Machtkämpfen“. So weit würde der langjährige Vereinschef heute nicht mehr gehen: „Es gab zudem private Zwistigkeiten, in dem der eine auf einmal nicht mehr mit dem anderen konnte. Da hat vieles reingespielt.“
So erging es offensichtlich auch dem ersten Abteilungsleiter Otto Krüger, der im Januar 1952 gewählt wurde. Nur vier Wochen später trat er zurück, weil er sich mit einem der Spieler überworfen hatte. In der Rückrunde der Saison 1951/52 spielten die Fußball-Anfänger unter der Führung des Aktiven Hans Strehle außer Konkurrenz in der C-Klasse, Kreis Böblingen im Bezirk Stuttgart mit. Die Premierensaison verlief desaströs. Der TSV Hildrizhausen war regelrechtes Kanonenfutter für die Gegner aus Unterjettingen, Weil im Schönbuch, Rohrau, Kayh, Dätzingen, Kuppingen, Mötzingen oder Öschelbronn. Als zwölfjähriger Bub hat Hörmann am Spielfeldrand mitgelitten: „Das waren alles lauter Leichtathleten. Der Einzige, der hat kicken können, war der Alois Bäuerle. Der Oswald Wörner hat damals das erste Tor überhaupt geschossen – in Mötzingen. Das vergesse ich nie.“ Das Spiel in Mötzingen ging am Ende hoch verloren wie die 19 übrigen Spiele auch. Mit null Punkten und einem Verhältnis von 10:132 Toren landete Hildrizhausen abgeschlagen auf dem letzten Platz. Erwin Wichtermann erinnerte sich: „Wenn wir mal unter zehn Tore verloren haben, wurde das gleich gefeiert.“ In der zweiten Spielrunde 53/54 wurde es nicht viel besser. Die TSV-Elf holte in 24 Spielen ein Unentschieden gegen Mötzingen, der Rest wurde verloren – Torverhältnis 10:144.
Diese schwierige Anfangszeit kam nicht von ungefähr. Denn in den Reihen des TSV Hildrizhausen wurde schon vor 1951 der eine oder andere Versuch unternommen, Fußball zu etablieren. Aber der TSV war eine Leichtathletik-Hochburg im Kreis und lieferte sich immer wieder Vergleichskämpfe mit dem mehr als ebenbürtigen VfL Sindelfingen. Der spätere Fußball-Abteilungsleiter Karl Bauer war als Jugendlicher 1947 bester württembergischer Starter bei den süddeutschen Jugendmeisterschaften in Feuerbach im Stabhochsprung geworden, holte damals die Bronzemedaille. Richard Häußler, Franz Fuchs und Willi Grob waren weitere Titelsammler auf Kreis- und Bezirksebene. Die Vereinsführung um den seit 1949 amtierenden Vorsitzenden Ernst Bauer stand dem Sportspiel Fußball skeptisch gegenüber. Die Brüder Gottlob, Wilhelm und Gerhard Wanner, Polizist Hans Strehle, Albrecht Hahn, Gerhard und Richard Völler gingen zu anderen Vereinen. Der eine oder andere, das erfuhr Helmut Hörmann erst später in vielen Gesprächen, als er Vorsitzender geworden war, wollte partout nicht mehr zum TSV Hildrizhausen zurückkehren. Aus anhaltender Verärgerung.
Die Fußballsaat ging, wenn nicht bei den Aktiven, dann aber trotzdem in der Jugend auf. Hier bewiesen Helmut Hörmann und Torwart Erich Schütz Eigeninitiative. Sie fuhren mit dem Fahrrad zu dem damals in Altdorf spielenden Rudolf Lemmer und forderten: „Du musst mit uns Fußball trainieren.“ So kam es, dass der TSV Hildrizhausen nach Gründung der Fußballabteilung nicht nur mit einer Aktivenmannschaft, sondern auch gleich mit zwei Jugendteams der C- und B-Jugend startete. Helmut Hörmann: „Als Zwölfjähriger habe ich damals schon bei den Erwachsenen mittrainiert.“ Einen phänomenalen Aufschwung nahm die Jugendmannschaft ab 1956, als Hans Gauder zur „entscheidenden Figur in Hausen“, so Hörmann, avancierte. Gauder war ein erfahrener Fußballer und Jugendtrainer vom 1. Stuttgarter Fußballverein 1896, der nach Hausen gezogen war und das Talent von Hörmann, Schütz & Co. erkannte. Er hat auch ein Trainingslager für die A-Jugendkicker vorgeschlagen, damals bewegte sich die TSV-Jugend fast auf Augenhöhe mit den versierten Jugendteams aus Böblingen oder Sindelfingen.
