Die Hennen dürfen im Kirschbaum übernachten

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Nicole Riethmüller hält ihre Hühnerschar in der Gültsteiner Ortsmitte: „Da weiß man, was man hat“GB-Foto: Holom

Nicole Riethmüller hält ihre Hühnerschar in der Gültsteiner Ortsmitte: „Da weiß man, was man hat“GB-Foto: Holom

Jeden Tag ein Ei und sonntags auch mal zwei? Ganz so legefreudig sind die einzelnen Hühner, die in diesem Artikel vorgestellt werden, nicht. Dafür haben sie jede Menge Platz, schlafen in Apfelbäumen und wenn es ihnen zu kalt ist, dann gibt es manchmal einfach überhaupt keine Eier.

Die Entscheidung eigene Hühner zu halten kam bei den drei Frauen – aus verschiedenen Gäu-Gemeinden – auf unterschiedliche Art und Weise zustande. „Da weiß man, was man hat“, antwortet Nicole Riethmüller. Ungefähr 50 gefiederte Genossen scharren und picken auf einem Grundstück, das mitten in Gültstein liegt, ein Hahn stolziert ebenfalls umher. Auf sechs Ar können sich die Tiere austoben, fünf kleine Obstbäume und weitere Laubbäume spenden Schatten. Als Riethmüllers Schwiegermutter vor fünf Jahren nicht mehr weitermachen konnte, übernahm sie selbst die Versorgung der Hühner. Damals waren es noch zehn Stück, inzwischen sind einige hinzugekommen. Bei jedem neuen Lebensmittelskandal sei sie froh, eigene Eier zu haben, meint die 48-Jährige. „Der Arbeitsaufwand ist wirklich minimal“, sagt Riethmüller, die an der Universität in Tübingen arbeitet. Abends kommen die Hühner in den Stall, morgens werden sie gefüttert, bekommen Wasser und werden herausgelassen, circa einmal in der Woche muss der Stall gemistet werden. Die Eier sammelt Riethmüller abends ein. „Innerhalb von drei Tagen, legt ein Huhn zwei Eier.“

Da die Geflügelschar bunt gemischt ist und die Hühner unterschiedlich alt sind, variieren Größe und Farbe der Eier. Je jünger das Huhn, desto kleiner die Eier. Ein fester Kundenkreis nehme die Eier ab, auch in der eigenen großen Familie finden sich genügend Interessenten. „Das sind richtig frei laufende Hühner, die büxen auch manchmal aus“, sagt die Gültsteinerin schmunzelnd. Neulich sei eines zur Nachbarin in die Tiefgarage geflattert und habe neben das Auto ein Ei gelegt.

Zur Straße hin hat das Grundstück, auf dem die Hühner weiden, einen Zaun an dem immer wieder Kinder aber auch Erwachsene Halt machen um die Tiere zu bewundern. „Ich finde es wichtig, dass es sowas im Ort noch gibt.“ Großen Gewinn mache sie mit den Hühnern nicht. „Aber ich verliere auch kein Geld.“ Nicole Riethmüller hängt an den Tieren, weshalb sie dableiben „bis sie tot von der Stange fallen“.

Ähnlich geht es Lilli Fleck aus Tailfingen: „Ich könnte niemals Hühner schlachten. Die dürfen laufen, bis sie umfallen“, meint sie. Als ihr Schwiegervater starb, sprang Lilli Fleck in die Bresche – „bis es uns zu viel ist“. Das ist bisher noch nicht der Fall: 16 Hühner, weiß, braun und rebhuhnfarben, dürfen sich im Hühnergarten, der direkt am Haus liegt, frei bewegen. Es gibt einen überdachten Bereich und die Tiere können rein- und rausgehen wie und wann sie möchten. „Einwohner mit kleinen Kindern freuen sich, wenn sie mitten im Ort Hühner entdecken“, meint Fleck. Bisher habe es mit Nachbarn noch nie Probleme gegeben, obwohl der alte Hahn sehr viel gekräht habe. Inzwischen ist ein neuer da und Lilli Fleck hofft, dass dieser einen geringeren Geltungsdrang hat. Neue Hühner kauft sie sich, wie Nicole Riethmüller, bei einem Hühnerhändler, der zweimal im Monat vorbeikommt. In der Nachbarschaft kennt sie weitere Personen, die sich ebenfalls Hühner zulegen wollen. „Da weiß man einfach, was die Hühner fressen und wie die Eier sind.“ Doch kann sich einfach jeder, der möchte, Hühner in den Garten setzen? Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. Denn es kommt dabei zum einen auf die bauplanungsrechtliche Gebietsart an, in der sich Haus und Garten befinden, zum anderen darauf, wie viele Hühner es sind und wie sie gehalten werden. Auch naturschutzrechtliche Belange können eine Rolle spielen, wenn beispielsweise Vogelschutzgebiete in Wohngebiete hineinreichen. „Eine Pauschalaussage zu treffen ist extrem schwierig“, sagt Franziska Bihler, Leiterin der Unteren Baubehörde bei der Stadt Herrenberg. Als grundlegenden Tipp gibt sie mit, bei größeren Investitionen bei der Behörde anzufragen, ob es an der geplanten Stelle zulässig ist.

Alexandra Kotschner erkundigte sich bei der Gemeinde Gäufelden, als sie sich in Nebringen Hühner zulegen wollte und fand heraus, dass genau dort, wo jetzt ihr Hühnerstall steht, früher schon einmal einer war. „Ich hätte immer schon gerne Landwirtschaft gehabt und habe von Selbstversorgung geträumt“, erklärt sie ihre Beweggründe, sich vor dreieinhalb Jahren vier Hühner zuzulegen. Das ehemalige Spielhäuschen im Garten wurde in einen Stall umgewandelt, es gibt einen eingezäunten Bereich, in dem sich das Federvieh frei bewegen kann. Während des Gesprächs klingeln Kinder an Alexandra Kotschners Haustür. Sie haben den Hühnern Futter mitgebracht. Auch hier sorgen die gefiederten Tiere für Begeisterung bei den Kleinen. Kotschners Hühner sind ein eigenwilliges Trüppchen. Im Winter legen sie keine Eier, da ist es ihnen zu kalt. Raus gehen sie trotzdem. Als Schlafplatz haben sie den Kirschbaum im Garten gewählt. „Sie fliegen hoch und übernachten da.“ Nur das vierte Huhn schlummere derweil brav auf seiner Stange im Stall.

Allen drei Frauen sind die Tiere ans Herz gewachsen. Sie sehen aber auch die praktischen Seiten der Hühnerhaltung. So vernichtet das Federvieh gerne Essensreste und Bioabfälle und versorgt seine Besitzer mit frischen Eiern – auch wenn man manchmal etwas länger darauf warten muss. ANKE KUMBIER

GlücklicheHühner inNebringenGB-Foto: gb

Glückliche Hühner in Nebringen GB-Foto: gb

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Erstellt:
6. Juni 2018

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