„Die Spätzle brauchen noch zwei Jahre, bis sie ankommen“
Simon Becker und Jannes Müller heißen die beiden vielversprechenden Jungtalente der Gärtringer Radballer. In ihrer ersten Saison als Aktive kämpfen sie nicht nur gleich in der Oberliga um den Klassenerhalt, sondern müssen dabei auch über sich selbst hinauswachsen.
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Zwei Youngsters beißen sich bei den Erwachsenen durch: Jannes Müller (links, im linken Bild) bedrängt im Zweikampf RVG-Vereinskollegen Andy Berner, Simon Becker (rechts) kann mit einer fast schon artistischen Reaktion den Ball mit der linken Schulter noch abwehren GB-Fotos: Schmidt
Dass es nicht einfach werden würde, wussten die zwei jüngsten Teilnehmer des Dreikönigsturniers schon im Vorfeld. Als RV Gärtringen III waren Simon Becker (18) und Jannes Müller (17) bei der 25. Auflage des traditionellen Turniers der Gärtringer Radballer in der Schwarzwaldhalle angetreten. Mit dem RSV Waldrems und RVI Ailingen waren routinierte Mannschaften dabei, die in der Ersten Bundesliga spielen und es den Jungtalenten sichtlich schwermachten. Mehrmals war es Jannes Müller, der nach einer unglücklichen Aktion seinen Frust herausschrie oder den Vorderreifen seines Fahrrads hob und mit voller Wucht gegen den Hallenboden hämmerte. Es hatte nicht sein sollen. Am Ende mussten die jungen Oberliga-Spieler gegen noch zu dominante Gegner mit fünf Niederlagen die Segel streichen.
Frustriert und auch ein wenig verstimmt sitzen die beiden Schüler auf den Bierbänken hinter dem zweiten Spielfeld in der Schwarzwaldhalle am Montagnachmittag, als das Turnier für sie früh beendet ist. Seit ihrem fünften Lebensjahr spielen sie Radball, und der Sport hat ihnen wohl noch nie so wenig Spaß gemacht wie gerade. Während im Hintergrund der Torjubel für die erste Mannschaft der Gärtringer mit Markus Schäfer/Patrick Bühler zu hören ist, die im Spiel um Platz drei souverän die österreichischen Erstligisten RV Lustenau mit 7:3 vom Platz fegt, nagt der Ehrgeiz an Simon Becker und Jannes Müller. „Früher haben wir uns die Gegner zurechtgelegt“, sagt Müller, „Aber da haben wir eben noch im Juniorenbereich gespielt.“
Sogar recht erfolgreich. Becker und Müller, die seit drei Jahren zusammen spielen, wurden baden-württembergischer Radballmeister und haben zweimal hintereinander den fünften Platz bei den deutschen Meisterschaften belegt. In ihrem letzten Juniorenjahr qualifizierten sie sich für die Oberliga im Aktivenbereich. Seit ihrem Sprung zu den Erwachsenen tun sie sich aber schwer. Unter den 16 Mannschaften befinden sich die Gärtringer Jungs momentan auf dem 13. Platz, also nur einen Platz über den Abstiegsrängen – obwohl eigentlich viel mehr drin sein müsste.
So sieht es zumindest ihr Trainer und Vater von Jannes, Jürgen Müller. „Wir haben viele Spiele sehr knapp verloren, manchmal mit nur einem Tor – und das haben wir immer gegen Spielende kassiert“, sagt er. Für ein Team, das im Abstiegskampf steckt, hat das junge Gärtringer Team vergleichsweise wenige Gegentore kassiert – 39 sind es, und damit weniger als manche Mannschaft, die sich im oberen Tabellendrittel befindet. Nur an der Torausbeute hapere es noch, so Müller. Die nötige Klasse und das Potenzial hätten die Jungs. „Simon ist für sein Alter schon verdammt abgeklärt im Tor“, so der Coach. Und Gunther Schmid, zweiter Trainer, sagt über seinen Feldspieler: „Jannes hat die Schnelligkeit und eine gute Übersicht.“ Auch das Zusammenspiel funktioniere wunderbar, obwohl die beiden vergleichsweise erst seit kurzer Zeit miteinander spielen, wenn man bedenkt, dass es Partner gibt, die von klein auf dem Feld stehen. Nur eine Sache sei da, so Schmid: „Ein wenig Geduld brauchen die beiden noch.“
Denn was den Gärtringer Talenten noch fehlt, ist etwas, das sie nicht von heute auf morgen als Rüstzeug mitbekommen. Ein Blick auf die höherklassigen, erfahrenen Gegner zeigt das. „Sie sind robuster, da haben die Jungs im Zweikampf noch das Nachsehen. Im Alter kommen dann noch ein paar kleinere Tricks dazu, die man als Neuling nicht kennt“, sagt Gunther Schmid und richtet ein paar tröstende Worte an seine körperlich noch unterlegenen Schützlinge: „Die Spätzle brauchen halt noch zwei Jahre, bis sie ankommen.“
Auch Uwe Berner, ehemaliger Weltmeister im Radball und mittlerweile Jugendleiter beim RV Gärtringen, weiß, wie schwer der Sprung vom Junioren- in den Aktivenbereich ist. „Das ist ein Riesenschritt“, sagt er. Denn im Gegensatz zu anderen Teamsportarten wie beispielsweise Fußball ist man im Radball als junger Spieler komplett auf sich gestellt. „Es gibt keine Teammitglieder, die die Unerfahrenheit kompensieren können. Da muss man sich allein gegen die Älteren und Erfahreneren durchbeißen.“ Das Potenzial hätten Simon Becker und Jannes Müller jedenfalls, so sieht es auch der Ex-Weltmeister von 2010.
Bereits kommendes Wochenende steht nach der Winterpause der zehnte Spieltag in der Radball-Oberliga Baden-Württemberg an. Dann geht es wieder gegen machbarere Gegner wie Lauffen, Kemnat I und II. Den ganzen Dezember über haben Becker und Müller sich in der heimischen Schwarzwaldhalle dafür vorbereitet. „Wir haben viermal die Woche trainiert, manchmal bis zu drei Stunden“, sagt Becker. Die Rückrunde, das wissen beide Spieler, wird ein Kampf werden. Das Ziel sei, am Ende die Klasse zu halten. „Und in zwei, drei Jahren wollen wir uns in der Liga etablieren“, so Jannes Müller. Bis dahin dürften auch die Spätzle ihre Wirkung entfaltet haben …
Vom jüngsten Dreikönigsturnier des RV Gärtringen gibt es eine Fotogalerie in der Mediathek auf www.gaeubote.de

Zwei Youngsters beißen sich bei den Erwachsenen durch: Jannes Müller (links, im linken Bild) bedrängt im Zweikampf RVG-Vereinskollegen Andy Berner, Simon Becker (rechts) kann mit einer fast schon artistischen Reaktion den Ball mit der linken Schulter noch abwehren GB-Fotos: Schmidt