„Ich werde von mir aus nicht mehr nach oben wechseln“

Bernd Gluiber: „An der Außenlinie bin ich sehr emotional, das gehört dazu“ GB-Fotos (Archiv): Schmidt
Bernd Gluiber gehört zu den ruhigen, sachlichen, entspannt wirkenden Zeitgenossen. Angenehm im Umgang, freundlich im Ton. Dann gibt es aber auch den Bernd Gluiber, der am Spielfeldrand steht, der an der Linie Emotionen vor- und auslebt, der durchaus Puls bekommt, dessen Gesichtsfarbe sich leicht ins Rötliche verfärben kann. „An der Außenlinie bin ich sehr emotional, das gehört dazu. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss ich aufhören“, sagt der Trainer des SV Rohrau.
Der 48-jährige Gluiber fühlt sich wohl in dem Club, den er im vierten Jahr coacht. Der SV Rohrau schreibt sich auf die Fahnen, ein Verein mit familiärer Atmosphäre zu sein, und genau so empfindet es Gluiber. Im Bezirkspokalspiel im Viertelfinale gegen den VfL Herrenberg standen im Juli 30 Ordner parat, damit der Club das Spiel den damals herrschenden Corona-Regeln entsprechend umsetzen konnte. Gluiber: „Hier gibt es noch die Bereitschaft, zu helfen, der Ort steht hinter dem Fußballverein. Dann hilft man auch selbst gerne über den Trainerjob hinaus mit, es ist ein Geben und Nehmen.“ Dass er als Trainer tätig sein würde, war für ihn schon in jungen Jahren klar. „Das passt zu meiner Mentalität und meinem Charakter, ich habe auch auf dem Feld Verantwortung übernommen“, sagt Gluiber, der beim TSV Schönaich in der F-Jugend angefangen hat, Fußball zu spielen. Mit 27 Jahren ist er ins Trainergeschäft eingestiegen. Erste Station war der SV Gültlingen. Sein damaliger Co-Trainer war Thomas Carle. Gluiber spricht von ihm als seinen Mentor: „Er hat mich gefördert, er hat mir gute Tipps gegeben. Er kann hervorragend mit Menschen umgehen, aus unserer Zusammenarbeit hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt.“ Von 1999 bis 2003 war er Trainer in Gültlingen. Was folgte, war ein halbjähriges Intermezzo beim TV Gültstein, danach folgten zweieinhalb Jahre Spielertrainer-Tätigkeit beim VfL Oberjettingen. Anschließend übernahm er den TSV Grafenau, mit dem er 2007 in die Bezirksliga aufstieg. In Grafenau endete auch seine Zeit als Spielertrainer, fortan war er als Trainer engagiert. 2008 hörte Gluiber in Grafenau auf, er übernahm die A-Jugend des VfL Herrenberg, nach einem halben Jahr und dem Sturz von Dirk Graf als Abteilungsleiter war dieses Engagement aber abrupt beendet.
Anschließend übernahm er die Spvgg. Holzgerlingen, die damals in der Bezirksliga spielte. 2010 in der Winterpause hatte die Mannschaft nur neun Zähler auf dem Konto, der Abstieg in die Kreisliga A schien unausweichlich. „Ich musste mich vor dem Vorstand rechtfertigen und einen Plan vorlegen, wie wir aus dieser Misere wieder herauskommen wollen. Das prägt einen“, sagt Gluiber, der offenbar in dem Gespräch überzeugen konnte. Er blieb Trainer, schaffte den Klassenverbleib und im Jahr 2012 stieg er mit Holzgerlingen sogar in die Landesliga auf. „Es war eine extreme Erfahrung, eine Mannschaft, die komplett am Boden lag, wieder aufzurichten und eineinhalb Jahre später mit fast demselben Team die Meisterschaft zu feiern“, sagt Gluiber, der 2015 zur SV Böblingen in die Verbandsliga wechselte. Dort durchlief er ein Wechselbad der Gefühle, nach einer hervorragenden Hinrunde klappte in der Rückrunde nichts mehr, acht Spieltage vor Saisonende warf er das Handtuch, die SVB stieg dennoch ab. Gluiber: „Es hat viel Spaß gemacht, in der Verbandsliga zu trainieren. Die Talfahrt war aber auch unheimlich belastend, das ging an meine Gesundheit, in dieser Zeit war unheimlich viel auf der Strecke geblieben.“
Für den gelernten Konstruktionsmechaniker, der zudem noch den Industriemeister Metall absolvierte, war danach eine Pause notwendig geworden. „Ich war und bin immer noch gerne mit Spielern zusammen. Der Fußball hatte damals aber eine derart dominante Rolle eingenommen in meinem Leben, das wollte ich nicht mehr“, schildert Gluiber. Offenbar tat ihm die Pause gut, denn als 2017 die Anfrage des SV Rohrau kam, sagte er mit Freude zu. Gluiber fühlt sich wohl beim SV Rohrau, aber auch in der Bezirksliga. Die Anzahl der Trainingseinheiten ist überschaubar, die Anfahrten zu den Begegnungen ebenso. Gluiber: „Ich werde von mir aus nicht mehr nach oben wechseln.“
Nicht nur als Trainer, auch als Spieler war der 48-Jährige erfolgreich. Mit seinem Heimatclub TSV Schönaich stieg er 1992 in die Landesliga auf, nach Stationen in Holzgerlingen und Dagersheim kehrte er zum TSV zurück, 1998 gelang ihm der Aufstieg in die Verbandsliga. Danach verließ er den Club, hörte mit dem Fußball auf, bildete sich an der Abendschule weiter. „Lange habe ich es allerdings nicht ohne Fußball ausgehalten“, sagt Gluiber, der schon nach einem halben Jahr Pause wieder kickte, diesmal beim TSV Ehningen. Mit Erfolg, 1999 gewann der TSV den Bezirkspokal. Darauf folgte seine erste Trainerstation in Gültlingen.
Am Sonntag beginnt für Gluiber und den SVR die neue Runde, das Team empfängt die SG Neuweiler/Oberkollwangen. Der 48-Jährige wird engagiert und motiviert an der Seitenlinie stehen, Anweisungen geben. Und er wird wieder Puls haben. THOMAS OBERDORFER

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