Kiebitz kehrt ins Naturdenkmal zurück

Kiebitze sind vor allem in der Mitte Baden-Württembergs noch nur vereinzelt anzutreffen. In Nufringen und Rohrau ist derweil ein gegenteiliger Trend zu beobachten: Nach der Rohrauer Krebsbachaue hat sich der Bodenbrüter nun auch im Nufringer Naturdenkmal Ried angesiedelt.

Von Konrad Buck

Lesedauer: ca. 2min 58sec
Ein Nestkorb schützt die Kiebitze vor Feinden GB-Fotos: gb

Ein Nestkorb schützt die Kiebitze vor Feinden GB-Fotos: gb

Dass sich Kiebitze im Nufringer Ried niedergelassen haben, liegt schon rund 30 Jahre zurück, wie Richard Rothermel schätzt, Vorstandsmitglied bei der Nabu-Ortsgruppe Gärtringen/Nufringen/Rohrau. Der Nabu und die Gemeinde Nufringen hatten die Fläche im Nufringer Ried so herzurichten versucht, dass die Kiebitze die für sie passenden äußeren Bedingungen vorfinden; die Gemeinde hatte dazu im Jahre 2017 von einem Fachbüro einen Pflege- und Entwicklungsplan für das Naturdenkmal Eisweiher erstellen lassen, um das Gelände für Bodenbrüter wieder attraktiver zu machen. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: Zum einen weiden Galloway-Rinder auf der Wiese und halten als real existierende „Rasenmäher“ den Bewuchs niedrig. Außerdem sind mehrere Hölzer beseitigt und somit eine offene Landschaft mit ausreichendem Abstand zu den nächsten Bäumen geschaffen worden, um potenziellen Kiebitz-Feinden keine Ansitzmöglichkeiten zu bieten. Dritter Faktor, der hilft, den Bedürfnissen der Kiebitze gerecht zu werden: Mehrere Blänken (flache Wasserflächen) sind angelegt worden. Dank der Relikte der Nufringer Wasserversorgung (Brunnen und Pumpen) gibt es auch weitere feuchte Stellen, aus denen die Kiebitze einen Teil ihrer Nahrung entnehmen. Im Frühjahr 2018 wurden bereits einige Kiebitze im Eisweiher-Gelände gesichtet, brüteten aber dort noch nicht. In diesem Frühjahr waren die Bemühungen dann aber von Erfolg gekrönt: Ein brütendes Paar siedelte sich an.

Besonderer Kniff mit
dem Nestschutzkorb

Im Nufringer Ried ist die Population noch nicht so weit gediehen wie in der benachbarten Rohrauer Krebsbachaue, aber dass sich nach Jahrzehnten der Kiebitz-Absenz überhaupt ein Paar niedergelassen hat, ist schon bemerkenswert genug. „Dass es jetzt möglich war, in Nufringen eine Brut hinzukriegen, ist eine tolle Sache“, freut sich Richard Rothermel. Aus der Paarung der Elterntiere gingen vier Eier hervor, die auch allesamt ausgebrütet worden sind. Um die vier Jungvögel vor Feinden – zum Beispiel vor Füchsen – zu schützen, bedienten sich die Naturschutzbund-Aktivisten eines besonderen Kniffs: Als die Eiablage beendet war und die Brutphase begann, stellten sie zunächst behutsam einen Korb neben das Nest, damit sich die Elterntiere an den Korb gewöhnen können – was eine nicht einfach zu bewerkstelligende Aufgabe ist, weil man zunächst das sehr unauffällige Nest finden muss, ohne es zu zertreten. Wenige Tage später wurde der Korb über dem Nest platziert, so dass das Gelege geschützt ist. Im Gegensatz zur Rohrauer Krebsbachaue werden die Nufringer Kiebitze nämlich nicht durch einen Zaun vor externen Feinden geschützt. Der Nestschutzkorb verhindert auch, dass die Galloway-Rinder versehentlich auf die Kiebitze treten. Wesentlich unterstützt wurde der Nabu vom Biologen Roland Steiner, der 2017 auch den Pflege- und Entwicklungsplan konzipiert hatte und mehrjährige Erfahrungen mit Kiebitz-Projekten vorzuweisen hat.

Abzuwarten bleibt, ob sich die Kiebitz-Population in Nufringen dauerhaft etablieren wird. „Wir hoffen, dass die Eltern und Jungtiere im nächsten Jahr wiederkommen, wenn sie in den Überwinterungsgebieten überlebt haben“, sagt Richard Rothermel. Sofern dieser Fall eintritt, könnte die Zahl der Brutpaare in Nufringen in ähnliche Dimensionen steigen wie in der Rohrauer Krebsbachaue, wo in diesem Jahr über zehn Brutpaare gesichtet wurden. Nufringen und Rohrau sind mittlerweile die einzigen Kiebitz-Brutgebiete im Landkreis Böblingen, in der näheren Umgebung kann man Kiebitze sonst nur noch in der Nähe von Rottenburg antreffen. Der gemeldete Bestand in Baden-Württemberg liegt etwa zwischen 272 und 372 Revieren. Das Hauptvorkommen erstreckt sich auf die Oberrheinebene, größere Kolonien bestehen nach Angaben des Biologen Roland Steiner auch im Illertal und an der Baar. Zum Vergleich: 1995 hatte man in Baden-Württemberg noch 5000 Reviere verzeichnet. Dem Nabu-Ortsverband geht es bei dem Eisweiher-Projekt derweil nicht nur um den Kiebitz. „Er gibt weitere gefährdete Arten, die ebenfalls von den offenen, feuchten Strukturen profitieren. Dazu gehören Bekassine, Zwergschnepfe und Feldlerche sowie Laubfrosch und Wechselkröte. Aber auch spezielle Libellen und zahlreiche Insekten brauchen genau diesen Lebensraum, der immer seltener wird“, erklärt Richard Rothermel.

Die Karte zeigt, dass es vor allem in der Mitte Baden-Württembergs nur noch wenige Kiebitz-Reviere gibt GB-Grafik: OGBW

Die Karte zeigt, dass es vor allem in der Mitte Baden-Württembergs nur noch wenige Kiebitz-Reviere gibt GB-Grafik: OGBW

Im Nufringer Ried sind Feuchtstellen angelegt worden

Im Nufringer Ried sind Feuchtstellen angelegt worden

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Erstellt:
27. Juni 2019

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