Hilfe kommt aus der Luft

Vier Beine, acht Flügelarme, ein Körper in Knallgrün: fast spinnenartig ist die Flugdrohne aus Metall und Kunststoff, die Markus Wünsch aus dem Laderaum seines Autos hievt. Das teure High-Tech-Gerät dient quasi als Lasttier, denn mit seiner Hilfe bringt Wünsch in Maisfeldern Schlupfwespen aus – die winzigen Insekten sollen dem Maiszünsler den Garaus machen.

Von Marline Fetzer-Hauser

Lesedauer: ca. 4min 45sec
Markus Wünsch bringt mit seiner Flugdrohne Nützlinge auf Feldern ausGB-Foto: Bäuerle

Markus Wünsch bringt mit seiner Flugdrohne Nützlinge auf Feldern ausGB-Foto: Bäuerle

Da ärgert sich jeder Landwirt: Wenn der Maiszünsler am Werk war, sind die Maispflanzen abgeknickt, manche Maiskolben zerfressen oder mickrig, Ertrags- und Qualitätsverluste folgen. Mit dem verstärkten Maisanbau seit Ende der 1970er Jahre und seinem Boom nach der Jahrtausendwende vermehrte sich auch der Maiszünsler in Baden-Württemberg und entwickelte sich zum Schädling: Ein unscheinbarer, grau-brauner Falter, dessen Larven große Fressschäden anrichten.

„Es gibt gegen den Maiszünsler die Möglichkeit, Insektizide zu sprühen“, erklärt Karsten Schühle, Geschäftsführer des Maschinenrings Böblingen-Calw mit Sitz in Herrenberg. Das sei aber schwierig und braucht Spezialfahrzeuge, um durch die hochstehenden Maispflanzenreihen zu fahren. Und es gelte generell: „Man versucht, Insektizide auf das Nötigste zu begrenzen“. Die Idee der biologischen Bekämpfung kam da vor ein paar Jahren gerade recht, zumal die Erfolgsquote deutlich höher als beim Einsatz von Chemie liegt: „Der Maschinenring in Konstanz hat das angeleiert, da sind wir aufgesprungen“, so Schühle. Seit 2011 können so auch die Landwirte im örtlich ansässigen Maschinenring die Eier der Schlupfwespe bestellen, die sie anfangs von Hand zwischen die Reihen der Maispflanzen warfen.

Seit wenigen Jahren ist eine elegantere und dabei effizientere Methode aufgekommen: der Einsatz von Multikoptern, die GPS-gesteuert über die Felder fliegen und dabei Kugelkapseln aus Zellulose oder Maisstärke mit Eiern der Schlupfwespe abwerfen. Die Methode wird von Karsten Schühle wie auch in den Landwirtschaftsämtern Calw und Böblingen begrüßt.

Markus Wünsch, hauptberuflich in der Logistik tätig, aber mit Leidenschaft für Landwirtschaft, Technik und Drohnen, ist für den Maschinenring der richtige Mann für die Bekämpfung des Maiszünslers: „Wichtig war uns auch, dass wir einen verlässlichen Partner vor Ort haben“, so Schühle, ein Anbieter, der sich in der Region auskennt.

Markus Wünsch, aus Sulz am Eck, ist im Auftrag von Landwirten aus dem Maschinenring Ende Juni/Anfang Juli gegen den Mais-Schädling im Einsatz. Dann legt der Maiszünsler seine Eier auf der Unterseite der Maisblätter ab, die Larven fressen sich in den Maisstängeln bis in das Wurzelwerk. Die Folgen können neben abgeknickten Stängeln auch Pilze und Bakterien in den Fressgängen sein – schädlich für Tiere, wenn der Mais als Futtermais verwendet wird. „Der Kreislauf geht weiter“, so Wünsch, wenn die Larven in der Wurzel überwintern, im nächsten Jahr die Falter schlüpfen und wieder Eier legen.

„Natürliche Feinde sind die Trichogramma-Schlupfwespen“, erklärt Wünsch. Die Art Trichogramma brassicae ist ein sogenannter Eiparasitoid. Er legt sein Ei in ein Wirtsei – wie das des Maiszünslers – , dieses färbt sich in wenigen Tagen schwarz, es kann sich keine Maiszünsler-Larve entwickeln, dafür entwickelt sich die Larve der Schlupfwespe. Bei rechtzeitiger Ausbringung von Trichogramma – direkt nach der Eiablage des Maiszünslers, wird ein Großteil von seinen Eiern durch die nur einen halben Millimeter großen Weibchen der Schlupfwespe unschädlich gemacht.

„Ich bin froh, dass mal etwas Positives über die Kopter geschrieben wird“, meint der 36-jährige Wünsch – denn seiner Erfahrung nach haben die Drohnen, fachlich Kopter genannt, oft ein mieses Image als Störenfriede und Eindringlinge. Er werde manchmal auch bei seinen Einsätzen an den Maisfeldern kritisch angesprochen. Dabei seien die Fluggeräte vielfach nutzbare Helfer: bei der Feuerwehr für Wärmebildaufnahmen, bei der Polizei zum Fotografieren von Unfallorten und bei Vermessungen.

