Franziska Brauße trainiert intensiv auf der Straße

Das baden-württembergische Kultusministerium hat angekündigt, die Trainingsstätten für „Profi- und Spitzensportler“ wieder zu öffnen. Im Laufe dieser Woche solle eine entsprechende Regelung in Kraft treten. Der „Gäubote“ hat sich mit einigen Topathleten unterhalten über die Möglichkeit, womöglich alsbald wieder geregelt trainieren zu können.

Von Thomas Oberdorfer

Lesedauer: ca. 3min 15sec
Bahnrad-Spezialistin Franziska Brauße macht derzeit Straßen- und Hanteltraining GB-Foto (Archiv): Mill

Bahnrad-Spezialistin Franziska Brauße macht derzeit Straßen- und Hanteltraining GB-Foto (Archiv): Mill

Carolina Krafzik gehört zu den Athleten des VfL Sindelfingen, die sich Hoffnung auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio machen dürfen. Die 400-Meter-Hürdenläuferin rechnet damit, dass sie „bald wieder ins Stadion kann“. Sie habe aus den Informationen des Kultusministeriums abgeleitet, dass sie auch zu den Profisportlern zähle, die wieder Sportstätten benutzen dürfen. „Ich gehöre dem Bundeskader an“, sagt die 25-Jährige. Das sollte als Kriterium allemal genügen, steht doch auf der Internetseite des Kultusministeriums unter anderem, dass „der Trainingsbetrieb von Profi- und Spitzensportlern auch in Baden-Württemberg unter Beachtung strengster Abstands- und Hygiene-Auflagen und in Kleingruppen im Laufe der kommenden Woche wieder ermöglicht werden soll“. Zu diesen Spitzensportlern gehört Krafzik allemal. Derzeit trainiert sie viel im Wald, führt Dauerläufe durch, Tempoläufe über 200 Meter oder 300 Meter, ihr Coach hat die Distanz abgemessen. Übungen an der Hürde, Übungen zur Beweglichkeit führt sie in der heimischen Garage durch. Ihr Waldprogramm will sie in dieser Woche noch absolvieren, danach rechnet sie damit, „wieder ins Stadion und die Bahn zu können. Ich freue mich darauf, wieder auf einem richtigen Boden zu trainieren.“ Das Ziel von Krafzik ist, in diesem Jahr die Olympianorm zu laufen. Sie liegt bei 55,40 Sekunden, die Bestzeit der Hürdensprinterin im Freien liegt bei 55,64 Sekunden.

Den Keller zum
Trainingsraum umfunktioniert

Niko Kappel hält sich etwas bedeckt. Der Weltklasse-Kugelstoßer des VfL Sindelfingen ist ein sicherer Teilnehmer an den Paralympischen Spielen. Er ist Profisportler, von seinem Arbeitgeber ließ er sich freistellen. „Mir ist noch nicht so ganz klar, was bei der Entscheidung des Kultusministeriums herauskommt. Dass ich als Profi zähle, würde ich generell schon behaupten. Ich bin selbstständig, ich lebe von den Einnahmen als Profi“, sagt der 25-Jährige. Er hoffe, bald wieder im Stadion oder am Olympiastützpunkt in Stuttgart trainieren zu können. Derzeit ist er in seinem Keller aktiv, den er zu einem Trainingsraum umgestaltet hat. „Ich habe das mit meinen beiden linken Händen selber gemacht, darauf bin ich mächtig stolz und auch entsprechend motiviert“, sagt Kappel, „den Umständen entsprechend klappt das Training ganz gut.“

Franziska Brauße ist von den noch herrschenden Schließungen der Wettkampfstätten kaum betroffen. „Wenn die Olympischen Spiele stattgefunden hätten, würde ich jetzt viel auf der Bahn trainieren“, sagt die 21-Jährige, die Sportsoldatin lebt derzeit im elterlichen Haus in Eningen/Achalm. Aufgrund der Verlegung von Olympia in Tokio auf 2021, steht bei der Bahnradfahrerin vom RSV Öschelbronn aktuell intensives Training auf der Straße auf dem Programm sowie Krafttraining in den eigenen vier Wänden. „Vom Olympiastützpunkt Stuttgart habe ich eine Langhantel und Gewichte bekommen“, erklärt Franziska Brauße, etwa 20 Stunden trainiere sie derzeit wöchentlich. „Für Sportler wie die Leichtathleten oder die Schwimmer ist es schwieriger als für mich. Für die wäre es toll, wenn sie wieder die Sportstätten nutzen können“, so Brauße.

„Ich sehe mich ganz klar als Profisportler“, sagt Maurice Schmidt, Rollstuhlfechter der SV Böblingen. Er hat sich für die Paralympics in Tokio qualifiziert, die auf das Jahr 2021 verschoben wurden. „Vom Verband habe ich noch nicht offiziell gehört, ob ich wieder in der Halle trainieren kann“, sagt der 20-Jährige, der für sein Fechttraining im Rollstuhl ein Gestell benötigt. Die Sporthalle, in der Böblingens Fechter ihr Domizil haben, gehört zum kaufmännischen Schulzentrum der Stadt. Schmidt hofft, dass er möglichst schnell wieder die Halle nutzen kann.

„Momentan weiß ich nicht, wie es aussieht und ob ich auch von der Möglichkeit betroffen bin, wieder im Stadion trainieren zu können“, sagt Tobias Dahm, Kugelstoßer des VfL Sindelfingen. Dahm: „Es sollen ja nicht nur die Profis wie die Fußballer dazu zählen, sondern alle Leistungssportler und auch Individualsportler.“ Zu diesen gehört Dahm, der ein Kandidat für Olympia in Tokio ist. Der 32-Jährige trainiert sechsmal pro Woche, derzeit muss er etwas improvisieren. Krafttraining führt er zu Hause an einigen Geräten durch, „damit der Körper bekommt, was er benötigt“. Koordinative Übungen trainiert er im Wald. Die Übungseinheiten mit der Kugel gestaltet sich indes als etwas komplizierter, so dient eine Bordsteinkante als Abstoßbalken. Den widrigen Umständen zum Trotz sei er sehr motiviert, der Verlegung der Olympischen Spiele kann Tobias Dahm sogar etwas Gutes abgewinnen: „Dieses eine Jahr schadet mir nicht, es kann sich positiv auf meine Leistung auswirken.“

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Erstellt:
7. April 2020

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