Fix und fertig auf dem Rasen liegend…

Fußball: Wie ein Schmuckbild aus der „Gäu-Liga“ mit einem völlig ausgepumpten Patrick Herrmannauf dem Cover eines Sportbuches über verhinderte Profi-Karrieren im bezahlten Fußball landete.

Von Andreas Gauss

Lesedauer: ca. 4min 00sec
Ausgepumpt und völlig erschöpft: Öschelbronns Kapitän Patrick Herrmann in einer für ihn typischen Pose – wohlgemerkt nach Spielschluss. GB-Foto (Archiv): Schmidt

Ausgepumpt und völlig erschöpft: Öschelbronns Kapitän Patrick Herrmann in einer für ihn typischen Pose – wohlgemerkt nach Spielschluss. GB-Foto (Archiv): Schmidt

Der Ball ist weit weg. Der Fotograf Wolfgang Schmidt, schon seit fast vier Jahrzehnten für den „Gäubote“ unterwegs, hat sich seinen eigenen Blick auf den Fußball bewahrt. Er sucht die Gefühle, die das Bild weckt, und versucht mit seiner eigenen Bildersprache Geschichten zu erzählen.

Rückblende: Samstag, 30. Mai 2015, circa 17.45 Uhr auf dem Sportplatz des TSV Öschelbronn. Der letzte Spieltag der Kreisliga B 4 ist soeben abgepfiffen worden. Der Türk. SV Herrenberg hat in Öschelbronn hoch mit 5:1 gewonnen, den ersten Tabellenplatz gesichert und den Aufstieg in die Kreisliga A2 geschafft. Während die Herrenberger Kicker in die eigens hergestellten Meister-T-Shirts schlüpfen, lässt Wolfgang Schmidt den Blick schweifen.

Der Ball ist weit weg. Das Spiel ist aus. Da fällt ihm – rund 20, 30 Meter von seinem Standort – ein Öschelbronner Spieler auf. Er liegt auf dem Rasen, völlig ausgepumpt, die Beine angewinkelt. Die Arme – fast wie in Christus-Pose – zur Seite ausgestreckt. Zwei-, drei Mal drückt Schmidt ab, dann wendet er sich wieder der Jubeltraube des Türk. SV zu, die an diesem Nachmittag natürlich die Hauptdarsteller sind. Nur ihr Mannschaftsbild mit Anhängern und Fahnen, auf dem der türkische Halbmond abgebildet ist, schafft es in die Montagausgabe des „Gäubote“. Der erschöpfte Kicker aus Öschelbronn landet im Archiv.

Und wird sieben Jahre später wieder hervorgekramt. Denn der Freie Sportjournalist Olaf Jansen („11 Freunde“, „Taz“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Süddeutsche Zeitung“ und „sportschau.de“) hatte ein Buch über Fußball-Karrieren fertiggestellt, 13 Porträts über mehr oder weniger gescheiterte Talente. „Alles gegeben und doch nicht geschafft“, war einer der Arbeitstitel. Jansen, der Schmidt von gemeinsamen Besuchen des Afrika-Cups kannte, bat ihn um eine Auswahl von Bildern für das Cover, das eben symbolisch die Enttäuschung, das Nicht-Erreichte, und, und, und darstellen sollte. Die Wahl fiel schließlich auf den Öschelbronner B-Liga-Fußballer, sogar der spätere Buchtitel „Woran hat’s gelegen?“ korreliert mit dem Motiv.

Wer war aber nun der „Cover-Boy“? Kein Problem, der Mann trug die Kapitänsbinde – und das war an diesem 30. Mai 2015 Patrick Herrmann. Der 34-Jährige zählt zu den Urgesteinen im Öschelbronner Fußball und ist neben Torhüter Steffen Kreis und Thomas Geke, der mittlerweile Abteilungsleiter ist, einer der Dienstältesten im gelb-blauen Trikot. Die Geste, mit der er damals auf den grünen Rasen sank, kommt ihm bekannt vor: „Das ist eigentlich typisch für mich.“ Der Außenverteidiger verausgabt sich während eines Spiels völlig – und lümmelt dann gerne nach dem Abpfiff in der Erschöpfungspose herum. Damals, 2015, war Öschelbronn gerade erst aus der A-Liga abgestiegen und landete nur auf Platz 14 in der Sicherheitsliga. Grund genug fix und fertig zu sein …

