Die Verbände ziehen die Reißleine

Sportpolitik: Fußball, Handball und Tischtennis unterbrechen den Spielbetrieb auf baden-württembergischer Ebene nach einer weiteren Verschärfung der Corona-Regelungen.

Von Robert Stadthagen und Andreas Gauß

Lesedauer: ca. 4min 23sec
Neue Corona-Notverordnung Sport zwingt die Verbände nun in die Winterpause oder in den Hallensportarten zur Unterbrechung des Spielbetriebs. GB-Foto (Archiv): Schmidt

Neue Corona-Notverordnung Sport zwingt die Verbände nun in die Winterpause oder in den Hallensportarten zur Unterbrechung des Spielbetriebs. GB-Foto (Archiv): Schmidt

Mit dieser Bombe hatte am Freitagnachmittag eigentlich kaum jemand mehr gerechnet. Und dann platzte sie doch. Die neue Corona-Verordnung der Landesregierung sieht eine 2G-plus-Regelung für Sportler vor – egal, ob drinnen oder draußen. Unter diesen Bedingungen sahen die großen Mannschaftssport-Verbände in Baden-Württemberg keine Basis mehr für ihren Spielbetrieb. Folgerichtig wurde die Saison im Handball, Tischtennis und Fußball mit sofortiger Wirkung auf baden-württembergischer Ebene unterbrochen.

Der Verband Tischtennis Baden-Württemberg hatte bereits am Donnerstag darüber informiert, dass man im Falle von 2G plus für Sportler den Spielbetrieb aussetzen wird. Dass dieser Fall derart schnell eintreten würde, hatten vermutlich auch die Verbandsfunktionäre nicht erwartet, nachdem die handelnden Akteure in der Politik sich in den vergangenen Tagen mit konkreten Ansagen viel Zeit gelassen hatten.

„Es war eigentlich damit zu rechnen gewesen, dass der Spielbetrieb am Wochenende unter den bisher geltenden Bestimmungen läuft“, sagt Maximilian Bühler, Vorsitzender des TTV Gärtringen. Auch er wurde am Freitagabend kalt erwischt. „Ich habe das gerade zwischen Tür und Angel erfahren“, sagte er. „Die Kurzfristigkeit ist das große Problem.“ Wieder bekamen die Vereine Regelungen vorgesetzt, die in der Kürze der Zeit nicht umzusetzen sind. Die nun erforderlichen Schnelltests für Sportler sind in der Fläche nicht machbar. Es fehlen vielerorts Teststationen, Testkits für den kontrollierten Gebrauch im Verein sind im Handel in ausreichender Menge nicht zu bekommen – mal ganz abgesehen vom finanziellen Aufwand für die Clubs.

„Man ist es ja schon gewohnt, dass es so spät kommt“, sagt Jochen Kugler, Spielbetriebsleiter der Tischtennisabteilung des VfL Herrenberg. Wie es nun weitergeht, konnte er gestern Abend noch nicht sagen. „Ich muss das jetzt erst einmal sacken lassen“, sagte er auf die Frage, ob auch der Trainingsbetrieb ausgesetzt werden muss. „Wir müssen uns die Verordnung jetzt genau anschauen“, erklärte Maximilian Bühler zu diesem Thema. Dass geboosterte Personen von der Testpflicht ausgenommen sind, könnte zumindest einem bestimmten Personenkreis das Training weiter ermöglichen. Die genauen Regelungen für die Jugend waren gestern Abend noch unklar.

Am gestrigen Freitagabend sind kurz nach 18 Uhr sämtliche WhatsApp-Gruppen der Handball-Aktivenmannschaften der SG H2Ku Herrenberg „explodiert“. Viele Spieler haben sofort Wind von den neuen Regelungen mit Gültigkeit zum heutigen 4. Dezember bekommen und quasi zeitgleich mit Funktionären und Trainern in die Gruppen weitergeleitet. Nichts geht mehr in allen Spielklassen des Handballs von der Baden-Württemberg-Oberliga bis zur Kreisliga B. Hansi Böhm, Spielleiter der SG-Herren: „Das ist quasi gleichbedeutend mit einem Lockdown.“ Ihn hat vor allem die Kurzfristigkeit überrascht: „Das ist heftig.“ Gleichzeitig sieht er aber ein, dass gerade die 2G-plus-Regel mit der Aufgabe, auch für Spieler noch im Laufe des Samstages sich nach einem Schnelltest umzuschauen, schwierig geworden wäre: „Manche haben da keine Chance, noch Tests zu bekommen, von daher war das nur konsequent.“

Hansi Böhm betont allerdings auch: „Jetzt muss aber schnell Klarheit herrschen, wann wird weiter gespielt?“ Wenn baldmöglichst bekannt wäre, dass bis Weihnachten nicht mehr gespielt werde, könnte auch Mitte kommender Woche der Übungsbetrieb heruntergefahren und damit die von der Politik so gewünschten Kontaktbeschränkungen Folge geleistet werden.

