Filderkraut gedeiht auf Reustener Ackerboden

Der Herbst ist da und je nebliger die Tage werden, umso größer wird die Lust auf herzhafte Gerichte. Auf wärmende Suppen, überbackene Aufläufe – und auf Sauerkraut. Für Letztgenanntes sind Regina Gebert, Dirk Wenning und Markus Layer die richtigen Adressaten, die drei Reustener bauen seit vier Jahren ihr eigenes Filderkraut an.

Von Sabine Haarer

Lesedauer: ca. 4min 09sec
Dirk Wenning, Regina Gebert und im Hintergrund Tochter Jette Wenning bei der KrauternteGB-Foto: Bäuerle

Dirk Wenning, Regina Gebert und im Hintergrund Tochter Jette Wenning bei der KrauternteGB-Foto: Bäuerle

Filderkraut im Ammertal? Regina Gebert hört die leicht erstaunte Frage nicht zum ersten Mal und kann sie souverän beantworten. Natürlich sei die Weißkraut-Sorte nach den fruchtbaren Äckern auf den Stuttgarter Fildern benannt, doch an sich bezeichne sie eine ganz spezielle Spitzkohl-Art. „Sie ist sehr schmackhaft, hat ganz besonders feine Blätter und eignet sich deshalb sehr gut zum Einschneiden und somit zur Sauerkraut-Herstellung“, sagt die Reustenerin. Der Vorteil: Durch die feinblättrige Struktur sei das Kraut bekömmlicher und feiner im Geschmack. Der Nachteil: „Es ist viel anspruchsvoller in der Kultivierung.“ Nicht nur, dass sich der Spitzkohl, anders als die runden Sorten, nicht maschinell ernten lässt. Er ist anfälliger für die „weiße Fliege“, also Mottenschildläuse, und er verlangt eine ganz besondere Weiterverarbeitung. „Er muss feiner gehobelt werden, als die runden Krautköpfe“, nennt Markus Layer ein Detail. Auch wenn sie um diese Herausforderungen wissen, haben es sich Regina Gebert, Ehemann Dirk Wenning und Nachbar Markus Layer nicht nehmen lassen, unter die Spitzkohl-Anbauer zu gehen.

Ganz bewusst verzichten die Drei dabei auf den Einsatz von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und setzen stattdessen auf natürlichen Pflanzenschutz, effektive Mikroorganismen (EM) und ganz pragmatisch auf den Einsatz von Mist. „Dadurch ist der Boden bestens versorgt und wir können unser eigenes Wohlbefinden ganz nebenbei auch noch stärken“, sagt Regina Gebert, die sich im Jahr 2010 als EM-Beraterin zertifizieren ließ und nicht nur im heimischen Garten, sondern auch auf ihren Feldern am Reustener Ortsrand auf die Mikroorganismen setzt. Das „Landwirtschafts-Gen“ hingegen, wie sie es selbst bezeichnet, trägt Regina Gebert schon immer in sich. Als Kind verbrachte sie viel Zeit auf dem Schwarzwaldhof ihrer Oma.

Ihr Mann Dirk Wenning ist in seiner Heimat Westfalen mit „ein paar Schweinen, Ziegen und Hühnern ums Haus he-
rum“ großgeworden und auch Markus Layer ist „erblich vorbelastet“. Während seine Großeltern die Landwirtschaft in Reusten noch im Vollerwerb umtrieben, führte sie sein Vater im Nebenerwerb weiter – Dirk Wenning und Markus Layer eint zudem das Interesse an Maschinen und technischen Geräten und die Gabe, selbige kreativ umbauen und umfunktionieren zu können. So wurde beispielsweise die vorhandene Kartoffel-Steckmaschine so verändert, dass sie zum Krautsetzlingsetzen verwendet werden kann. Statt der zeitintensiven und, für den Rücken sehr belastenden Handarbeit der ersten Jahre, kann das Kraut nun „maschinell“ in den Boden gebracht werden. „1 500 Setzlinge in vier Stunden“, nennen Markus Layer und Dirk Wenning nicht ohne Stolz ihre diesjährige Schlagzahl. Vor vier Jahren drückten sie zum ersten Mal Krautsetzlinge in den Reustener Ackerboden. Dem Feldversuch, was durchaus wörtlich zu verstehen ist, folgten zwei sehr erfolgreiche und ertragreiche Jahre. In diesem Herbst hingegen machte sich bei der Krauternte ein wenig Frust breit. Der extrem trockene Sommer hat dem Reustener Kraut einiges abverlangt, der Wassermangel machte sich in der Kopfgröße mehr als bemerkbar. „Den Umfang, den in diesem Jahr unsere größten Köpfe haben, hatten in den letzten beiden Jahren unsere kleinsten“, zieht Dirk Wenning einen ernüchternden Vergleich.

