Hummeln spielen bei Bestäubung wichtige Rolle

Hummeln sind nicht nur drollig anzusehen, sondern spielen auch bei der Blütenbestäubung eine bedeutende Rolle. Dies funktioniert sogar unter Glas, wie die Nützlingszüchter Sautter & Stepper wissen: Die Altinger Firma vertreibt die pelzigen Tiere auch für den Einsatz im Gewächshaus. In der Tennentaler Gärtnerei hat man mit den schwarz-gelben Bestäubern aus der Kiste bereits viele Jahre lang Erfahrungen gesammelt.

Von Nadine Dürr

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Patrick Schönborn (links) und Ulrich Büsing kontrollieren in einem Tennentaler Gewächshaus den Erdhummel-Bestand GB-Fotos: Bäuerle/gb

Patrick Schönborn (links) und Ulrich Büsing kontrollieren in einem Tennentaler Gewächshaus den Erdhummel-Bestand GB-Fotos: Bäuerle/gb

Schon auf einige Entfernung ist es zu hören, das Brummeln in der Kiste, die Ulrich Büsing ins Tennental mitgebracht hat. Eine Hummelkönigin und ein Staat von 60 bis 80 Arbeiterinnen wuseln geschäftig im Inneren der Box, wo sich ihr Nest befindet. In einigen Wochen wird sich die kleine Kolonie auf 300 bis 400 Tiere vergrößert haben und dafür sorgen, dass aus den Tomatenblüten pralle rote Paradiesäpfel geworden sind. „Die Bestäubungsleistung der Hummeln ist unglaublich“, sagt Ulrich Büsing, dritter Geschäftsführer bei Sautter & Stepper. „Eine Hummel besucht pro Tag mehrere 1 000 Blüten!“ Die Art, die im 800 Quadratmeter großen Glashaus des Tennentals umherfliegt, nennt sich Bombus terrestris – dunkle Erdhummel. „Es ist eine heimische und harmlose Hummel, die nur sticht, wenn sie bedroht wird“, erklärt Büsing.

Immer dann, wenn rund 30 Prozent der Tomatenpflanzen eine Blüte aufweisen, kommen die Insekten in der Tennental-Gärtnerei zum Einsatz. Die bei Sautter & Stepper bestellte Kiste versenkt Chefgärtner Patrick Schönborn in eine Vertiefung in der Erde – ähnlich dem Nest, das ein Hummelstaat in der Natur anlegt. „Ohne die Grube hat es nie funktioniert“, sagt der Gärtner. Von Mai bis September sind die pelzigen Tierchen dann im Gewächshaus unterwegs: Während die Königin für den Nachwuchs sorgt, begibt sich ein Teil des Staats auf Pollensuche und bestäubt dabei die Tomaten. Dabei setzt sich die Hummel an die Blüte und vibriert mit der Brustmuskulatur, so dass der Blütenpollen umher wirbelt und die Blüte bestäubt. „Dabei beißt sich die Hummel fest“, weiß Büsing. „Die braune Bissspur ist ein klares Zeichen, dass die Blüte bestäubt wurde.“ Mitunter unternimmt Bombus terrestris auch kleine Ausflüge ins Freie. „Wenn draußen zum Beispiel die Obstbäume blühen, geht sie fremd“, hat Gärtner Patrick Schönborn beobachtet. Stets kehren die Insekten jedoch ins Glashaus zurück, denn allein sind sie dem Tode geweiht, sie brauchen ihr Volk. Um die Tiere an die Umgebung zu gewöhnen, lässt der Tennental-Gärtner sie am ersten Tag erst abends heraus. „Da ist die Lüftung zu und sie können nicht gleich rausfliegen, sondern erst mal den Flugradius im Gewächshaus erkunden“, erklärt er.

Sechs bis zehn Wochen bleiben die Hummeln dann im Gewächshaus, das Nest im Kasten bleibt dabei immer 28 Grad warm. Danach löst sich das Volk auf, das alte Haus wird verbrannt. „Die Hummeln sind einjährig: Eine Saison - dann sind sie weg“, sagt Ulrich Büsing. „Es kann auch sein, dass Jungköniginnen abfliegen. Sie suchen sich im Freien ein Überwinterungsquartier und sind dann im Frühjahr unterwegs.“ Der Einsatz im Gewächshaus störe die Tiere nicht, meint der Geschäftsführer, er sei artgerecht: „Sie können ja raus. Die einzige Einschränkung ist die Größe des Kastens.“

Seit rund 20 Jahren werden gezüchtete Hummelvölker zur Bestäubung von Kulturen im Gewächshaus eingesetzt. „Als das aufgekommen ist, bekamen wir die Hummeln in Styropor-Kästen, außen dran war das Futter. Man durfte damals nicht in den Kasten reingucken, denn die Zucht war ein Geheimnis“, erinnert sich Ulrich Büsing. „Seither hat sich vieles geändert.“ Die pelzigen Tiere erleichtern den Tomatenanbau erheblich. Bevor sie gezüchtet wurden, hatte der Gärtner durchs Gewächshaus zu gehen und per Hand zu „trillern“ – also an jede Pflanze zu klopfen. Dadurch fiel der Blütenpollen heraus und es kam zur Bestäubung. „Das macht heute keiner mehr“, weiß Ulrich Büsing. Die gezüchteten Hummeln, die Sautter & Stepper vom niederländischen Unternehmen Koppert beziehen, werden mittlerweile großflächig eingesetzt – auch im konventionellen Gemüse- und Obstanbau und im Freiland. Die Vorteile der Hummeln: Sie sind bereits ab einer Temperatur von fünf Grad unterwegs und erbringen so auch bei einem Kälteeinbruch die Bestäubungsleistung.

