In Gebirgsbächen die Handtücher nass gemacht

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Die Alpenpässe bieten eine traumhaft schöne Landschaft, haben aber recht kurvige Strecken, die es zu bewältigen gilt GB-Foto: gb

Die Alpenpässe bieten eine traumhaft schöne Landschaft, haben aber recht kurvige Strecken, die es zu bewältigen gilt GB-Foto: gb

Weil ein Erdrutsch den Gaviapass in Italien unpassierbar gemacht hat, waren es beim „Race across the alps“ (RATA) durchs alpine Dreiländereck in diesem Jahr statt 14400 Höhenmeter eben nur 12100 – die Herausforderung für die Teilnehmer angesichts der Temperaturen am letzten Juniwochenende aber dennoch nicht einfacher. Der Herrenberger Joachim Marquardt nahm zum dritten Mal bereits an diesem „härtesten Eintagesrennen der Welt“ teil – und anders als im vergangenen Jahr ist er wie schon 2015 glücklich im Ziel in Nauders angekommen.

Wo sonst bis zu 50 Teilnehmer zugelassen sind, waren diesmal nur 19 Sportler am Start. Da sich die Ausdauerradler für die in diesem Jahr wegen des im Routenprgramm ausgesparten Gaviapasses kurzfristig von 540 auf etwa 505 Kilometer verkürzte Rundfahrt meist zeitnah zum Rennen anmelden, hat mit Sicherheit auch die Temperatur eine Rolle gespielt. Allerdings wurde der potenzielle Teilnehmerkreis auch längere Zeit im Ungewissen gelassen, wie es mit dem Rennen nach dem Rückzug des langjährigen Organisators Gernot Weinig weitergehen würde. Auch Joachim Marquardt bekam erst Klarheit, nachdem er sich an das Touristenbüro der Gemeinde Nauders gewandt hatte, die auch Ausrichter des direkt an das RATA anknüpfenden Dreiländer-Giro über 170 Kilometer ist.

Was die Logistik dieser Langstreckenprüfung betrifft, setzte der 55-Jährige auf sein bewährtes Team, das ihn auch bei den bisherigen beiden Starts in Nauders sowie dem „Race across Germany“ vor zwei Jahren über mehr als 1100 Kilometer nonstop von Flensburg nach Oberstdorf begleitet hatte. Marquardts Frau Britta Machnik steuerte wieder das Begleitfahrzeug, Volker Gnau fuhr als Navigator und Mechaniker mit – und erstmals dabei war Marquardts bald 17-jährige Tochter Antonia Machnik, die erst vier Tage vor der Abreise von ihrem Auslandsschuljahr aus Vancouver zurückgekehrt war und dem Papa aus dem Fahrzeug heraus Getränke, Powerriegel oder angemachten Brei reichte. „Das hat wieder super funktioniert“, erzählt Joachim Marquardt.

Nach dem Start am Freitagnachmittag um 13 Uhr blieb das Teilnehmerfeld aufgrund des ungewöhnlichen starken Wochenendverkehrs für die ersten 30 Kilometer über den Reschenpass noch kontrolliert und abgeschirmt von der Rennleitung zusammen. Erst am Abzweig zum Stilfser Joch wurde frei in die Pedale getreten. Manche taten das so schnell, dass sie bereits zum Frühstück schon wieder in Nauders waren. Für Joachim Marquardt ging es aber erst einmal darum, das Rennen nicht zu schnell anzugehen. Eine Zeitlang fuhr er deshalb mit der Österreicherin Nadja Prieling, der einzigen Frau am Start, die letztes Jahr Schlagzeilen machte, als sie die Strecke des Ötztaler Radmarathons (238 Kilometer, 5500 Höhenmeter) in zehn Tagen zehnmal befuhr. Von ihr und ihrem Team schaute er sich ab, wie in Gebirgsbächen getränkte Handtücher um den Nacken erfrischende Wirkung zeigten.

Weniger begeistert zeigte sich Joachim Marquardt vom Mortirolo-Pass, der zwar durch eine traumhaft schöne Landschaft führe, dabei jedoch mit teilweise 18 Prozent so steil und eng ist, dass selbst kurvige Strecken liebende Motorradfahrer ihn ignorieren. Dort bei 38 Grad hinaufstrampeln, das fand Marquardt am Ende nur grenzwertig und verschaffte seiner körperlichen Verfassung eine erste Delle. „Oben musste ich mich dann für zehn Minuten hinlegen“, berichtet der Herrenberger.

Am Berninapass, den er vergangenes Jahr in der Dunkelheit bei minus zehn Grad überquert hatte, herrschten diesmal nun angenehme 15 Grad. Müde war Joachim Marquardt bei der Bergankunft aber trotzdem und beschloss, vor Sonnenaufgang noch für ein halbes Stündchen ein Nickerchen zu halten – und mit ihm auch seine Begleitcrew im VW-Bus. „Das tat richtig gut, und so lief es – auch weil mein sonst gerne an Grenzen stoßender Magen diesmal gut funktionierte – über die restlichen fünf Pässe richtig rund. Den Umbrail-Pass hinauf habe ich sogar noch zwei Fahrer überholt.“ Nach 27 Stunden im Fahrradsattel war Joachim Marquardt dann im Ziel – und glücklich darüber, zum zweiten Mal dieses härteste Tagesrennen der Welt gemeistert zu haben.

Vom Vorhaben, einmal in seinem Leben auch beim „Race across America“ zu starten, ist Joachim Marquardt indes inzwischen abgerückt. „Klar wäre das ein super Erlebnis, aber sowohl von der Leistung her wie auch vom finanziellen und logistischen her ist das eine ganz andere Kategorie. Ich habe in dieser Ultra-Szene inzwischen einige Fahrer kennengelernt, deshalb weiß ich, einfach so neben dem Beruf her, das geht nicht.“ Doch es gibt bereits alternative Anreize, die sich Marquardt ebenso gut vorstellen kann: das „Race across Italy“ durch Süditalien oder eine Islandrundfahrt über 1300 Kilometer, 2200 Kilometer am Grenzverlauf von Österreich entlang oder die „Tortour“ in der Schweiz. Fest steht bisher allerdings nur, dass 2020 wieder beim RATA in Nauders gestartet wird. THOMAS VOLKMANN

JoachimMarquardt (2.v.li.) mit seiner Begleitcrew (von links) Volker Gnau,Antonia undBritta Machnik GB-Foto: gb

Joachim Marquardt (2.v.li.) mit seiner Begleitcrew (von links) Volker Gnau, Antonia und Britta Machnik GB-Foto: gb

In Gebirgsbächen die Handtücher nass gemacht

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Erstellt:
12. Juli 2019

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