Kommt Strukturreform noch mal auf den Prüfstand?

Am heutigen Freitagnachmittag biegt der Württembergische Fußballverband (WFV) in Sachen Strukturreform auf die Zielgerade ein. In einer Videokonferenz will der WFV-Vorstand mit den 16 Bezirksvorsitzenden über den Leitantrag für den am 24. Juli anstehenden Verbandstag abstimmen. Doch die von einer Kommission vorgeschlagene Lösung stößt immer mehr auf Kritik.

Von Andreas Gauss

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Beschwörende Geste kommt nicht von ungefähr: Bezirksspielleiter Helmut Dolderer (Mitte) kann die Entscheidungsfindung für ein Auseinanderreißen gewachsener Bezirke wie Böblingen/Calw nicht nachvollziehen GB-Foto (Archiv): WFV

Beschwörende Geste kommt nicht von ungefähr: Bezirksspielleiter Helmut Dolderer (Mitte) kann die Entscheidungsfindung für ein Auseinanderreißen gewachsener Bezirke wie Böblingen/Calw nicht nachvollziehen GB-Foto (Archiv): WFV

Mitte dieser Woche verschickte Richard Armbruster, Vorsitzender des Bezirks Böblingen/Calw, sein letztes Berichtsheft an die rund 120 Vereine. Der Bondorfer wird zum anstehenden Bezirkstag am 21. Mai nach über 20 Jahren den Vorsitz abgeben. Mit dem bisherigen Bezirksjugendleiter Roland Ungericht (SV Rotfelden) steht ein Nachfolger bereits in den Startlöchern. In seinem Jahresbericht geht Armbruster kurz auf die geplante Strukturreform des WFV ein, die vorsieht, dass der Bezirk Böblingen/Calw in zwei Teile auseinandergerissen werden soll. Wie mehrfach berichtet, sollen die Fußballvereine im Landkreis Calw eine Fusion mit dem Bezirk Nördlicher Schwarzwald (Region Horb und Freudenstadt) eingehen, zum Bezirk zehn. Die Clubs aus dem Kreis Böblingen schließen sich dem Bezirk Stuttgart (Bezirk eins) an. Die Zahl der Bezirke wird von 16 auf zwölf verringert. Ähnlich wie in Böblingen/Calw werden auch die Vereine des Bezirks Hohenlohe in den Bezirk drei (mit Unterland) und Bezirk zwölf (mit Rems/Murr) aufgeteilt. Wird die Reform verabschiedet, wird es aller Voraussicht nach noch zwei Spieljahre dauern, ehe in den neuen Bezirksgrenzen gespielt wird, also ab der Saison 2023/24.

Auch über ein halbes Jahr nach Vorstellung dieser neuen Gebietsstruktur stößt dieser Kommissionsvorschlag bei Richard Armbruster auf Unverständnis. „Die Verantwortlichen können es nicht nachvollziehen, dass ein handlungsfähiger Bezirk gespalten wird“, schreibt der 73-Jährige in seinem Jahresbericht. Und weiter: „Veränderungen kann man sich nicht verschließen, doch in dem Fall wird eine gewachsene Struktur, ohne Not, nach 65 Jahren aufgelöst.“ Sein langjähriger Funktionärskollege, Bezirksspielleiter Helmut Dolderer (Wildberg), wird in seinem Bericht deutlicher: „Die Teilung eines gewachsenen Bezirks ist aus unserer Sicht eine Maßnahme, die nicht zu akzeptieren ist. Wenn schon gewachsene Strukturen getrennt werden sollen, dann wären aus unserer Sicht die Bereiche aufzuteilen, die aufgrund ihrer Mannschaftszahlen nicht überlebensfähig sind.“ Dolderer zieht in Zweifel, ob die angewandte Methode zur Einteilung der neuen Bezirksgrenze die richtige war: „Die Ausarbeitung der Neuordnung wurde auf der Grundlage der derzeit bestehenden Schiedsrichtergruppen vorgenommen. Eine Umstrukturierung, die durch solche Vorgaben – ausgehend von der kleinsten Einheit – eingeengt wird, ist aus unserer Sicht zum Scheitern verurteilt.“

Ein Punkt ist laut Richard Armbruster noch nicht geklärt, was den neuen Bezirk eins, also die Kreise Böblingen und Stuttgart, angeht. Wurde doch in der Jugend ein Gebietsvorschlag, der von einer Spielsystem-Kommission im Jahr 2018 vorgelegt wurde, bereits umgesetzt, hierbei wird der Bezirk Böblingen/Calw mit Teilen der Bezirke Alb und Nördlicher Schwarzwald zusammengelegt. In den beiden zurückliegenden Spielzeiten, die zwangsläufig aufgrund der Corona-Pandemie kaum zur Austragung kamen, wurde ein gemeinsamer Spielbetrieb ab der C-Jugend organisiert. „Wie soll das funktionieren, wenn die Vereine in der Jugend Richtung Tübingen und Horb spielen, aber dann bei den Aktiven Richtung Stuttgart?“ Armbruster kritisiert auch, dass man im Detail noch nicht ausgearbeitet habe, wie sich in den zwölf Spielgebieten die unterklassigen Ligen der Kreisliga A und B aufstellen werden: „Bei der Variante 1-4-12c steht nur fest, dass es eine Bezirksliga gibt. Wie es drunter aussieht, ist offen.“ In der Vergangenheit haben sich Armbruster und Dolderer bei den Regionalversammlungen, die sich in zwei Runden mit der Strukturreform befassten, dafür eingesetzt, dass es sogar eine Verringerung auf neun Bezirke geben sollte. In diesem Spielsystem 1-3-9 wäre der Bezirk Böblingen/Calw in Gänze mit dem Bezirk Nördlicher Schwarzwald verschmolzen. Der Bezirk Stuttgart hätte Teilgebiete von den Bezirken Rems/Murr und Neckar/Fils dazu bekommen.

Offenbar sind auch dem WFV mittlerweile Bedenken gekommen, ob der Leitantrag mit der Strukturreform am Verbandstag am 24. Juli noch auf breite Zustimmung stoßen wird. Dem Vernehmen nach hat WFV-Geschäftsführer Frank Thumm für die heutige Konferenz geheime Abstimmung angeboten – offensichtlich, um ein ehrliches Meinungsbild zu bekommen. Ralf Bantel hat als Chef des Bezirks Hohenlohe sogleich plädiert, geheim abzustimmen. Dieser Meinung hat sich auch Richard Armbruster angeschlossen.

R. Armbruster

R. Armbruster

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Erstellt:
9. April 2021

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