Als diese „gelernten Fußballer“ zu den Aktiven stießen, waren die sportlichen Miseren der beiden Anfangsjahre im Nu verflogen. 1957/58 schoss der bis heute legendäre 100-Tore-Sturm um Helmut Hörmann 101 Tore, 89 Treffer erzielte der Paradestürmer selbst. Platz drei hinter der Spvgg. Aidlingen und dem TV Öschelbronn. Und Hörmann ärgert sich bis heute noch: „Der Aidlinger Gerhard Rottler hat mich manngedeckt und beim Öschelbronner Heinz Rebmann bin ich an keinen Kopfball herangekommen.“ Im nächsten Spieljahr 1958/59 verlor Hildrizhausen kurz vor Saisonende das entscheidende Spiel beim TSV Öschelbronn, einer Fusion des TV und des FC Öschelbronn, und musste sich mit 106:28 Toren mit Platz zwei zufriedengeben.
Doch die Anerkennung für die Leistungen blieben vereinsintern aus. Bis 1958 wurde von den jungen Kickern stets verlangt, dass sie die Hildrizhausener Farben auch auf Leichtathletik-Wettkämpfen wie den Würm-Schönbuch-Pokal oder den Kreis- und Bezirksmeisterschaften zu vertreten hatten. Dass der Fußball die Leichtathletik in dem kleinen rund 80 Mitglieder zählenden Verein überflügeln würde, damit konnten sie sich nicht abfinden. Die jungen Kicker scherten sich nicht drum und feierten ihre Erfolge überschwänglich. Doch dann kam es 1961 zum Bruch, die alte TSV-Führungsriege dankte ab, so dass Helmut Hörmann nach kurzer Übergangszeit 1964 im Alter von nur 23 Jahren den Vereinsvorsitz im Frühjahr übernahm.
Und prompt im Sommer ein rauschendes Jubiläumsfest zum 40-Jährigen organisierte und die alten Leichtathletik-Funktionäre, ohne groß nachtragend zu sein, als Gründungsmitglieder ehrte. Spätabends beim Jubiläumsfest riefen sie den jungen Vorsitzenden an ihren Tisch: „Wir haben uns in Dir getäuscht, Du hast alles richtig gemacht. Wir stehen von nun an voll hinter Dir.“ Ein langer Weg zur Anerkennung der jungen Fußballclique von 1952. Und der Beginn einer Ära, die den TSV Hildrizhausen Jahrzehnte später sportlich bis in die Fußball-Verbandsliga führen sollte.
Legenden-Elf spielt samstags
Drei Tage lang feiert die Fußballabteilung des TSV Hildrizhausen ihr 70-jähriges Bestehen. Los geht’s am morgigen Freitag mit einem Neun-Meter-Turnier ab 18 Uhr, 24 Teams haben gemeldet. Die Regionenliga-Frauen spielen am Samstag, 10. September, um 13.30 Uhr ihr erstes Heimspiel gegen die SG Sulgen/Hardt. Um 16 Uhr gibt es ein Spiel der ersten und zweiten Mannschaft (gemischt) gegen eine TSV-Legenden-Elf. Neben Torwart Markus Bauer haben unter anderem Imre Toth, Holger Bittmann, Steffen Reutter und Achim Haustein zugesagt. Das Legenden-Team wird von Kult-Trainer Willi Zimmermann gecoacht. Abends ist im Festzelt Livemusik und Fußball-Comedian Uwe Spindler (ab 20.30 Uhr) angesagt. Der Sonntag beschließt mit Turnieren der F-, E- und D-Jugend ab
9 Uhr den Festreigen. -asg-

Die Gründungself des TSV Hildrizhausen, die in der Saison 1951/52 außer Konkurrenz am Spielbetrieb teilnahm mit (stehend von links) Kassier Wilhelm Eisenhardt, Schiedsrichter (Name unbekannt), Willi Grob, Karl Bauer, Werner Riethmüller, Heinz Gärtner, Hans Strehle, Richard Häußler, Oswald Wörner, Abteilungsleiter Otto Krüger, (vorne von links) Christian Berner, Hans Siffrin, Rudolf Lemmer und Alois Bäuerle.GB-Foto: TSV-Archiv