Markus Wünsch ist auf den Höhenhöfen bei Jettingen häufig zu Gast, er ist in der Nebenerwerbslandwirtschaft aufgewachsen. Viele Jahre hat er seinen Jahresurlaub auf den Höhenhöfen verbracht, so zum Arbeiten mit großen Schleppern. Die Möglichkeit der Drohnen, von hoch oben zu fotografieren hat ihn irgendwann fasziniert. „In der Fachpresse habe ich gesehen, dass noch mehr möglich ist.“ Auf die Anfrage des Maschinenrings hin, hat er sich eine Drohne für 12 000 Euro gekauft, ein echtes „High-Technik-Produkt“. Wünsch setzt es nun gewerblich ein, seit 2016 als Subunternehmer des Maschinenrings.

Wünsch öffnet den weißen Behälter unten am Kopter und zeigt rund 100 fingerdicke weiße Kugelkapseln. Er bricht eine auseinander: Über 1000 winzigste braune Eier sind darin. „Die Schlupfwesen werden extra gezüchtet“, der Maschinenring bestellt sie zeitnah zur Eiablage des Maiszünslers. Um den Zeitpunkt festzustellen, nutzt das Landwirtschaftsamt in Böblingen Pheromonfallen. „Je nach Witterung ist der Zeitpunkt, wann Maiszünsler fliegen, unterschiedlich“, erklärt Helmut Kayser vom Amt für Landwirtschaft und Naturschutz in Böblingen.

Für Markus Wünsch und seinen Multikopter steht nach 2016 und 2017 der dritte Einsatz über mehrere Tage direkt bevor. „Im ersten Jahr war die Nachfrage verhalten“, auf nur 27 Hektar brachte er die Schlupfwespen-Kugeln aus. 2017 waren es 102 Hektar und für diese Saison hat er bisher Aufträge auf 120 Hektar Fläche, bei Landwirten aus Haiterbach, Jettingen, Kuppingen und Maichingen. „Das kostet den Landwirt praktisch nichts“, merkt Wünsch an, denn es gibt eine Förderung aus dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) von 60 Euro pro Hektar.

Seine Arbeit beschreibt er so: „Ich ziehe mir vom Acker ein Bild aus Google maps herunter“, damit programmiert er ein Flugprogramm. Vor Ort spielt er das Programm per Laptop auf die Drohne auf, startet das Fluggerät „händisch“, und überwacht dessen Bewegungen. Der Kopter fliegt programmgesteuert und nach GPS-Daten in zehn Meter Höhe ein vorgegebenes Raster ab, lässt alle zehn Meter eine Kapsel mit Schlupfwespeneiern fallen. Für einen Hektar Mais braucht er nur einige Minuten, mit dem eingelegten Akku fliegt er rund 40 Minuten.

„Manchmal schlüpfen schon frühe Schlupfwespen im Auto“, lacht Markus Wünsch, sie krabbeln dann aus kleinen Löchern der Kapseln. Es sei eben nur ein schmales Zeitfenster zur Eiablage, – sowohl bei der Schlupfwespe als auch beim Maiszünsler. Er wird wohl fünf Tage lang 30 bis 40 Mal Standorte wechseln und das Fluggerät starten. „Um 5 Uhr lege ich los, das geht dann bis abends etwa 20 Uhr.“

Ob er den Kopter auch bei Schlechtwetter fliegen lässt? Im vergangen Jahr habe der Wind kurz vor einem Gewitter so aufgedreht, dass „es extrem war fürs Landen“. Es ging gut, aber er musste den Kopter 2017 einige Male stehen lassen, aus Sicherheitsgründen, und hat die Kugel-Kapseln dann von Hand ausgeworfen. Denn: „Die Eier müssen raus.“

Markus Wünsch ist einer der wenigen, die den Service mit den Schlupfwespen per Drohne anbieten. Aber die Methode verbreitet sich, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Helmut Kayser: „Es ist eine gute Maßnahme, rein biologisch und problemlos durchzuführen – und der Erfolg ist da.“ So heißt es auch auf der Internetseite des Landwirtschaftsministerium BW aktuell: „Trichogramma-Schlupfwespen sind bevorzugt einzusetzen!“

„Solange wir Silomais anbauen, spielt der Maiszünsler nicht die allergrößte Rolle“, so Kayser, denn die Pflanzen würden so zusammengehäckselt, dass außer Stoppeln auf dem Feld nichts übrig bleibt. Der Maiszünsler hat allerdings wenig natürliche Feinde und breitete sich im Zuge des Maisanbaus immer weiter aus. Seit 1960 haben sich die Anbauflächen in der Bundesrepublik Deutschland fast verfünfzigfacht. Allerdings könnte der Anbau von Silomais zurückgehen, denn die Biogasanlagen werden lange nicht mehr so mit Fördermitteln ausgestattet, wie es ab 2004 war. 2016 wurde im Kreis Böblingen auf 139 Hektar Fläche Körnermais angebaut, auf 1 243 Hektar Silomais. Im Kreis Calw waren es nur 14 Hektar mit Körnermais, und 1 040 Hektar für Silomais, für Körnermais und Futtermais bilde der Maiszünsler auf jeden Fall eine Gefahr.

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Markus Wünsch bringt mit seiner Flugdrohne Nützlinge auf Feldern ausGB-Foto: Bäuerle

Markus Wünsch bringt mit seiner Flugdrohne Nützlinge auf Feldern ausGB-Foto: Bäuerle

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Erstellt:
13. Juni 2018

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