Eine Herausforderung für den Notfall

„Gäubote“-Weihnachtsaktion: Unter dem Motto „Menschenskinder!“ unterstützt der Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ Projekte der Schulsozialarbeit an Herrenberger Bildungseinrichtungen. „Challenges“ widmen sich Themen aus dem Klassenverbund.

Von Jutta Krause

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An der Hilde-Domin-Schule wollen die Schulsozialarbeiterinnen Katharina Gengnagel-Simoneit und Nadja Großmann (hinten, von links) bei Notfällen helfen.GB-Foto: Holom

An der Hilde-Domin-Schule wollen die Schulsozialarbeiterinnen Katharina Gengnagel-Simoneit und Nadja Großmann (hinten, von links) bei Notfällen helfen.GB-Foto: Holom

Ob es um eine gute Klassengemeinschaft geht, den Umgang mit Konflikten oder darum, bei Problemen im Notfall einen Ansprechpartner zu haben: Die Schulsozialarbeit an den Herrenberger Schulen erfüllt viele wichtige Aufgaben und tut einiges dafür, dass der Schulalltag besser läuft. An fast allen Schulen der Gäustadt ist Mevesta (früher „Verein für Jugendhilfe“) mit dieser wichtigen Aufgabe betraut. Weil der Unterstützungsbedarf für Kinder und Jugendliche zunimmt, fördert die „Gäubote“-Weihnachtsaktion zusammen mit dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ im Rahmen der aktuellen Spendenkampagne unter dem Motto „Menschenskinder!“ dieses Unterfangen.

Gegen Ausgrenzung
von Mitschülern
Ein besonderes Angebot an allen Schulen sind die begleiteten „Challenges“ – Herausforderungen, denen eine Schulklasse sich gemeinsam stellt und die sie nur im Klassenverband bewältigen kann. „Bei den Challenges geht es um Themen, die eine Klasse beschäftigen, wo sie in Gemeinschaft nachjustieren muss – wenn zum Beispiel das Miteinander nicht gut funktioniert oder wenn Schüler zum Drangsalieren, Bloßstellen oder Ausgrenzen von Mitschülern neigen“, erklärt Susanne Künschner, die als Fachvorständin Jugendhilfe bei Mevesta federführend für die Herrenberger Schulsozialarbeit zuständig ist. Bei den Challenges werden die Kinder und Jugendlichen auf spezielle Art und Weise herausgefordert, gewaltfreies und faires Miteinander wird gefördert und belohnt.

„Wir stellen immer wieder fest, dass durch die Homeschooling-Phasen und mangelnden Lernmöglichkeiten der letzten drei Jahre das Sozialverhalten in den Klassen erheblichen Nachholbedarf aufweist“, betont die Diplom-Sozialpädagogin. „Im miteinander Tun passiert ganz viel, es kommt zu Erkenntnissen, dass vielleicht auch das eigene Verhalten nicht ganz richtig war. Defizitäre Strategien werden aufgedeckt und gemeinsam reflektiert. Das ist ein langer Prozess, mit dem die Schüler nicht allein gelassen werden.“ Sechs bis zehn Schulwochen sind in der Regel für eine Challenge anberaumt. Unterschieden wird zwischen „soft“ und „hard“, also leichteren und schwereren Aufgaben. Für diese Challenges, die bereits erfolgreich an Herrenberger Schulen etabliert sind, will Mevesta neue Materialien anschaffen. Zudem soll ein Preisgeld ausgelobt werden. Besteht eine Klasse die Challenge, gibt es einen bestimmten Betrag für die Klassenkasse, der dann beispielsweise für einen Ausflug oder Ähnliches verwendet werden kann.

Als weiterführende Schule, an der viele Schüler ihre Berufsaus- oder Weiterbildung absolvieren, stellt die Hilde-Domin-Schule innerhalb der Herrenberger Schulen eine Ausnahme dar. Von Sprachklassen für Geflüchtete über diverse Schulabschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur sowie Berufsausbildungsklassen von Landwirtschaft bis Pflegeberufe reicht das Unterrichtsspektrum der „Hilde“. Die Schüler sind „zwischen 15 und 55“ und bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit. Entsprechend vielseitig sind ihre Anliegen und Probleme. „Das ist hier etwas andere Schulsozialarbeit als an den Regelschulen, unter den Herrenberger Kollegen sind wir die Exoten“, erklärt Schulsozialarbeiterin Nadja Großmann, die sich mit ihrer Kollegin Katharina Gengnagel-Simoneit ein Büro und die Begleitung der knapp 700 Schüler teilt. Ihr Arbeitsplatz liegt ganz zentral im Schulgebäude, die Türe zu ihrem Büro steht meist offen. Die Schülerinnen und Schüler kommen mit den unterschiedlichsten Anliegen zu ihnen. „Fahrkarte verloren, aus der Wohnung geflogen, kein Geld, nichts zu essen, ungeplant schwanger…“ zählt Nadja Großmann einige Beispiele auf, die alle schon vorgekommen sind. Egal, worum es geht, die Schulsozialarbeiterinnen legen sich mächtig ins Zeug, um den Rat- und Hilfesuchenden weiterzuhelfen. „Es gibt immer wieder Überraschungsmomente, die wir so noch nie hatten, wo wir überlegen müssen, was zu tun ist. Aber es ist ein gutes Gefühl zu wissen: Sie kommen zu uns mit ihren Problemen, das ist wirklich wichtig“, betont Katharina Gengnagel-Simoneit.

