Gestrandet auf der „Insel der Ahnungslosen“

Hannelore Garbers und Richard Barnett flüchten seit Jahren in der kalten Jahreszeit in den sonnigen Süden. In Isla Plana in der spanischen Region Murcia genießen sie die Wärme. Doch dieses Jahr war alles anders. Corona. Wie die beiden Oberjesinger diese Zeit erlebt haben, schildern sie in einem eindrücklichen Bericht.

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Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

Wir verbringen seit einigen Jahren, aus gesundheitlichen Gründen, die Winterzeit in Spanien. Eine hübsche, gemütliche Wohnung mit Meerblick, großem Balkon und kleinem Garten, ist unser Eigentum. Meistens fliegen wir im Winter für zwei Wochen zurück nach Deutschland. Dieses Jahr vom 18. Februar bis 3. März. Eine Freundin, die im November plötzlich ihren Mann verlor, begleitete uns auf unserem Rückflug nach Spanien. Sie wollte zwei Wochen bei uns sein (bis zum 17. März), um Abstand zu finden. Das Wetter war gut und sonst alles okay. Wir erzählten uns viel und machten zusammen Ausflüge. Nachrichten und Fernsehen waren Nebensache.

Gespenstische Fahrt
durch den Wohnort

Für Freitag, 13. März, war ein Ausflug und Einkehr geplant. Bei der Fahrt durch unseren Wohnort war es gespenstisch, alle Läden, Restaurants und Cafés waren geschlossen. Am Parkplatz ist ein Restaurant, da las ich, dass seit heute wegen Corona alles geschlossen ist, also kein Essen. Für uns eine Überraschung.

Am Abend waren wir noch einkaufen, auch das war Überraschung. Die Kunden hatten volle Einkaufswagen, sonst wurde immer nur für den täglichen Bedarf eingekauft. Bekannte, die wir im Markt trafen, klärten uns auf, dass vielleicht alles geschlossen würde. Wir drei waren ahnungslos und kauften fürs Wochenende ein.

In der wöchentlichen deutschen Zeitung lasen wir, wie alles weitergehen soll. Es trat das Problem auf, ob unsere Freundin am Dienstag noch nach Deutschland kommt. Pepelino, Helfer in allen Notlagen, beruhigte uns. Wenn sie ein Flugticket habe, dürften wir sie zum Flughafen nach Alicante bringen, Abflug am 17. März gegen 14 Uhr. Im Flughafengebäude Chaos, eine unbeschreiblich große Menschenmenge, Polizei, Ordner, keine Person für Auskünfte. Wir verließen das Terminal fluchtartig und ließen unsere Bekannte mit Krücken und Koffer an ihrem Schalter im Chaos zurück (bei ihr hat alles geklappt).

In den Nachrichten erfuhren wir über die Ausbreitung des Virus und auch, wie es in Spanien weitergehen soll. Keiner darf die Wohnung verlassen, das Einkaufen ist nur im nächstgelegenen Supermarkt erlaubt, aber nur eine Person mit Mundschutz und Handschuhen. An der Apotheke ein großes Plakat „Mundschutz und Handschuhe ausverkauft“. Not macht erfinderisch, ich schnitt Vorhänge ab und fertigte in mühevoller Handarbeit Mundschutz an. Im Auto durfte nur eine Person fahren, ein Schwerbeschädigter hinten versetzt! An den Ladeneingängen war überall Desinfektionsmittel und Handschuhe vorhanden. Täglich flog der Hubschrauber über den Strand und unsere Anlage. Leider haben wir keinen Hund, denn mit dem hätte einer von uns täglich zwischen 12 und 17 Uhr bis zu 100 Meter Entfernung von der Wohnung, Gassi gehen dürfen.

Nur die Vögel zwitscherten
in den Palmen

In der Nacht vom 20. zum 21. März war ein starkes Gewitter mit viel Regen. Am 21. März abends merkten wir, dass wir
ohne Fernseher, ohne Radio und ohne WLAN sind. Dann muss es auch mal zwei Tage ohne gehen. Am Montag konnte der WLAN-Anbieter uns wieder online schalten, aber ein Fernsehtechniker war keiner zu bekommen. Strengste Auflage: Arbeitsverbot. Pepelino hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, es war nicht möglich, einen Techniker zu bekommen. Wir waren auf der Insel der Ahnungslosen gestrandet. Ein befreundeter deutsch-spanischer Handwerker hat dann seine Beziehungen eingesetzt und nach fast vier Wochen konnten wir wieder erfahren, was in der Welt passiert. Uns war klar, dass der Fernsehtechniker sich strafbar gemacht hat, denn Bauarbeiter durften jetzt wieder arbeiten, aber niemand durfte in einem bewohnten Haus Arbeiten ausführen.

