Jugendliche sorgen für den Durchblick

Bedächtig und präzise putzen die Jugendlichen ein Fenster nach dem anderen in der Herrenberger Lebenshilfe. Das meiste machen sie selbstständig, nur ab und an muss Lehrer Eberhard Roller ihnen zur Hand gehen. Jobs wie dieser sind für die Schüler der Friedrich-Fröbel-Schule fester Unterrichtsbestandteil. Diese Gruppe hat sich auf die Fensterreinigung spezialisiert.

Von Jacqueline Geisel

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„Nicht komplex, aber einehandwerkliche Aufgaben-stellung“:Fröbel-Schüler putzen Fenster GB-Foto: Geisel

„Nicht komplex, aber eine handwerkliche Aufgaben- stellung“: Fröbel-Schüler putzen Fenster GB-Foto: Geisel

Fünf bis sechs Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren gehören einer solchen Arbeitsgruppe an. Was sie an ihrem Praxistag machen, wechselt jedes halbe Jahr. So haben sie die Chance, sich einzuarbeiten, Routine zu bekommen, Vertrauen zu fassen. Gleichzeitig können sie verschiedene Arbeitsbereiche austesten. Denn eins ist in einer solchen Schülerfirma besonders wichtig, wie Eberhard Roller erklärt: „Letztendlich schaffen wir Lernanlässe mit Realitätsbezug.“

Arbeit trainiert Ausdauer
und Durchhaltevermögen

Etwa zwei Stunden dauert eine Arbeitseinheit. Ein Zeitrahmen, in dem die Mädchen und Jungen des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums Ausdauer und Durchhaltevermögen trainieren können. Obwohl das Fensterputzen anstrengend ist, scheint es den Schülern gar nicht so schwerzufallen. Alle arbeiten mit einem Lächeln im Gesicht, manche alleine, manche zu zweit. Jeder kommt in seinem Tempo voran, macht, was er kann, und hat klare Aufgaben und Ziele zu erfüllen. Hin und wieder wird gespickt, was die anderen so machen und wie weit sie sind. Natürlich wird sich auch mal kurz unterhalten, aber die meiste Zeit sind die Jugendlichen fleißig bei der Sache.

Wenn es sich anbietet, bekommen die Schüler einen Bereich zugewiesen, beispielsweise ein Zimmer, in dem sie alleine für das Putzen aller Fenster verantwortlich sind. Kommen sie nicht bis ganz nach oben, müssen sie eine Leiter holen. Ist das Fenster verschlossen, müssen sie zum Lebenshilfe-Team gehen und sich einen Schlüssel besorgen. Das erledigen die jungen Erwachsenen auch ganz ohne Scheu. „Ganz viele verschiedene Aufgaben“, erklärt Roller, fallen damit einem Schüler zu, der sie eigenständig abarbeitet. „Für unseren Ablauf ist das was Besonderes“, sagt der Pädagoge.

Eberhard Roller ist stets unterwegs und schaut nach dem Rechten. Denn einen gewissen Anspruch an die Erledigung ihrer Arbeit haben Lehrer wie Schüler. Ist mal etwas nicht ganz ordentlich gemacht, weist er darauf hin. Sind die Schüler überfordert oder kommen nicht bei, hilft er. Wenn möglich hält er sich jedoch raus oder gibt Lösungsvorschläge, die die Jugendlichen selbst umsetzen können. Selbstständiges Arbeiten ist hier das Stichwort.

Der Wechsel der Umgebung ist für die Schüler ebenfalls eine lehrreiche Erfahrung. Privatleute, Firmen, Institutionen, Organisationen – im Grunde kann jeder die Schülerfirma buchen. Dadurch arbeiten die Jugendlichen in fremden Gebäuden, müssen sich der neuen Situation anpassen und auch respektieren, dass es hier Grenzen einzuhalten gibt, sie „sich zurücknehmen müssen“, wie es Eberhard Roller ausdrückt.

Der Praxistag soll den Jugendlichen helfen, sich beruflich zu orientieren. Außerdem sollen sie „arbeits- und berufsrelevante Kompetenzen anwenden und trainieren können“, wie Roller erklärt. Dazu gehören Teamarbeit, Sorgfalt, Ausdauer, Geschick, Selbstständigkeit, Kontakt mit dem Kunden und vieles mehr. Manche hatten besonderes Glück: Über das Arbeiten in verschiedenen Betrieben seien schon Praktika zustande gekommen. Ein Teilaspekt ist hier auch das Arbeiten gegen Geld, denn die Jugendlichen werden für ihren Einsatz entlohnt. Ihr Gehalt bekommen sie auf ein Konto überwiesen oder auf Wunsch ausbezahlt. So lernen die Jugendlichen auch gleich etwas über Kontoführung.

Die Schülerfirma zur Fensterreinigung gibt es seit 2005 an der Fröbel-Schule, damals noch unter dem Namen „Fröbis Service mit Herz“. Inzwischen arbeiten die Kids unter dem Namen „I love Friedrich – Reinigungsservice für Fenster“. Zu Beginn übernahmen die Schüler im Auftrag des Schulträgers, des Landratsamts, die Reinigung der Fenster im Schulgebäude. Nach und nach wurde das Arbeitsfeld um externe Auftraggeber erweitert. Doch warum Fenster putzen? Weil es nicht zu komplex ist, aber dennoch eine handwerkliche Aufgabenstellung mit sich bringt, erzählt Eberhard Roller.

Er ist von den vielen positiven Aspekten der Schülerfirma überzeugt. An einer Bemerkung eines Kunden wurde das für ihn besonders deutlich: „Schüler der Friedrich-Fröbel-Schule sorgen für den Durchblick“, habe der zu ihm gesagt. Das zeige, „dass sich jeder Mensch, ob mit oder ohne Handicap, mit seinen Gaben und Fähigkeiten in eine Gemeinschaft einbringen kann“.

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Erstellt:
20. Juli 2019

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