Um im Notfall flexibler zu sein und besser agieren zu können, wünschen die beiden sich schon seit längerem ein „Notfallkässle“, auf das sie schnell, unkompliziert und ohne langen Vorlauf zurückgreifen können. Angesiedelt werden sollen das Kässle und dessen finanzielle Organisation beim Stadtjugendring, damit rechtlich und organisatorisch alles in trockenen Tüchern ist. Selbstverständlich wird auch hier alles ordnungsgemäß dokumentiert werden, nur eben ohne den zu langen Vorlauf, erst mal einen Antrag stellen zu müssen.

Denn dazu fehlt im Alltag oft die Zeit. „Wir haben oft Situationen, wo wir ganz schnell Geld bräuchten. Der Klassiker: Am Freitagnachmittag steht eine Schülerin in der Tür und sagt: Ich weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen soll“, erzählt Katharina Gengnagel-Simoneit. „Die Jugendlichen kommen mit ihren individuellen Notlagen, wo man viel verhindern kann an weiteren Folgen, wenn man ganz schnell helfen kann. Manchmal sind es nur kleine Beträge, aber es ist eben keine Zeit, erst lang einen Antrag zu stellen“, erklärt sie. Wichtig ist ihnen auch der Vertrauensvorschuss gegenüber den Hilfesuchenden. „Es ist gut, wenn man nicht erst nachfragen muss, warum sie das jetzt brauchen. Oft handelt es sich um Jugendliche, die schon länger bei uns in Betreuung sind oder wo wir von den Lehrkräften wissen, dass da tatsächlich eine Notlage vorliegt.“ Verschleppen sich die Probleme, kann es dazu führen, dass junge Menschen ihre Ausbildung abbrechen oder ihr Schulabschluss gefährdet ist. Dabei werden Absolventinnen und Absolventen der Hilde-Domin-Schule händeringend gesucht – beispielsweise in der Pflege oder in den Kitas. „Die Notfallkasse würde uns extrem entlasten!“, betonen die beiden. „Es sind die kleinen Probleme, bei denen aus einer Mücke leicht ein Elefant werden kann. Für die Jugendlichen ist es wichtig, zu wissen, da ist jemand, der uns freundlich gesonnen ist“, erklärt Nadja Großmann. „Wir machen unseren Job mit Herzblut, aber das intensive Überlegen und langwierigen Suche nach Lösungen bindet viele Kapazitäten.“

Benefizgala für „Menschenskinder!“

„Menschenskinder!“ – unter diesem Motto steht die diesjährige „Gäubote“-Weihnachtsaktion in Kooperation mit dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“. „Menschenskinder!“ steht für das Ziel, Kinder und auch Jugendliche, mit denen
es das Schicksal nicht gut gemeint hat, in der Zeit des Heranwachsens zu unterstützen. Profitieren soll ein Gartenprojekt für eine Wohngruppe der Jugendhilfeeinrichtung Waldhaus in Herrenberg, die Schulsozialarbeit in Herrenberg und Umgebung, das Jugendhaus, mit seinen speziellen Angeboten für Jugendliche und die Traumaberatung des Seehausvereins Leonberg in Herrenberg für Kinder mit Flucht- und Kriegserfahrung. Ein Schwerpunkt von „Miteinander – Füreinander“ ist seit vielen Jahrzehnten die individuelle Hilfe für Menschen und eben auch für Kinder aus Herrenberg und der gesamten Gäuregion, die in prekäre Lebenslagen geraten sind.

Dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ gehören neben dem „Gäubote“ und den Kirchen mitsamt Evangelischem Diakonieverband auch Vertreter der Stadt und der Bürgerstiftung an.

Zugunsten der „Gäubote“-Weihnachtsaktion bestreiten die Band „4more friends“ und das Mauerwerk wieder eine Charity-Gala. Neben der Band wird als Gast des Abends Uwe Spinder mit seinem Kult-Comedy-Programm „Da lacht der Fußball“ erwartet. Der Benefizabend findet am Sonntag, 21. Januar, 18 Uhr, im Mauerwerk statt. Karten dafür gibt es im Vorverkauf im „Gäubote“-Verlag in der Horber Straße 42 und im Mauerwerk in Herrenberg.-gb-

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Erstellt:
21. Dezember 2023

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