Von unserem Balkon gibt es einen schönen Blick zum Strand. Es war unheimlich, niemanden zu sehen oder zu hören, keine Autogeräusche oder sonstigen Lärm, nur die Vögel in den Palmen zwitscherten und Möwen kreischten. Die Kinder waren für sechs Wochen eingesperrt und durften ab dem 26. April mit einem Elternteil und natürlich Mundschutz zwischen 12 und 17 Uhr für eine Stunde im Umkreis von einem Kilometer von der Wohnung raus. Die Strafen bei Vergehen gegen alle Verordnungen sind sehr hoch. Alles wird von Drohnen, Helikoptern, Polizei in Autos und zu Pferd strengstens kontrolliert. Strandzugänge wurden mit rot-weißem Band abgesperrt, ebenso Spielplätze und auch die beiden Pools. Innerhalb unserer Anlage konnten wir etwa 30 Minuten gehen, ohne Wege doppelt zu laufen. Ansonsten einmal in der Woche zum Obst- und Gemüsehändler, zur Bodega und zum Supermarkt.

Wir entschlossen uns, nach Hause zu fahren, aber die Hotels an unserer Strecke waren größtenteils geschlossen. Zuerst brauchten wir ein Dokument von der deutschen Botschaft in Madrid, dass wir durch Spanien fahren dürfen und ein weiteres von der französischen Botschaft für die Durchfahrt durch Frankreich. Aber es ist wie immer: die Druckerpatrone ist alle. Anfrage bei Pepelino, ob es möglich ist bei ihm zu drucken. Pepelino hat die Formulare vorrätig.

Die Abreise war von offenen Übernachtungsmöglichkeiten abhängig. Also ging die Suche los. Abfahrt am 9. Mai bis Girona (780 Kilometer), am 10. Mai bis Lyon und am 11. Mai endlich nach Hause. Es war komisch, in Hotels zu kommen ohne Personal, nur über Geräte und natürlich nirgendwo etwas zum Essen oder Trinken. Wir hatten uns eingedeckt, Kühlbox macht’s möglich. Die Dokumente wollte niemand sehen.

In Deutschland überrascht
über die Demonstrationen

Hier bin ich überrascht über die Demonstrationen gegen die Einschränkungen in Deutschland. So locker, wie es in Deutschland zugeht, hätte ich es mir zwei Monate in Spanien gewünscht. Nur ein Beispiel: Eine ältere Dame ist müde vom Schlangestehen im Supermarkt. Nach dem Einkaufen setzt sie sich auf eine Treppe, nimmt den Rucksack ab und zündet eine Zigarette an. Einen Augenblick später surrt ein eigenartiges Ding über ihr und sie denkt „da spielen Kinder auf dem Balkon“. Sie nimmt den Rucksack, Zigarette ist alle und will weitergehen, da fährt „Polizia Lokale“ vor und fragt nach, was sie hier tut. Sie weist sich aus und darf weitergehen. Ihr wurde gesagt, dass eine Drohne sie aufgespürt habe.

Hier spricht man von Einschränkung der persönlichen Freiheit, was sollen denn die Spanier sagen, denn erst seit dem 2. Mai darf man wieder zu zweit draußen sein. Alles verläuft friedlich und ohne Protest in ländlichen Gegenden.

Richard hat während dieser Zeit entdeckt, dass ihm Kuchen backen und natürlich auch das Essen Spaß macht (merkt er am Hosengürtel). Ich strickte 18 Paar Socken. Glücklicherweise gibt es E-Bücher, die uns über diese lange Ausgangssperre hinweghalfen. -gb-

Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

Eine trügerische Idylle am Strand im Süden Spaniens: Hannelore Garbers und Richard Barnett waren wie von der Welt abgeschnitten GB-Fotos: gb

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Erstellt:
15. Juni 2020

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