Kindern die Straßenspielkultur näher bringen
Im Oktober ging in der Öschelbronner Aspenhalle die Premiere der Ballschule Gäufelden über die Bühne. Mit dem Kindersportkonzept aus Heidelberg sollen Vier- bis Sechsjährige ihre motorischen und koordinativen Fähigkeiten verbessern. So theoretisch wie das klingt, läuft es aber nicht. Im Gegenteil: Die Übungen regen die Fantasie der Kinder an.
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In den Holzkisten sind „große und kleine Nüsse“: Ballschule-Kinder kümmern sich um den Wintervorrat GB-Foto: gb
Auch wenn es dem Augenschein nach so wirkt: Die Kinder sind nicht in der Öschelbronner Aspenhalle, sondern in einem Wald. Die Holzkisten sind eigentlich Bäume, die um sie herum wachsen, und die Bälle, die sich in den Kisten befinden, sind große und kleine Nüsse. Die Kinder tragen zwar Sportkleidung, wie sie Vier- bis Sechsjährige eben tragen, aber eigentlich sind die Kinder fellige Eichhörnchen. Und weil der Winter näher rückt, müssen sie ihr „Nestlager“, das sich hinter der blauen Linie auf dem Hallenboden befindet, mit den Nüssen auffüllen – als Wintervorrat sozusagen. Dafür rennen die Kinder nach dem Startzeichen ehrgeizig zu den Bällen und tragen sie so schnell wie möglich auf ihre Seite.
Dieses „Wald-Szenario“ ist nur eins von vielen, das Julia Kano bietet, um die Fantasie der Kinder anzuregen. Die selbstständige Personaltrainerin und Gymnastiklehrerin leitet zusammen mit Maximilian Ormos vom TV Nebringen die Ballschule Heidelberg in Gäufelden, die jeweils mittwochs in der Aspenhalle ihre Übungsstunden abhält. Im Fokus der jeweils 45 Minuten dauernden Sporteinheiten stehen insgesamt 21 Kinder, deren motorische Fähigkeiten gefördert werden sollen.
Was in der Theorie recht trocken klingt, läuft praktisch wie in der ersten Übung mit viel Vorstellungskraft ab. Bei der Ballschule hantieren die Kinder nicht einfach mit einem Sportgerät. Stattdessen gibt es für alle Spiele eine kleine Rahmengeschichte – entweder die Kinder tragen als Eichhörnchen ihre Nüsse umher oder sie unternehmen mal als „Herrchen“ mit ihrem Hund eine Gassitour. Dafür nehmen sie einen Gymnastikring als Leine und führen die Bälle – also ihre Hunde – innerhalb des Rings sicher entlang der Markierungen auf dem Boden. Solche Fantasiespiele sorgen spürbar für eine extra Portion Motivation bei den Kindern.
Im Grunde, so Julia Kano, knüpfe das Konzept der Ballschule so an eine ganz natürliche Erfahrung der Kinder an: Das Spielen. Das Programm der Schule funktioniert aber nicht nach dem „Einfach-mal-drauf-loslegen“-Prinzip, sondern basiert auf einer wissenschaftlichen Grundlage, die sich in der namensgebenden Universitätsstadt Heidelberg herausbildete. Klaus Roth entwickelte hier 1998 am Institut für Sport und Sportwissenschaft das Bewegungsprogramm, das sich an die taktischen, koordinativen und technischen Kompetenzen richtet. Freilaufen, anbieten, die Flugbahn des Balls erkennen, präzise werfen, fangen, und das alles unter angemessenem Zeitdruck – all das lernen die Kinder spielerisch näher kennen.
Was nach selbstverständlichen Grundlagen klingt, scheint den heute heranwachsenden Kindern jedoch mehr und mehr zu fehlen: „Im Vordergrund steht das Spiel, das man als Kind draußen auf der Straße erlebt“, sagt Kano. Die „Straßenspielkultur“ nennt es Ormos. In Zeiten von elektronischen Geräten wie Fernseher oder Spielekonsolen und darüber hinaus des zunehmendes Straßenverkehrs, würden sich Kinder seltener als früher draußen aufhalten. „Das schränkt die Entwicklung ein, vor allem in kreativer Hinsicht“, sagt die Trainerin.
Die Heidelberger Ballschule bietet den Kindern in Reaktion darauf eine Möglichkeit, sich in einem geschützten Raum auszutoben. Angeleitet wird das grundsätzlich nicht von gewöhnlichen Sportlehrern, sondern beispielsweise von Fitnesscoaches wie Kano oder B-Lizenz-Fußballtrainern wie Ormos, die sich extra zu Ballschule-Trainern ausbilden ließen. Beide sind im Dienste der ortsansässigen Vereine. Sowohl der TV Nebringen als auch der TSV Öschelbronn, der TSV Tailfingen und der Tennisclub Gäufelden beteiligen sich an dem Kooperationsprojekt. Ein Konkurrenzprogramm zu den üblichen Sportangeboten, die auch Vorschulturnkurse beinhalten, stellt die Ballschule dabei nicht dar. Sie ist eine Ergänzung. Zum einen unterscheidet sie sich inhaltlich: „Im Verein ist man auf eine Sportart beschränkt, in der Ballschule wird Unterschiedliches vereint“, sagt Kano. Darüber hinaus richtet sich das Angebot auch an Nichtmitglieder. „Unser Ziel ist langfristig, dass die Leute dadurch auch als Mitglieder in die Vereine eintreten“, sagt Ormos.
Die Ballschule für Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren findet, unter Einhaltung der aktuell gültigen Hygienemaßnahmen, jeden Mittwoch in der Aspenhalle statt. Der erste Kurs dauert von 14.30 bis 15.15 Uhr, im Anschluss beginnt der zweite Kurs um 15.30 und endet um 16.15 Uhr. Insgesamt dauert die Ballschule immer ein halbes Jahr. Die Teilnahmegebühr für Vereinsmitglieder beträgt monatlich 25 Euro, für Nichtmitglieder 35 Euro. Freie Plätze sind noch verfügbar. Anmeldungen bei Julia Kano, info@julia-wurster.de, oder bei Maximilian Ormos unter ormosm@web.de