„Eine ganz andere Motivation und Moral“

Im November spielte der SV Rohrau erstmals auf dem neuen Kunstrasenplatz. Für Trainer und Spieler ist der mit Kork gefüllte Platz in normalen Zeiten eine große Entlastung. Für die große Eröffnungsfeier, die nun wegen Corona abgesagt ist, hätte sogar DJÖtzi anreisen sollen. Am kommenden Dienstag wird das ebenfalls neu gebaute Multifunktionsspielfeld vom Förderverein Fußballfreunde des SV Rohrau offiziell an die Gemeinde übergeben.

Von Berkan Cakir

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Der SV Rohrau kann nun auch im Winter ohne Probleme trainieren und spielen GB-Foto (Archiv): Bäuerle

Der SV Rohrau kann nun auch im Winter ohne Probleme trainieren und spielen GB-Foto (Archiv): Bäuerle

Auch wenn Andreas Klemm es nicht direkt sagt – dass er ganz schön stolz auf den neuen Kunstrasenplatz auf dem Rohrauer Sportgelände ist, ist ihm anzumerken, während er die ganzen Details der Entstehungsgeschichte erläutert. Da sind zum Beispiel die millimeterkleinen Korkpartikel, die der Vorstand der Fußballabteilung mit seinen Fingern zwischen den künstlichen Grashalmen herausfischt. „Soweit ich weiß, ist der nächste Kunstrasenplatz, der mit Kork gefüllt ist, erst wieder irgendwo auf der Alb zu finden“, sagt Klemm. Im Kreis Böblingen gebe es jedenfalls wohl keinen anderen.

So ganz neu wie der Platz noch wirkt, ist er eigentlich nicht mehr. Bereits im vergangenen Herbst begann der Trainingsbetrieb, im November absolvierte die erste Mannschaft der Rohrauer auch das erste Punktspiel (wir berichteten). Selbst die sonst zähe Wintervorbereitung konnten die Fußballer endlich „wettbewerbsgerecht“, so Klemm, auf dem Platz absolvieren. „Den Jungs hat man den Spaß angemerkt, jetzt springt der Ball perfekt“, sagt er.

Das Vergnügen dauerte aber nicht lange. Seitdem die Saison aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen ist, ruht auch der Betrieb auf dem neuen Fußballfeld des SV Rohrau. Für den Vorstandsvorsitzenden ist das Thema Fußball aufgrund der Krise gerade nachrangig. Die Suche nach einer Lösung im Umgang mit der abgebrochenen Saison verfolgt er interessiert. „Ich glaube, egal welche Entscheidung man trifft, man wird nicht alle zufriedenstellen können“, sagt er.

Der Rohrauer blickt trotz allem optimistisch in die Zukunft. Hauptsächlich liegt das an den weitaus besseren Grundvoraussetzungen, die nun auf dem Sportplatz im Gärtringer Ortsteil herrschen. Dort, wo heute der neue Kunstrasen ausgerollt ist, erstreckte sich früher ein Rasenplatz, auf dem überwiegend trainiert worden sei, um den Hauptplatz zu schonen. Letzterer sei vor allem im Spielbetrieb ausgelastet gewesen. Gerade in den Wintermonaten waren aber in der Regel beide Plätze unbespielbar.

Wenn die Fußballer nicht gerade im angrenzenden Wald Jogging-Einheiten absolvierten, wichen sie entweder in die Soccer-Arena aus oder durften auf dem Kunstrasen des SV Nufringen trainieren. Gerade zu Zeiten, als der Kunstrasen gebaut wurde, sei es nicht einfach gewesen, den Trainings- und Spielbetrieb in Rohrau aufrechtzuerhalten. „Wir sind den Nufringern deshalb sehr dankbar“, sagt Klemm. Da beide Rasenplätze zudem von Würmern befallen waren und ohnehin eine Generalüberholung anstand, entschied sich der Verein, den zweiten Platz in einen Kunstrasen umzuwandeln. 2015 wurde die erste Anfrage bei der Gemeinde gestellt, im Mai 2019 schließlich mit dem Bau begonnen – unter Mithilfe von Spielern und Betreuern, die laut Klemm insgesamt rund 2000 ehrenamtliche Stunden Arbeit leisteten. Netto habe der Rasen – inklusive neuem Bolz- und Basketballplatz nebenan – rund 750000 Euro gekostet.

Etwas teurer wurde es als bei der Granulat-Lösung, von der man im letzten Moment abgewichen sei, als die Debatte um ein mögliches Granulat-Verbot im vergangenen Sommer aufkam. „Der Kork an sich ist nicht teurer als Granulat“, sagt Klemm. Aber da er leichter sei, bestehe die Gefahr, dass er mit dem Regen weggespült werde. „Wir mussten deshalb einen teureren Rasen mit gezackten Halmen wählen, der dafür sorgt, dass der Kork unten bleibt“, sagt Klemm. Es gab auch Kritiker des Projekts im Verein selbst, die infrage stellten, ob Rohrau wirklich einen solchen Kunstrasen benötigt. „Jetzt sehen sie es anders“, sagt der Vorstandsvorsitzende, der auf die Nutzung des Platzes im Normalfall verweist: „Der Platz ist täglich vier Stunden belegt.“

Beansprucht wird der Rasen vor allem von der ersten Mannschaft, die in der Bezirksliga spielt. Für den Trainer Bernd Gluiber stellt das Feld eine große Bereicherung dar. „Wir können viel flexibler trainieren, und das macht jetzt viel mehr Spaß“, sagt er. Dem Spiel seiner Mannschaft, die auf auswärtigem Kunstrasen immer eine gute Figur abgegeben habe, käme das große, 62,5 x 100 Meter große Feld sehr entgegen. „Wir sind spielstark“, sagt Gluiber, was sich bisher auch an der heimischen Kunstrasenbilanz bemerkbar macht: Bei vier Spielen blieb Gluibers
Elf ungeschlagen und holte acht Punkte, darunter ein Unentschieden gegen Spitzenreiter Maichingen im bisher einzigen Pflichtspiel im neuen Jahr. Zudem fühle sich der Kork sehr angenehm an, so der Trainer. Zumindest habe sich noch kein Spieler über auf diesem Untergrund häufig auftretende Rückenprobleme beschwert.

Auch Spielführer Simon Kamm zeigt sich erfreut über den Platz. Er spielt seit 1998 im Verein und weiß, wie schwer es Jahr für Jahr im Winter war. „Von Oktober an hat es auf beiden Plätzen angefangen, schlechter zu werden“, erzählt er. „Jetzt ist da eine ganz andere Motivation und Moral.“ Das spürt Kamm nicht nur bei den Aktiven, sondern auch bei den Junioren, bei denen er die C-Jugend der Spielgemeinschaft mit dem SV Nufringen trainiert. „Die Kids sind begeistert. Sonst waren wir im Winter immer in Nufringen, jetzt können wir uns abwechseln und ihnen auch in Rohrau fußballerisch etwas bieten.“

Einziger Wermutstropfen für den SV Rohrau ist, dass die große Einweihungsfeier abgesagt werden musste. Das Fest hätte im Juli auf dem Hauptplatz stattfinden sollen, der anschließend generalüberholt worden wäre. Ein Einweihungsspiel gegen die A-Junioren des VfB Stuttgart war geplant, ein Traditionsteam aus dem gleichnamigen Partnerort in Österreich hätte anreisen sollen. „Wir wollten ein Festzelt für 2000 Leute aufstellen und hatten DJ Ötzi an der Angel“, sagt Andreas Klemm. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, soll das Fest nachgeholt werden.

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Erstellt:
30. Mai 2020

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