Doch Herrmann hat sich damals wie heute immer reingehängt. So war es auch im Jahr 2005, als er als A-Jugendlicher gleich in die erste Mannschaft kam, damals noch in der Bezirksliga. Seine Laufstärke war gefragt – und seine Zuverlässigkeit. Mittlerweile hat er es auf über 450 Partien gebracht. Größere Verletzungen haben den feinen Techniker nie zurückgeworfen, dafür hat es aber in all den Jahren immer wieder mal gezwickt – im Knie, in der Leiste, Rücken oder sogar mal ein Bandscheibenvorfall. Doch er hat sich immer wieder zurückgekämpft. Wechsel zu einem höherklassigen Club in der Nachbarschaft? Freilich, Anfragen gab’s. Damals, als 20-Jähriger, ist er vom Landesligist TSV Hildrizhausen angesprochen worden. Doch Herrmann winkt ab: „Das war gar nichts, ich bin damals nicht mal zum Probetraining gegangen.“ In Öschelbronn, hebt er bestimmend den Finger, sei es immer „richtig cool“ gewesen. Zwei Mal abgestiegen, aber dann auch wieder aufgestiegen. Immer spannend, oftmals ging es in die Relegation nach oben – oder nach unten. Mittlerweile kickt Öschelbronn freilich schon seit 2018/19 in der B-Liga – aber Herrmann zählt jetzt zum Inventar. Und ist längst in die Innenverteidigung gerückt, er lächelt: „Da muss ich dann auch weniger laufen.“ Weiterer Vorteil: Wenn ein Spiel mal schon zur Halbzeit gelaufen ist, so wie letzten Sonntag beim 6:0 gegen den TSV Dagersheim III (da stand es schon 4:0), dann macht Herrmann auch schon mal für einen Jüngeren Platz.

Und auch im nächsten Spieljahr, im November wird er 35, wird Patrick Herrmann noch nicht zum alten Eisen zählen. Er findet das jüngst ausgerufene Projekt der SG Gäufelden, einer Spielgemeinschaft mit dem TSV Tailfingen, „echt spannend. Ich freu mich drauf“. Die Chemie im neu zusammengestellten Team wird stimmen, mit den jetzt in Tailfingen kickenden Ex-Öschelbronnern Patrick Ahsbäck, Philip Weimer und Tobias Blahak hat er ja schon lange zusammengekickt. Tailfingens Abteilungsleiter David Peters kennt er aus gemeinsamen Jugendzeiten. Hermann: „Und dann haben wir auch ein bisschen Konkurrenzkampf, wenn mal mehr Leute im Training sind.“ Am Sonntag steht das Auswärtsspiel beim TV Gültstein (15 Uhr) an. Ein wichtiges Spiel für die Öschelbronner, findet Patrick Herrmann. Denn nach einem völlig verkorksten Saisonstart will sich der TSV jetzt noch im Mittelfeld etablieren: „Wir wollen schon noch ein paar Plätze gutmachen.“ Und dann natürlich im nächsten Jahr als SG Gäufelden in der „Gäu-Liga“, der B4, durchstarten.

Seine Freundin Natascha habe übrigens geschmunzelt, als sie den Buchtitel sah: „Was hast Du denn mit gescheiterten Fußballkarrieren zu tun?“ Im Buch kommen zum Beispiel Lucas Scholl, Sohnemann von Mehmet Scholl, vor oder Manuel Fischer, der nach vielen Enttäuschungen, unter anderem beim VfB Stuttgart, nun als Futsal-Spieler in Stuttgart in der ersten Liga spielt. Ja, was hat Patrick Herrmann eigentlich mit dem „verpassten Traum vom Fußballprofi“ zu tun? Nun, keiner liegt so schön fix und fertig nach dem Abpfiff auf dem Sportplatz herum. Das Spiel ist aus.

Die weiteren Paarungen in der Kreisliga B4 gibt es in den Sportterminen am Wochenende auf der Seite 24.

Patrick Herrmann kann sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: Und das wird mal ein Buchtitel … GB-Foto: Schmidt

Patrick Herrmann kann sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen: Und das wird mal ein Buchtitel … GB-Foto: Schmidt

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Erstellt:
11. März 2022

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