Fabian Gerstlauer, Trainer des Herrenberger Oberligateams, war am Freitagabend gerade noch dabei, Wurfbilder des Gegners TuS Schutterwald für seine beiden Torhüter Nicolas Rhotert und Georg Mohr zusammenzuschneiden, als die Meldung der Generalabsage auf der Verbandsseite aufpoppte. Gerstlauer stellte dann nüchtern eine Nachricht in die WhatsApp-Gruppe seiner Mannschaft: „Sehen uns am Montag. Wünsche uns allen ein schönes, spielfreies Wochenende.“ Stand gestern Abend ging er noch davon aus, dass es erstmal bei einer Unterbrechung bleibt und eventuell in den höherklassigen Ligen des Landes am nächsten Wochenende wieder gespielt werden kann. Denn: „Für uns alle wäre es am Samstag kein Problem gewesen, dass die Spieler sich noch einem Schnelltest unterziehen.“

Auch Marcel Kohler, Trainer des Landesliga-Männerteams, wäre am heutigen Samstagmittag mit seinem Team in der Schnellteststation im „Haslacher Hof“ vor der Heimpartie gegen den TV Weilstetten II aufgeschlagen. Dies ist nun hinfällig, Kohler: „Ich habe den Spielern geschrieben, sie sollen am Samstag oder Sonntag dann einen kleinen Dauerlauf unternehmen.“ Er rechnet damit, dass die Teams vom Verband bis Mitte der kommenden Woche Bescheid bekommen, wie es mit dem Spielbetrieb weitergehen soll: „Da habe ich eine klare Erwartungshaltung.“

Melanie Schittenhelm, Trainerin der Württembergliga-Frauen der SG H2Ku Herrenberg II, konnte mit der Entscheidung auf Anfrage des „Gäubote“ leben: „Das ist nur eine logische Folge angesichts der bisherigen Regelungen.“ Für sie war schon vergangene Woche unverständlich, dass Zuschauer 2G-plus-Regeln unterworfen waren (also mit Schnelltests in die Halle), während die Spielerinnen noch ohne Tests (also nur 2G) in der Halle ihrem Sport nachgehen konnten. Schittenhelm hält nunmehr einige Wochen Pause im Trainings- und Spielbetrieb für möglich.

Auch die baden-württembergischen Fußballverbände reagierten am Freitagabend. Sämtliche ab dem heutigen Samstag bis zum Jahresende angesetzten Verbandsspiele wurden abgesetzt und werden in das neue Jahr verlegt. „Die Entscheidung war erforderlich, nachdem die Landesregierung bis zum Abend weder eine neue Corona-Verordnung noch eine Corona-Verordnung Sport verkündet hat. Zu erwarten ist jedoch, dass jedenfalls eine Kabinennutzung ab morgen nur noch unter 2G-plus-Voraussetzungen möglich sein wird. Möglicherweise gilt dies zudem auch für die Sportausübung. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsunsicherheit und ganz kurzfristig zu erwartender Verschärfungen, ist eine Fortsetzung des Spielbetriebs nicht zu vertreten“, hieß es in einer Pressemitteilung des Württembergischen Fußballverbandes.

„Wir halten einen Spielbetrieb unter diesen Bedingungen für nicht mehr zumutbar. Unsere Vereine haben all die Regelungen in den vergangenen Wochen mit viel Engagement und Disziplin umgesetzt. Über Nacht Tests für das ganze Team zu organisieren, das können wir von niemandem verlangen“, erklärte WFV-Präsident Matthias Schöck.

„Wir hätten gerne weitergespielt. Ich bin etwas zwiegespalten, denn es ist nicht klar, wie es im Januar und Februar weitergehen soll, wenn es wieder an die Vorbereitung geht. Da muss man fast die ganze Runde in Frage stellen“, reagierte Daniel Supper, Spielertrainer des Bezirksligisten SV Deckenpfronn auf die neue Situation.

„Ganz unzufrieden bin ich mit dieser Entscheidung nicht, wenn gerade so viele Spieler nicht zur Verfügung stehen. Für den FCG ist das in dieser Phase nicht das Schlechteste“, lautete das Statement von Hanjo Kemmler. Der Trainer des Landesligisten FC Gärtringen hatte schon im Vorfeld der Verbandsentscheidung mit der Möglichkeit einer 2G-plus-Regelung gehadert: „Für mich wäre das völliger Unsinn gewesen. Ich hätte bei 2G plus am Wochenende keine Mannschaft zusammenbekommen.“ Schlichtweg aus dem Grund, weil nicht alle Spieler noch einen Termin für einen Schnelltest gefunden hätten.

Fabian Gerstlauer, Trainer der Oberliga-Männer der SG H2Ku Herrenberg, schaut skeptisch: Ob es nur bei einer kurzen Saisonunterbrechung bleibt? GB-Foto (Archiv): Eibner

Fabian Gerstlauer, Trainer der Oberliga-Männer der SG H2Ku Herrenberg, schaut skeptisch: Ob es nur bei einer kurzen Saisonunterbrechung bleibt? GB-Foto (Archiv): Eibner

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Erstellt:
3. Dezember 2021

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