Klänge und Bilder voller Emotionen
Kuppingen – Musikalischen Hochgenuss der manches Schmunzeln, Staunen und viel Zuspruch bot der Pianist und Musikpädagoge David Holleber im voll besetzten evangelischen Gemeindehaus Kuppingens: Nach einem klassischen Einstieg brachte er Improvisationen zu den fotografischen Wunderwerken des Lichtemotionisten Tobias Raphael Ackermann aus Donaueschingen zu Gehör.
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David Holleber GB-Foto: gb
Ein Hör- und Seherlebnis, das durch ein kleines Malheur mit großer Wirkung kaum getrübt wurde: Als der Pianist vor Beginn einem quietschenden Pedal des Konzertflügels abhelfen wollte „sind mir drei Hämmer abgebrochen“, leitet er seine Darbietung ein. Unbekümmert beginnt er mit einer kleinen Plauderei aus dem Nähkästchen des Musikexperten: „Es gibt Musik, die um ihrer selbst willen entsteht, ohne programmatischen Hintergrund“, erläutert er. Dann greift er in die Tasten, spielt nachdrücklich, fast ein wenig ungestüm, die Rhapsodie Nr. 1 von Johannes Brahms.
Schon sind die fehlenden Tasten vergessen, auch wenn es ein bisschen anders klingt als sonst. Fehlende Töne ergänzt das Gehör unbewusst, auch hat man den Eindruck, der Mangel wirkt inspirierend. „Zum Zweiten gibt es Musik, der eine Idee zugrunde liegt“, erzählt Holleber. Als Beispiel folgt nun ein Stück aus den Années de Pèlerinage von Franz Liszt, „Vallée d’Obermann“. „Das wird jetzt schwierig“, meint Holleber, probiert eine andere Tonart, eine Oktave weiter oben, charmant und mit Bravour wird das Problem gelöst. Schön, wie das einfache Thema, die Tonhöhen hinauf-, dann wieder hinunterwandert, wie Holleber diese Wanderschaft, die manchmal wie eine Art Gehmediation anmutet, vorträgt. Liszt, der Tastenlöwe, Holleber, der Tastenakrobat, da möchte man eine Verwandtschaft sehen, so kraftvoll und virtuos umspielt der Pianist die Gefahrenzone auf dem Klavier, improvisiert, wo der Ton fehlt, behilft sich kreativ.
Die Zuhörer sind begeistert, doch der schönste Teil des Konzerts kommt erst noch. „Jetzt wird’s einfacher“, kündet der Pianist an, „jetzt kann ich frei improvisieren.“ Auf der Leinwand wird nun der Schwarzwald ins Bild gerückt, David Holleber begleitet die Bilderfolge improvisierend, wenn auch überlegt. „Ich habe mir ja vorher Gedanken gemacht, worüber ich improvisieren will“, versichert er. Nun gleitet der Blick durch den Schwarzwald im Verlauf der Jahreszeiten, folgt dem Wechsel von Stimmungen, den Veränderungen in der manchmal intim anmutenden Szenerie, staunt über Farben und Nebel, frisches Grün und welke Braun- und Rottöne.
Die Fotografien sind stimmungsvolle Meisterwerke: Tobias Ackermann hat sie dezent, aber wirksam bearbeitet. Im Frühling bricht Licht durch den Morgendunst, fällt auf frischgrüne Moosdecken, und altes, neu überwachsenes Holz, erstrahlen Farnblätter wie Sonnenhüte, tanzt die Musik einen lebhaften Reigen, perlt darin ein Bächlein, wird von Aufbruch gekündet. Im Sommer malt die Sonne goldene Flecken und Sternenkränze zwischen die grafischen Konturen der hoch aufragenden Bäume, wandert die Musik träge der Sonne entgegen. Im Herbst färbt sich alles bunt, welkt, ein Brausen fegt durch den Wald, hervorgerufen auf den Saiten im Bauch des Klaviers, klopft ein Specht, schreitet das Vergehen auch in der Musik unermüdlich voran. Im Winter erstrahlt alles im kristallweißen Kleid, schickt der Himmel blasses Blau und Gelb zwischen die Bäume, tanzen Nebel wie Geister durch die Musik. Die Schönheit der Schwarzwälder Schneelandschaft ist überirdisch und gipfelt in einem hohen Ton, der Ewigkeit anklingen lässt.
Eine Zugabe, trotz der fehlenden Tasten? Aber natürlich, mehr als eine schenkt Holleber seinen Zuhörern, improvisiert auch temperamentvoll über Beethovens „Für Elise“. Die fehlenden Tasten sind vergessen, unvergesslich hingegen ein stimmungsvolles, anregendes und jedenfalls recht ungewöhnliches Konzert.