„Ich weine nachts, wenn die Kinder schlafen“

Für viele Menschen bringt die Corona-Pandemie nicht nur Unsicherheit und Unannehmlichkeiten mit sich, sondern stellt eine existenzielle Bedrohung dar. So auch für Familie F. – auch ihr möchte die „Gäubote“-Weihnachtsaktion in Kooperation mit dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ Hoffnung in der Krise geben.

Von Jutta Krause

Lesedauer: ca. 3min 22sec
In der Corona-Pandenmie geraten viele menschen in existenzielle Schieflage GB-Foto: Schmidt

In der Corona-Pandenmie geraten viele menschen in existenzielle Schieflage GB-Foto: Schmidt

Wer jetzt gerade arbeitssuchend ist, findet keine leichte Situation vor. Das muss auch Daniela F. feststellen. „Ich habe bislang nur Absagen bekommen“, erzählt sie. „Als Mutter von drei Kindern kann ich einfach nicht so flexibel sein, wie das häufig gewünscht wird.“ Dabei sucht die gelernte Einzelhandelskauffrau und Wirtschaftsberaterin ganz dringend eine Anstellung, die ein wenig Geld in die Haushaltskasse spülen würde. Denn die Familie steht finanziell am Abgrund. Vor einigen Jahren schon mussten sie Schulden aufnehmen, die sie nun abbezahlen. Dabei haben sie im Moment kaum genug, um sich über Wasser zu halten und mit dem Nötigen zu versorgen.

Seit vielen Jahren tätig
in der Zeitarbeitsfirma

Auch der Mann von Daniela F., Luigi, ist im Augenblick arbeitslos. Seit einigen Jahren schon ist der gebürtige Italiener über diverse Zeitarbeitsfirmen beschäftigt – immer in der Hoffnung auf eine Festanstellung. Die letzten vier Jahre war er bei Daimler, wo er zwar weniger verdiente als seine festangestellten Kollegen, doch immer noch ein gutes Gehalt nach Hause brachte. „Seine Vorgesetzten sind sehr zufrieden mit ihm und wollen ihn immer wieder haben, aber Zeitarbeitsverträge dürfen nur über maximal zwei Jahre abgeschlossen werden und zwischendrin muss er vier Monate lang daheimbleiben.“

Ende Juli lief sein Zeitarbeitsvertrag vorzeitig ab – wegen Corona. Für die Familie war das ein harter Schlag. Schon mit dem Kurzarbeitergeld, das nur 65 Prozent seines Gehalts ausmachte, waren sie kaum über die Runden gekommen. Die vier Monate sind nun um, doch die Aussicht, dass er bald wieder eingestellt wird, ist im Moment gering.

Und so schlägt sich die fünfköpfige Familie durch, so gut sie kann. Das ist auch deshalb bitter, weil die F.s schon bessere Tage gesehen haben. Daniela F.: „Wir waren selbstständig. Mein Mann ist gelernter Fliesenleger und wir hatten eine eigene kleine Firma. Das lief wunderbar. Ich habe das Büro geschmissen, er hat die Aufträge ausgeführt.“ Doch dann ging ein großer Auftrag, für den sie eigens weitere Leute mit ins Boot geholt hatten, schief – ohne eigenes Verschulden, wie die 45-Jährige betont. „Dadurch sind uns viele Kosten entstanden. Es war das Aus für die Firma und obwohl wir schnell reagiert haben, mussten wir uns verschulden.“

Seitdem sind sie dabei, die damals entstandenen Verbindlichkeiten nach und nach abzubezahlen. Das lief ganz gut, sie näherten sich dem Ziel der Schuldenfreiheit – doch dann kam die Pandemie und mit ihr die Kurzarbeit, das reduzierte Einkommen und schließlich die Arbeitslosigkeit. Um besser haushalten zu können, beschlossen die F.s, die Möglichkeit der Mietaussetzung zu nutzen – was zwar kurzfristig hilfreich war, langfristig aber nur zu höheren Schulden führte. Erschwerend kam hinzu, dass das Jobcenter der Familie für drei Monate die Leistungen kürzte. Der Grund: Luigi F.s Vater war in Italien verstorben und die Familie beschloss kurzerhand, gemeinsam nach Italien zu fahren, zur Beerdigung und um allerlei Formalitäten zu erledigen. „Wir mussten kurzfristig runter. Das war ein Notfall! Ich habe beim Jobcenter Bescheid gesagt, dass wir jederzeit telefonisch erreichbar sind“, erinnert sich Daniela F. Die Antwort des Sachbearbeiters: Den Urlaub hätten sie mindestens drei Wochen vorher anmelden müssen. „Im August haben wir gar kein Geld bekommen, September und Oktober wurden ebenfalls einbehalten. Wir konnten die Miete nicht bezahlen und hätten beinahe die Wohnung verloren. Wir haben von Einkaufsgutscheinen und dem Kindergeld gelebt und konnten gar nichts mehr begleichen. Erst Ende Oktober floss wieder Geld.“ Für die Reise mussten sie sich weiter verschulden, das Konto wurde gepfändet. „Ich verzichte auf fast alles, damit die Kinder bekommen können, was sie brauchen. Aber für vieles ist einfach kein Geld da. Es tut mir weh, wenn meine kleine Tochter sagt: ’Mama ich will ein Eis’ und ich muss sagen ’Tut mir leid, kann ich dir nicht kaufen’. Ich weine manchmal nachts, wenn die Kinder schlafen.“

In dieser prekären Situation darf gar nichts schiefgehen. Geht etwas kaputt, wird es so gut wie möglich repariert, Kleidung gibt es allenfalls Secondhand – oder von Freunden mit Kindern im ähnlichen Alter. „Früher habe ich gern die Kleidung meiner Kinder weiterverschenkt, jetzt bekomme ich sie von anderen“, meint Daniela F. wehmütig.

Ihr sehnlichster Wunsch ist es, alles zurückzuzahlen, endlich schuldenfrei zu sein und wieder etwas aufbauen zu können. Was dafür nötig wäre? „Damit wir wieder hochkommen und atmen können, bräuchten wir einen Kredit, der alle Schulden tilgt, so dass wir nur eine Summe abbezahlen müssen, statt viele kleine. Aber das ist wegen des Schufa-Eintrags leider nicht möglich.“

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Erstellt:
2. Dezember 2020

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