Kindersoldat – oft die einzige Perspektive

„Wort und Tat gehören zusammen“, davon ist Pfarrer Johannes Stahl überzeugt. Der Referent für Gemeinde- und Partnerschaftsarbeit der Basler Mission predigte in der Hildrizhausener Nikomedeskirche zum Thema „Bildung schafft Frieden – Zukunft für die Kinder in Renk im Südsudan“. Ein Projekt, das die Kirchengemeinde Hildrizhausen seit einigen Jahren unterstützt.

Von Jenny Schwartz

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Im Missionsgottesdienst anlässlich des Afrika-Fests berichtete Pfarrer Johannes Stahl über die Zustände im SudanGB-Foto: Vecsey

Im Missionsgottesdienst anlässlich des Afrika-Fests berichtete Pfarrer Johannes Stahl über die Zustände im SudanGB-Foto: Vecsey

Wenn Johannes Stahl für die Basler Mission in den Südsudan reist, ist er von den Zuständen dort gleichermaßen betrübt wie berührt. Betrübt, weil in dem afrikanischen Land eine gewaltige Kluft zwischen Armut und Reichtum liegt. Weil die Menschen dort mit den Folgen von Bürgerkriegen und ihren schweren Traumata zu kämpfen haben. Weil Kinder dort hungernd auf der Straße sitzen. Berührt, weil eben diese Kinder sich über einen Fußball freuen können, als wäre es das größte Geschenk der Welt. Und weil es für diese Kinder trotz ihrer dramatischen Lebenslage immer noch Hoffnung gibt.

Seit 15 Jahren unterstützt die Basler Mission, zu der Johannes Stahl gehört, das Projekt „Muhabba-Kinderhaus“, für das sich seit einigen Jahren auch die Kirchengemeinde Hildrizhausen einsetzt. „In Hildrizhausen hat man sich das Projekt im Rahmen des jährlichen Weltmissionsopfers ausgesucht“, erinnert sich Johannes Stahl. Nun ist er selbst in die Hausemer Nikomedeskirche gekommen, um der Gemeinde die Begeisterung zu übermitteln, die ihre Unterstützung im Südsudan ausgelöst hat. „Die Kinder dort wissen, was man in Hildrizhausen für sie tut“, erzählt Johannes Stahl in seiner Predigt. „Dass hier für die Kinder gespendet wird, dass man hier seinen Reichtum mit ihnen teilt.“

Aber was genau hat es mit dem Muhabba-Kinderhaus eigentlich auf sich? Diese Frage beantwortet Johannes Stahl während des Gottesdienstes mit einem kurzen, politik-geschichtlichen Exkurs. Der junge Staat hat sich von den Folgen des jahrelangen Bürgerkriegs noch längst nicht erholt, Gewalt dauert dort trotz des Friedensschlusses von 2018 noch immer an. Stahl erzählt von der Geschichte eines kleinen Jungen aus dem Südsudan, dessen Familie von Soldaten ihrer kostbaren Viehherden beraubt und damit in die Armut gestoßen wurde. „Der Vater des Jungen hat so darunter gelitten, dass er Monate später starb.“ Die Familie habe sich zwar wieder eine kleine Viehherde aufbauen können, doch kurze Zeit später seien erneut Soldaten ins Dorf gekommen und hätten diesmal nach den Dorfjungen verlangt, um sie als Kindersoldaten anzuheuern. Der Junge habe keine Wahl gehabt als den Soldaten freiwillig zu folgen, andernfalls wäre seine Familie erneut der Gewalt des Militärs zum Opfer gefallen. „So wie diesem Jungen erging es vielen Kindern“, weiß Stahl. „Sie werden entführt und zu Soldaten ausgebildet.“ Als der Junge seine Ausbildung angetreten habe, sei er gerade elf Jahre alt gewesen. Anderthalb Jahre später habe er sein Heimatdorf erneut besuchen wollen. Und musste feststellen, dass es endgültig zerstört worden war.

Wie viele andere Kinder landete auch der Junge schließlich auf der Straße. Doch hier werden die Probleme für die Jugendlichen nicht kleiner. Hunger und Durst seien so schlimm, dass viele Kids abhängig von Lösungsmitteln werden, die den Hunger zwar unterdrücken, aber langfristig zu Gehirnschäden führen.

Unterstützung
für Kinderheim

Simon Oceti, Heimleiter des Muhabba-Kinderhauses, konnte dieses Elend vor etwa 15 Jahren nicht mehr mitansehen und ließ mit Unterstützung der Presbyterianischen Kirche im Südsudan (PCOSS) ein Kinderhaus im südsudanischen Ort Renk bauen. Seitdem unterstützt auch die Basler Mission als Partner der PCOSS das Muhabba-Kinderheim tatkräftig. Die Kinder bekommen in dem Kinderhaus ein Dach über den Kopf, Hunger und Durst werden gestillt. Auch Trauma-Berater stehen den jungen Menschen zur Seite, doch nicht alle Kinder können und wollen über die schlimmen Dinge reden, die ihnen widerfahren sind. Dafür kann ein großer Teil immerhin die Schule besuchen. Schließlich ist Bildung ein guter Weg, um dem Leben in Armut entfliehen zu können. „Das Wichtigste ist aber, dass die Kinder dort zum ersten Mal Halt und Geborgenheit erfahren dürfen“, betont Johannes Stahl. „Schließlich bedeutet auch der Name Muhabba Liebe.“ Der Junge, von dem Johannes Stahl erzählte, hat übrigens auch ein Zuhause im Muhabba-Kinderheim gefunden. „Er gehörte zu den ersten Kindern dort, ist mittlerweile erwachsen und hat BWL studiert“, berichtet Johannes Stahl. Jetzt setze er sich selbst für Frieden in seinem Land ein. „Man sieht, Auferstehung ist möglich – auch aus dem Leben eines Straßenkindes.“

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Erstellt:
7. Oktober 2019

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