Der richtige Herzrhythmus ist entscheidend

Dieses Mal ist der Patient aus Kunststoff, ein Torso, der auf dem Linoleum des Schulhausbodens liegt. Das nächste Mal vielleicht ist der Patient echt, geht es um Leben oder Tod. Die Herrenberger Schulen setzen längst um, was bundesweit gefordert ist: Am Montagnachmittag erhielten die siebten Klassen des Schickhardt-Gymnasiums Unterricht in Reanimation.

Von Thomas Morawitzky

Lesedauer: ca. 2min 47sec
Dr. Regina Weber-Hall (links) bringt den Schülern die Reanimation bei GB-Foto: Holom

Dr. Regina Weber-Hall (links) bringt den Schülern die Reanimation bei GB-Foto: Holom

Der Theorieteil ist zu Ende, auf der Leinwand leuchtet noch die Statistik, nun kommt die Praxis. Zwei siebte Klassen des Herrenberger Schickhardt-Gymnasiums saßen eben noch im Klassenzimmer, strömen nun hinaus in die kleine Aula des Oberstufentrakts. Dort liegen die Gummitorsi bereits verteilt auf dem Boden. Rasch bilden die Schüler Gruppen und beugen sich über die vorgestellt hilfsbedürftige Person, die Hände geballt auf der Puppenbrust pumpen sie. Regina Weber-Hall, leitende Oberärztin der Anästhesie im Herrenberger Krankenhaus, steht nahebei und schlägt mit den Händen den Takt.

Fünf Jahre sind vergangen, seitdem Dr. Winfried Schürmann, damals Chefarzt der Herrenberger Anästhesie, das Projekt ins Leben rief. Seither erhalten die Schüler der siebten Klassen aller Herrenberger Schulen Unterricht in fachgerechter Reanimation. Schürmann führte dies drei Jahre lang fort, seither setzt sich seine Nachfolgerin Regina Weber-Hall ein, unterstützt von Margret Steffens, Pflegerin für den Intensivbereich und Anästhesie.

Nach drei Minute sterben
bereits die ersten Zellen ab

Dass eine Reanimation fachgerecht und zeitig erfolgt, ist für ihr Gelingen von größter Bedeutung, erklärt Regina Weber-Hall. „Zehn Sekunden nach einem Herzstillstand wird der Betroffene bewusstlos, drei Minuten danach sterben die ersten Zellen ab.“ Notwendig werden kann eine Reanimation fast jederzeit und überall – Thorsten Stahl, der die Reanimationskurse als Lehrer am SGH organisiert, weiß von einem Fall zu berichten, bei dem ein Arzt, der Stunden zuvor Reanimations-Unterricht noch selbst erteilte, von den Schülern, die er unterrichtete, gerettet wurde.

Damit eine Reanimation gelingen kann, müssen die Helfer Verschiedenes beachten. In drei Schritten sollen sie vorgehen: prüfen, rufen und pumpen. Der Zustand des Betroffenen muss begutachtet, festgestellt werden, ob sein Herz noch schlägt, eine Reanimation notwendig ist. Hilfe muss gerufen werden, ein Notarzt, ein Defibrillator gefunden werden.

„Bei einer professionellen Reanimation achten wir darauf, dass bei der Herzmassage nach zwei Minuten gewechselt wird“, erklärt Regina Weber-Hall, „damit die Qualität der Massage nicht nachlässt.“ Wer helfen will, der darf nämlich nicht einfach nur pumpen – er muss darauf achten, den Herzrhythmus zu treffen, die Sinuskurve; seine Pausen müssen seinen Druckphasen entsprechen. All dies üben die Schüler des SGH nun. Getragen wird das Reanimationsprojekt von „Löwen retten Leben“, einer Initiative des DRK und des Kultusministeriums. Am Schickhardt-Gymnasium lernen an Montag und Mittwoch nicht nur jeweils zwei siebte Klassen die richtigen, wichtigen Handgriffe, Bewegungen. Eine Lehrergruppe setzt diese Schulung fort, auf eigene Initiative: In den Klassenstufen acht und neun sind es die geschulten Lehrer, die mit ihren Schülern das Reanimationswissen auffrischen. Stahl gehört der Gruppe an. „Unsere Abiturienten sind die ersten Schüler des SGH, die die Laienrettung drei Jahre hintereinander geübt haben.“

Dass die einfache Grundausbildung zur Herzmuskelmassage an allen deutschen Schulen verbindlich in den Lehrplan aufgenommen wird, ist ein Anliegen, das der Kölner Anästhesiologe Prof. Dr. Bernd Böttiger mit großem Nachdruck verfolgt. 2018 kam Böttiger nach Herrenberg, sprach zu diesem Thema in der Alten Turnhalle.

Am Montag ist Regina Weber-Hall mit ihren Schülern zuletzt sehr zufrieden. So gut haben die Siebtklässler die Abläufe der Herzmuskelmassage begriffen, dass sie bei einer Videoaufzeichnung Fehler benennen können. Das SGH freilich geht mit seinen Präventionsprogrammen auch über die Schulung zur Laienrettung noch hinaus: Am heutigen Dienstag werden dort Schüler unter dem Motto „Schütze Dein Bestes“ für das Thema Verkehrssicherheit sensibilisiert, speziell zum Tragen eines Fahrradhelms motiviert; am morgigen Mittwoch setzt sich dies mit dem Verkehrsschulungsprogramm „No Game. Sicher fahren – sicher leben“ fort.

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Erstellt:
14. Januar 2020

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