Eigene Währung, Betriebe und Politik

Wenn alle Wahlen abgeschlossen, alle Betriebe gegründet und alle Institutionen aufgebaut sind, dann ist es im Juli so weit: Das Andreae-Gymnasium Herrenberg verwandelt sich in „Los Andreae“.

Von Jakob Hertl

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Eigene Währung, Betriebe und Politik

Bei all der Verantwortung, den Arbeiten und Pflichten im Leben eines Erwachsenen sehnt sich manch einer des Öfteren zurück in die Schulzeit, als alles noch „einfacher“ war. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Rechte und Möglichkeiten, wie zum Beispiel politische Mitbestimmung in Form von Wahlen oder das Privileg, der Arbeit nachzukommen, die man möchte. Beide Seiten werden die Schüler des Andreae-Gymnasiums Herrenberg im Juli kommenden Jahres im Rahmen des Projekts „Schule als Staat“ kennenlernen.

Im Zeitraum vom 20. bis 24. Juli verwandelt sich die Schule – wie der Name schon sagt – für eine Woche in einen eigenständigen Staat. Dazu gehören neben einer gewählten Staats- und Rechtsform und einem Wirtschaftssystem, eine eigene Währung, ein Staatsname und eine selbst designte Flagge. Die meisten Wahlen sind bereits abgeschlossen, so wird in der Republik „Los Andreae“ mit „Credits“ bezahlt werden. Zum Staatspräsidenten hat die Schulgemeinschaft David Kienzler von der Partei „Flamingos“ gewählt.

In der Gründungsphase befinden sich aktuell noch die meisten Betriebe. Wie in einem echten Staat, können Schüler und Lehrer eigene Unternehmen aufbauen. Da ist alles dabei: Bars, Restaurants, Theater oder auch Schönheitssalons und vieles mehr. „Es kommen da teilweise sehr kreative Ideen auf“, weiß Lehrerin Dagmar Weber. Im vergangenen Jahr etwa habe sich bei „Schule als Staat“ ein Tattoostudio großer Beliebtheit erfreut. Manche der Unternehmungen blieben in der Vergangenheit sogar über das Projekt hinaus existent. Aus der Staatszeitung vor drei Jahren ist die aktuelle Schülerzeitung entstanden, und „auch die Lehrerband hat sich hartnäckig gehalten“, sagt Weber. Während der Projektwoche finden neben den alltäglichen Abläufen zwei Podiumsdiskussionen mit echten Experten zu den Themen „Wie zeitgemäß ist Schule?“ und Klimaschutz sowie ein Unterhaltungsabend mit nachgestellten Spiel-Shows statt.

All das bringt natürlich einen großen Organisationsaufwand mit sich — und kostet Geld. Die Planung hat bereits im vergangenen Jahr begonnen. Sponsoren unterstützen das Projekt finanziell. Außerdem ist das Ziel, dass Leute von außerhalb den Schulstaat in der Juliwoche besuchen und so wieder Geld hereinkommt, das dann in die Schule investiert werden kann. Bei der Verwaltung der Finanzen hilft der Förderverein des AGH „efa“. „Auch einige Eltern haben Hilfe angeboten“, ergänzt Jennifer Robbers, ebenfalls Lehrerin am AGH.

Und die Schüler sind sowieso überwiegend begeistert mit dabei: „Das Engagement ist auf jeden Fall da“, meint Johanna Ostertag aus der J1, eine der Mitorganisatorinnen. Einige Unternehmen wurden schon gegründet, weitere werden noch folgen, bereits jetzt finden die ersten Parlamentssitzungen statt. Alle, die keine eigene Firma ins Leben gerufen haben, können sich ab Januar bei den Betrieben bewerben. Schließlich herrscht in „Los Andreae“ Arbeitspflicht. Davon sind auch die Lehrer nicht ausgeschlossen, für die die gleichen Rechte und Pflichten gelten, wie für das restliche „Volk“. „Es ist ein gemeinschaftliches Schulprojekt, kein Schülerprojekt“, erläutert Dagmar Weber. Während der Projektwoche findet kein Unterricht statt.

Die grundlegende Idee ist, dass die Schüler Einblicke in die Funktionsweise eines eigenständigen Staats erhalten und demokratische Prozesse kennenlernen. „Außerdem soll die Schulgemeinschaft gestärkt werden“, führt Johanna Ostertag aus. Selbstständige Organisation, Verantwortung und wirtschaftliches Denken sollen ebenfalls gefördert werden.

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Erstellt:
8. Januar 2020

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