In der Wiege lag die Berufung zum Koch

Am 19. Oktober 1989 haben Brigitte und Christof Walther ihr Wagnis in Rohrau begonnen: Sie eröffneten in dem kleinen Ort eine Weinstube, die sich zu einem gediegenen Speiserestaurant entwickelte. Exakt 30 Jahre später geht die Ära zu Ende: Am heutigen Samstag, 19. Oktober, schließt das „’s Viertele“ seine Pforten – altershalber.

Von Konrad Buck

Lesedauer: ca. 3min 15sec
Christof und Brigitte Walther: „Konservatives Kochen wie in Großmutters Küche“ GB-Foto: Bäuerle

Christof und Brigitte Walther: „Konservatives Kochen wie in Großmutters Küche“ GB-Foto: Bäuerle

„Nach 30 Jahren darf man schließen“, sagt Brigitte Walther und blickt auf eine lange, arbeits- und erlebnisreiche Zeit zurück, an deren Anfang eine mutige Entscheidung stand: Das Ehepaar erwarb von der Gemeinde ein Grundstück mitten im Ort und ließ darauf ein von Architekt Georg Reinhard konzipiertes Haus mit Gaststätte und Wohnung errichten. Die Walthers konnten damit in Rohrau verbleiben, wo sie seit 35 Jahren wohnen. Zweiter Teil des Wagnisses: Brigitte und Christof Walther waren Quereinsteiger – sie hatte zuvor als elektrotechnische Assistentin gearbeitet, er als Datenverarbeitungs-Techniker. Das Duo hatte sich zwar in der Gastronomie kennengelernt, als beide in diesem Metier gejobbt hatten, eine Ausbildung hatten sie dazu aber nicht absolviert. Dann aber fügte sich das, was ohnehin der Vorliebe von Christof und Brigitte Walther entsprach: Er verwirklichte seinen Traum, als Koch zu arbeiten, und machte damit sein Hobby zum Beruf. „In den 60er Jahren hat man beruflich oft nicht das gemacht, was man wollte, sondern was man musste“, blickt der gebürtige Dresdener Christof Walther zurück, der mit seiner Familie 1957 in den Westen gezogen und in Böblingen aufgewachsen ist. Der 66-Jährige war letztlich froh, seine Berufung zum Beruf gemacht zu haben: „Man kriegt in der Wiege mit, dass man sich für etwas Besonderes eignet, und ich eigne mich besonders für den Beruf des Kochs“, hat der ausgebildete Weinberater erkannt. Die aus Kuppingen stammende Brigitte Walther ihrerseits freute sich darüber, ihre Erfüllung im gastronomischen Service gefunden zu haben – wobei sie im „’s Viertele“ auch für Buchhaltung, Reinigung und allgemeine „Management“-Aufgaben zuständig war. „Selbst und ständig“, beschreibt sie schmunzelnd ihren Wirkungskreis.

Anfangs als Weinstube gegründet, entfaltete sich das Lokal zum Landgasthof weiter, in dem man gehobene Produkte der Speisegastronomie zu sich nehmen konnte. Das „’s Viertele“ erarbeitete sich einen anerkannt guten Ruf. Die Speisekarte enthielt verschiedene Variationen – eine Menü-Abendkarte gab es ebenso wie spezielle Angebote für Sonntage oder für den Mittagstisch. Das Ehepaar Walther orientierte sich dabei auch an den Wünschen der Gäste: Wenn spezielle Aktionen bei den Besuchern gut ankamen, landeten die Angebote irgendwann auf der Speisekarte.

Beim Kochen konnte Christof Walther seiner Kreativität fortan freien Lauf lassen. „Konservatives Kochen wie in Großmutters Küche“ beispielsweise mit Rostbraten, Rouladen, Sauerbraten und Kässpätzle fand sich ebenso auf der Speisekarte wieder wie internationale Spezialitäten, etwa provenzalische Pfefferkutteln mit Bratkartoffeln. Die Kenntnisse dazu hat sich Christof Walther autodidaktisch angeeignet, viele lehrreiche Anregungen erhielt er auch aus den Büchern des Gastronomiekritikers und Autors Wolfram Siebeck; diese Bücher lasen sich für Christof Walther wie Romane. „Man wächst in der Küche mit, und ganz wichtig sind Qualität und Gespür für Lebensmittel“, betont der Koch. Die Arbeitszeiten, die sich spät in die Abende oder in die Wochenenden erstreckten, bereiteten ihm keine Probleme – denn als EDV-Außendienstler hatte sich Christof Walther schon vor seiner Koch-Tätigkeit an abendliche Dienste gewöhnt.

Das „’s Viertele“ richtete auch Konfirmations-, Kommunion-, Familien- oder Firmenfeiern aus. Bei solchen Großeinsätzen ließ sich Christof Walther in der Küche von Helfern unterstützen, ansonsten blieb es aber weitgehend beim Zwei-Personen-Betrieb. „Den Mindestlohn für Beschäftigte kann ein so kleiner Betrieb nicht bezahlen und erwirtschaften“, sagte der Koch. Auch andere Faktoren wie die lange Sperrung der Ortsdurchfahrt oder eine Rezession haben den Geschäftsgang in früheren Jahren beeinträchtigt: „Es gab immer wieder Wellen“, blickt Christof Walther zurück. Größere Investitionen konnte der Betrieb nicht stemmen. Gleichwohl konnte sich das „’s Viertele“ 30 Jahre lang halten und widerlegte damit die Skeptiker, die geargwöhnt hatten, dass einem solchen Speiselokal in einer kleinen Ortschaft wie Rohrau keine lange Zukunft beschieden sei. Nun müssen die Gäste aber Abschied nehmen vom „’s Viertele“ – und eine Stammtisch-Gruppe tat dies auf besondere Art und Weise: Sie zog ihr Weihnachtsessen auf Mitte Oktober vor, um noch einmal in den Genuss eines „’s Viertele“-Essens zu kommen. Christof und Brigitte Walther haben nun mehr Zeit für anderes. „Es gibt einiges aufzuarbeiten, zum Beispiel Wiesen und Obstbäume“, sagt Christof Walther. „Und wir tauchen ins kulturelle Leben ein“, ergänzt seine Frau, die allerdings auch mit einem weinenden Auge in den Ruhestand wechselt, weil ihr die vielfältigen Kontakte zu den Gästen fehlen werden: „„Die Kontakte mit Menschen haben mir viel Freude bereitet.“

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Erstellt:
19. Oktober 2019

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