Doch was, wenn ein Schaden an der Kultur auftritt? In der biologisch-dynamisch wirtschaftenden Tennental-Gärtnerei, die von Beginn an auf die Nützlinge setzt, schließt man einfach den Schieber des Hummelkastens, durch den die Insekten ins Gewächshaus schwirren, und spritzt mit Kaliseife. In konventionellen Betrieben arbeitet man mit integriertem Pflanzenschutz. Die Hummeln kommen damit zurecht, sagt Büsing. Ergänzend zu den Hummeln kommen im Tennental auch die von Sautter & Stepper gezüchteten Nützlinge zum Einsatz. Etwa die Schlupfwespe Aphidius colemani, ein Blattlausgegenspieler, oder die Schlupfwespe Encarsia formosa, die zur biologischen Bekämpfung der Weißen Fliege eingesetzt wird. „Die Namen klingen ein bisschen wie Zaubersprüche bei Harry Potter“, sagt Patrick Schönborn lachend. Wie von Zauberhand befreien die Insekten die Kulturen von Schädlingen – ein mitunter rabiates Schauspiel. So parasitiert Encarsia formosa etwa die Weiße Fliege. Nach zehn Tagen verfärbt sich die Larve schwarz, bis schließlich statt der Weißen Fliege die Schlupfwespe aus der Puppenhülle schlüpft. Andere Schädlinge werden aufgefressen, etwa von der Gallmücke, die ihre Eier in Blattlausnester legt und deren Larven die Läuse dann aussaugen. Gleiches gilt für die Florfliege, einen Räuber, dessen Larven ebenfalls mit Vorliebe Blattläuse verspeisen.

Sinn und Zweck der Nützlinge ist es, Pflanzenschutzmittel zu vermeiden. „Je mehr Jahre man die Nützlinge einsetzt, desto erfolgreicher wird man“, sagt Büsing. Von der Raubmilbe bis zur Schlupfwespe bietet das Altinger Unternehmen, das 20 Mitarbeiter beschäftigt, biologische Pflanzenschutzlösungen für eine ganze Palette an Schädlingen an. Gestartet in Omas Hühnergarten, führen Sautter & Stepper heute 60 Nützlinge im Programm. „Wir sind ständig gewachsen“, erzählt Ulrich Büsing, „und wir wachsen weiterhin, weil viele Betriebe nachziehen. Der Pflanzenschutz wird immer problematischer.“ Kurzzeitig hatte man in den 80er Jahren einen Einbruch erlebt, da Encarsia formosa seinerzeit ihre Dienste verweigerte. „Damals dachten wir, der biologische Pflanzenschutz geht den Bach hinunter. Wir haben viel Kritik bekommen“, erinnert sich Ulrich Büsing. Doch das Schicksal des Altinger Unternehmens sollte eine glückliche Wendung nehmen: „Wir haben es untersuchen lassen und stellten fest, dass Neonikotinoide das Problem waren. Die Insektizide waren dafür verantwortlich, dass die Schlupfwespen desorientiert waren.“ Heute hat sich das Blatt gewendet, der biologische Pflanzenschutz ist auf dem Vormarsch und das Altinger Nützlingsunternehmen zu einem Zugpferd geworden, das deutschlandweit tätig ist und auch Nützlingsbetriebe im europäischen Ausland mit selbst gezogenen Encarsien und Co. versorgt. Um das Know-how zum biologischen Pflanzenschutz weiter zu tradieren, wünscht sich der Geschäftsführer mehr Unterstützung durch die öffentlichen Beratungsstellen: „Wir haben massenweise Amtsstellen, die nur Bürokratie machen, und draußen in den Betrieben ist niemand mehr.“ Zwar wüssten die Gärtner um die Existenz der Nützlinge, nicht aber, wie diese eingesetzt werden. „Wir verlieren gerade das ganze Wissen um die Insekten, weil die Älteren, die sie bestimmen können, wegsterben, und die jungen Leute es nicht mehr können“, bedauert Büsing. Dabei sieht er die Zukunft in den Nützlingen: „Pflanzenschutzmittel werden immer mehr zurückgedrängt. Die Mittel wirken nicht mehr.“

Hummeln spielen bei Bestäubung wichtige Rolle

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Erstellt:
10. Oktober 2018

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