„Gäubote“-Weihnachtsaktion - Prof. Horst Köhler: „Jeder kann einen Beitrag dazu leisten“

„Gäubote“-Weihnachtsaktion: Prof. Horst Köhler, Bundespräsident a. D. und Mitbegründer des Weltladens in Herrenberg, unterstützt in einem Grußwort für Miteinander – Füreinander „eine Welt mit Zukunft“.

Von Prof- Horst Köhler

Lesedauer: ca. 3min 09sec
Prof. Horst KöhlerGB-Foto: Felix Brüggemann

Prof. Horst KöhlerGB-Foto: Felix Brüggemann

Die Weihnachtsaktion des „Gäubote“ hat dankenswerterweise langjährige Tradition. In diesem Jahr unterstütze ich sie besonders gerne, kommt sie doch mit dem Weltladen in Herrenberg und seinem Verein „Partnerschaft Dritte Welt e. V.“ einer Einrichtung zugute, an dessen Entstehung meine Frau und ich vor vielen Jahren beteiligt waren. Daran denken wir gerne zurück.

1974 haben wir gemeinsam mit Freunden den „Dritte-Welt-Laden“ – wie das damals noch hieß – in Herrenberg gegründet. Wir wollten etwas Konkretes gegen die Armut in der Welt tun, und sie nicht als eine unveränderliche Tatsache akzeptieren.

Damals waren wir eine kleine Gruppe und konnten nicht ahnen, dass die Bewegung anhalten und immer mehr Befürworter und Begeisterte finden würde. Wir traten für Veränderung durch bessere Information und praktischen Austausch ein. Wenn die Leute bei uns einkauften, bekamen sie immer auch Wissenswertes über die betreffenden Entwicklungsländer mitgeliefert. Wir wollten den Bürgerinnen und Bürgern von Herrenberg auch etwas von der Kultur der Länder vermitteln. Vor allem wollten wir zeigen, wie stark die Wechselbeziehungen zwischen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise und den Lebensbedingungen in der sogenannten Dritten Welt sind und wie viel sich in unserem Alltag geben und gewinnen lässt, wenn wir dem geistigen und materiellen Austausch mit Menschen in anderen Weltregionen einen festen Ort in unserer Mitte geben.

Ich freue mich sehr, dass die Idee des Vereins und des Weltladens lebt und von so vielen Engagierten weitergetragen und weiterentwickelt wird. So gehörte der Verein in Herrenberg auch zu den Gründungsmitgliedern des Weltladen-Dachverbandes. Inzwischen gibt es allein in Deutschland 800 Weltläden und in Europa 3000. Der Weltladen-Dachverband ist eine Erfolgsgeschichte.

Dass wir heute bewusst von Eine-Welt-Läden sprechen, zeigt, dass sich seit damals doch einiges verändert hat. Wir haben lernen müssen, dass wir die drängenden Probleme unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Und viele haben inzwischen begriffen: Entwicklungsländer sind nicht nur die anderen. Auch und gerade die Industrienationen müssen sich verändern. Der Eine-Welt-Laden in Herrenberg setzt sich etwa für Schulen im Norden Kenias ein, für Wasserprojekte im Tschad, für Initiativen zur Bekämpfung der Landflucht in Nigeria und vieles mehr.

Solche Initiativen sind besonders wichtig in Zeiten, wo die Beschäftigung mit den eigenen Problemen in den Vordergrund rückt. Sie erinnern daran, dass die Ärmsten der Armen durch die Pandemie am meisten betroffen sind. Armut und Hunger haben weltweit zugenommen. Über 80 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Gerade die gegenwärtige Situation muss uns klarmachen, dass es Wohlstand und Frieden auch bei uns nur dauerhaft geben kann, wenn mehr Gerechtigkeit in die Welt kommt.

Und deshalb bleibt die Förderung des fairen Handels zentral. „Eure Almosen könnt Ihr behalten, wenn Ihr uns gerechte Preise zahlt“ – dieser Satz von Dom Helder Camara, dem ehemaligen brasilianischen Erzbischof, ist bis heute eine Richtschnur für die Weltladen-Bewegung. Nur durch Veränderung der politischen und ökonomischen Strukturen können die Ungerechtigkeiten und Machtgefälle in den globalen Wirtschaftsbeziehungen überwunden werden. Das wird aber nur geschehen, wenn Menschen gerade in den Industrieländern die Idee einer gerechten Welt auch durch ihr persönliches Verhalten bejahen.

Hier sind die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen ich mich immer noch tief verbunden fühle, unersetzlich.

Mit ihrer Arbeit, ihrem Engagement halten sie nicht nur die Idee des fairen Handels wach. Durch ihre Arbeit knüpfen sie auch persönliche, menschliche Beziehungen, die der Idee der Einen Welt das Abstrakte nehmen und ihr immer wieder neu ein Gesicht, ja viele Gesichter geben. Ich kann ihnen allen nur zurufen: Macht weiter! Euer Einsatz und Eure Ideen werden gebraucht. Und alle Leserinnen und Leser will ich ermuntern: Machen Sie mit! Die Arbeit des Weltladens in Herrenberg, der Weltläden in Deutschland und überall, bleibt wichtig. Und jeder kann einen Beitrag dazu leisten. Durch eine Spende an die Weihnachtsaktion des „Gäubote“ oder durch einen Einkauf im Weltladen. Es lohnt sich in jedem Fall.

Prof. Horst Köhler (78) war von 2004 bis 2010 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er unter anderem Direktor des Internationalen Währungsfonds und Staatssekretär. In den 1970ern lebte er mit seiner Familie in Mönchberg. Köhler ist Mitbegründer des Herrenberger Weltladens.

Horst Köhler (ganz links mit Frau Eva-Luise Köhler) informierte sich im Jahr 2004 beieinem Besuch im Welt-Laden über die damals aktuelle Situation. GB-Foto (Archiv): gb

Horst Köhler (ganz links mit Frau Eva-Luise Köhler) informierte sich im Jahr 2004 bei
einem Besuch im Welt-Laden über die damals aktuelle Situation. GB-Foto (Archiv): gb

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Erstellt:
11. Dezember 2021

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