Gesunde wilde Früchtchen

Wildobst liegt im Trend, erobert wieder Gärten und Küchen. Doch auf was kommt es an und wie kann man es verwerten? Gudrun Vohl-Grözinger, Betreiberin des Bärenhofs in Stetten, bringt mit einem Fachvortrag samt Verkostung im Herrenberger Restaurant Gäu-Terrassen Licht ins Dunkel.

Von Rüdiger Schwarz

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Gudrun Vohl-Grözinger istBetreiberin des Bärenhofs bei Leinfelden-EchterdingenGB-Foto: gb

Gudrun Vohl- Grözinger ist Betreiberin des Bärenhofs bei Leinfelden- Echterdingen GB-Foto: gb

Wenige Tage nach dem Erntefest dreht sich beim Vereinsabend des Herrenberger Obst- und Gartenbauvereins alles um Wildobstarten. Arten, die vom Menschen kaum züchterisch bearbeitet worden sind und von denen es keine unzähligen Sorten gibt. Wobei der Übergang zur Kulturpflanze fließend ist. Wildobstarten kann man längst gezielt pflanzen. Gudrun Vohl-Grözinger hat vor gut 20 Jahren eine Wildobsthecke auf ihrem landwirtschaftlichen Betrieb in Leinfelden-Echterdingen gepflanzt. Über die Jahre hat sie die Hecke ergänzt.

Die Früchte erntet und verwertet sie bis heute, bereitet aus ihnen allerlei Leckereien, vom Sirup und Likör bis zum Gelee und Kompott zu. „Wir machen keinen Pflanzenschutz, aber eine gewisse Pflege braucht es“, sagt die Diplom-Agraringenieurin. Im Gegensatz zu hochgezüchteten Tafelobstbäumen hält sich der Aufwand bei den recht pflegeleichten Wildobstpflanzen stark in Grenzen. Was die wilden Früchte vor Frost und Fraß schützt, kommt auch dem Menschen zugute.

Wildobst ist reich an Vitaminen, Farb- und Mineralstoffen, kann Bitter- und Gerbstoffe, sogar ätherische Öle enthalten. Hagebutte und Sanddorn erweisen sich als wahre Vitamin-C-Bomben. Dagegen sehen selbst Zitrusfrüchte recht alt aus. Bereits fünf Gramm der kleinen Früchte des Sanddorns decken den täglichen Bedarf eines Menschen an Vitamin C. „Das ist immens und man sieht, wie konzentriert die sekundären Pflanzenstoffe im Wildobst sind“, betont die Referentin. Der Sanddorn hat sich als kleine Zitrone von der Ostsee einen Namen gemacht, auf den sandigen Böden von Mecklenburg-Vorpommern kultiviert man die Sträucher auch als Schutz gegen die Erosion gerne.

Die Knospen des Sanddorns besitzen Öldrüsen, selbst auf den unscheinbaren orangefarbenen Früchten kann man die kleinen Drüsen noch sehen. „Da ist ein kleiner Ölanteil drin. Im Wildobst habe ich auch Vitamin E, das ist nicht oft in Pflanzen drin“, lässt die Expertin wissen. Allerdings ist die Ernte der reifen Früchtchen des Sanddorns eine sehr mühsame Angelegenheit. Da nur die weiblichen Pflanzen Früchte bilden, braucht es immer auch einen männlichen Bestäuber. Aus dem relativ saftigen Fruchtfleisch kann man vortrefflich Saft pressen. Sanddorn stärkt die Abwehrkräfte, hilft bei Erkältungen, ist gut bei Bluthochdruck.

Die Aronia gilt
als Superfood

Immer beliebter wird die unter dem Namen Aronia bekanntgewordene Schwarze Apfelbeere. Sie ist voll mit dunklen Farbstoffen – sogenannten Anthocyanen, denen eine positive Wirkung auf den menschlichen Körper nachgesagt wird. Obwohl die Aronia sehr viele Gerbstoffe enthält und ihr Aroma laut Gudrun Vohl-Grözinger nicht gerade der Hit ist, gilt die Frucht als „Superfood“. Für ihre Marmeladen mischt die Betreiberin des Bärenhofs die herb schmeckenden Früchte, die einen hohen Pektingehalt haben, mit dem süßen Geschmack von Erdbeeren oder Himbeeren. Im ehemaligen Ostblock wurde der intensive Pflanzenfarbstoff der Aronia zur Färbung von Lebensmitteln genutzt.

Über 160 Wildrosenarten gibt es, doch nicht jede ihrer Früchte ist für die Verwertung interessant. Hagebutten sind die Königinnen unter den Vitamin-C-haltigen Früchten und schmecken in voller Reife zuckersüß. „Das ist wie ein Bonbonle am Wegesrand“, weiß die Fachfrau. Zwar sind die Früchte der Felsenbirne äußerst schmackhaft, doch weil sie ungleich reifen, muss man mehrmals ausrücken, um sie zu ernten. Da dieses Rosengewächs weder Dornen, noch die Frucht einen Stein hat, kann man die Früchte einfach vom Strauch wegessen. „Die Felsenbirne ist perfekt für Familien mit Kindern, die einen kleinen Garten haben“, findet Vohl-Grözinger.

Die Edel-Eberesche ist dagegen eine Mutation der gemeinen Vogelbeere. Vor 200 Jahren wurde diese neue Art, deren Vitamin-C-reichen Früchte nicht bitter schmecken, von einem Hirtenjungen entdeckt. Dem fiel auf, dass Vögel diese Sträucher mieden. „Seefahrer haben früher Vogelbeeren auf ihren Schiffen gegen den Skorbut mitgenommen“, erzählt die Referentin. Beim Schwarzen Holunder kann der Schuss im wahrsten Sinne auch nach hinten losgehen, wirkt er doch abführend und harntreibend. Die Kornelkirsche hingegen sollte man nicht pflücken, sondern aufsammeln. „Wenn die Früchte herabfallen, sind sie am besten“, weiß die Kräuterpädagogin.

Dagegen enthält das Obst der heute selten gewordenen Mispel dermaßen viel Pektin, dass so ein Kompott oder Gelee eine recht zähe Konsistenz aufweist. Mus ist auch das Beste, was man aus der nordischen Zitrone, sprich der Japanischen Scheinquitte, herstellen kann. Das Tohuwabohu ihres „rebellischen“ Wuchses kriegt man jedoch nicht in den Griff. „Die Früchte kann man wie Quitten verarbeiten, sie schmecken jedoch komplett anders, zitrusartig“, so Gudrun Vohl-Grözinger.

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Erstellt:
13. September 2019

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