Beim ersten Rundgang über den Acker bleiben am Ernte-Samstag zahlreiche Pflanzen erst einmal stehen. Sie halten dem prüfenden Blick von Dirk Wenning nicht Stand, aus gutem Grund: Die Hobelmaschine verlangt nach Köpfen, die mehr als ein Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen. Bei den Leichtgewichten ist der Strunk nicht groß genug, die Maschine kann den Kohlkopf dadurch nicht aufspießen. Auf dem Feld bleiben die kleineren Exemplare dennoch nicht stehen. In einem zweiten und dritten Rundgang wird das Trio Gebert-Wenning-Layer die Köpfe allesamt noch ernten – und als Ganzes verkaufen.

Priorität haben aber zunächst die großen Köpfe. Von Dirk Wenning geerntet, werden sie von Markus Layer und Regina Gebert ganz genau in Augenschein genommen. Keine Schadstelle darf übersehen werden – sie würden das Fermentieren und somit die ganze Sauerkraut-Produktion gefährden. Großzügig werden deshalb die äußeren Blätter-schichten entfernt, bevor die Kohlköpfe in die großen Boxen im Kühlanhänger des Reustener Metzgers wandern. Für die kommenden Wochen haben die Krautbauern ihn ausgeliehen, die Dorfgemeinschaft kommt wieder einmal zum Tragen.

Für die zwei Tage bis zum fest vereinbarten Termin mit dem Krauthobler ihres Vertrauens müssen die Kohlköpfe kühl gelagert werden. Darüber hinaus verlangt das eingeschnittene Kraut gut temperierte zwölf bis 15 Grad. Nur so kann die Fermentierung gelingen, kann sich der pH-Wert auf das richtige Maß einpendeln. Den „richtigen“ Wert will Markus Layer nicht nennen, zahllose Anrufe und einiges an Überredungskunst hat es ihn gekostet, diesen bei alteingesessenen Krautanbauern zu erfragen. Nur so viel verrät Markus Layer: „Der Gärprozess dauert zwischen 14 und 20 Tagen.“ Ein prall gefüllter Wassersack verhindert, dass in dieser Zeit Luft an das Kraut gelangt, durch den Prozess verliert es einiges an Gewicht. „Knapp ein Drittel“, so der Erfahrungswert des Trios aus Reusten.

Das widmet sich nicht nur dem Krautanbau. Auch Dinkel, Linsen, Blumenkohl und Kartoffeln werden auf den insgesamt knapp 0,8 Hektar Ackerland gepflanzt und geerntet. Zum Eigenverbrauch für die siebenköpfige Familie Gebert-Wenning, aber auch für die Selbstvermarktung. In diesem Jahr wurden erstmals Kichererbsen angebaut, ein Versuch der glückte. Denn im Gegensatz zum Spitzkraut kamen die Hülsenfrüchte ganz prima mit den heißen Temperaturen und dem ausbleibenden Regen zurecht. „Wir haben einfach Spaß da-
ran, Neues auszuprobieren“, nennen die drei Reustener ihre Motivation für den Kichererbsen-Versuch.

Gleiches gilt für den Krautanbau. Markus Layer, der beruflich viel auf den Fildern unterwegs war, ließ sich darüber hinaus von den Bauern dort inspirieren – und hat sich einen Großteil seines Wissens von ihnen erfragt. Die Resonanz auf das Sauerkraut war von Anfang an positiv. „Die Leute sagen, es schmeckt wie früher, als noch jeder einen Krautstand im Keller hatte“, so die Erfahrung von Regina Gebert – und im Wissen darum wird sie ihr „Ammertäler Filderkraut“ wie in jedem Jahr wieder auf dem Entringer Weihnachtsmarkt und ab der kommenden Woche in der Reustener Metzgerei Egeler, im örtlichen Hofladen von Familie Gauss und, außerhalb des eigenen Fleckens, in der Poltringer Mühle und der Metzgerei Steck in Unterjesingen zum Kauf anbieten.

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Erstellt:
7. November 2018

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