Mit professioneller Hilfe zurück in den Alltag

Um die Folgen des schweren Unfalls auf der A71 in Thüringen aufzuarbeiten und zu verarbeiten, hat die Deckenpfronner Dorfgemeinschaft Tennental professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Die Polizei ermittelt derweil gegen den Busfahrer wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung.

Von Konrad Buck

Lesedauer: ca. 2min 45sec

Der Schock saß zunächst tief: Am 1. September war eine Reisegruppe der Dorfgemeinschaft Tennental auf der A71 bei Rentwertshausen (Thüringen) nahe der bayrischen Landesgrenze schwer verunglückt. Die vier Betreuer und 16 Personen mit Behinderung hatten eine Woche lang eine Ferienfreizeit am Vielitzsee in Brandenburg verbracht, rund 700 Kilometer von Deckenpfronn und rund 60 Kilometer von Berlin entfernt. Der 65-jährige Fahrer des Reisebusses kam bei der Rückfahrt nach rechts von der Fahrbahn ab, das Gefährt durchbrach die Leitplanke, kippte auf die Seite und kam in einer Böschung zum Liegen.

„Wir sind mit der Begleitung der Menschen beschäftigt, die meisten sind wunderbar in ihren Lebensalltag zurückgekehrt. Ich habe nicht den Eindruck, dass jemand langfristig ein Trauma davongetragen hat“, berichtet Matthias Hacker, der die Deckenpfronner Dorfgemeinschaft Tennental leitet. Negative Nachwirkungen des Unfalls sind bei den Klienten bisher nicht zu erkennen gewesen. Um die Folgen des schweren Unfall auf- und verarbeiten zu können, hat die Dorfgemeinschaft zudem ein notfallpädagogisches Team zurate gezogen: die „Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners“, einen in Karlsruhe ansässigen eingetragenen Verein. Außerdem sollen die Tennental-Fachkräfte auch bei einem Fortbildungslehrgang geschult werden.

Bei dem Unfall sind laut Polizei-Angaben sieben Personen schwer und 15 Personen leicht verletzt. Die Polizei spricht in der Regel von schweren Verletzungen, wenn eine Behandlung im Krankenhaus erforderlich ist. Die verletzten Personen waren nach dem Unfall in die umliegenden Kliniken nach Suhl, Meiningen und Bad Neustadt transportiert worden. Letztlich habe sich zum Glück aber nur eine Verletzung als gravierend herausgestellt, wie Matthias Hacker auf „Gäubote“-Anfrage erklärte: Eine Betreuerin zog sich Brüche an beiden Armen zu. Die meisten Personen, so ergänzte Matthias Hacker, seien bereits in der Nacht nach dem Unfall aus den Krankenhäusern entlassen worden. Im Bus saßen neben den beiden Fahrern vier Betreuer und 16 Personen mit geistiger und körperlicher Einschränkung.

Alkoholtest beim Busfahrer
ergab einen Wert von 0,0 Promille

Die polizeilichen Ermittlungen zu dem Unfall dauern weiterhin an. Fakt ist, dass der Busfahrer nicht alkoholisiert war – der von der Polizei vorgenommene Test ergab ein Ergebnis von 0,00 Promille. Die Polizei hat gegen den Busfahrer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen eines Verkehrsunfalls mit fahrlässiger Körperverletzung. Zudem wurde ein Gutachter beauftragt, den Reisebus zu untersuchen. Weshalb der Busfahrer von der Autobahn abgekommen ist, steht noch nicht fest – die Ermittler prüfen, ob ein technischer oder ein menschlicher Fehler den Unfall verursacht hat. Die A71 war nach dem Unfall in Richtung Schweinfurt voll gesperrt worden. Den „Fremdschaden“ an den Einrichtungen der Autobahn – also beispielsweise an Leitplanke, Böschung und Leitpfosten – bezifferte die zuständige Autobahninspektion Schleifeisen auf rund 40000 Euro.

Trotz des zurückliegenden Unfalls plant die Deckenpfronner Dorfgemeinschaft auch fürs kommende Jahr wieder ein Ferienprogramm im Sommer mit mehreren Ausfahrten. „Ich hoffe, dass das Busfahren für unsere Klienten nicht mit Angst behaftet sein wird“, sagt Matthias Hacker. Veranstaltet werden die Freizeiten nicht von der Dorfgemeinschaft selbst, sondern vom Verein Ahoi, der solche Reisen für assistenzbedürftige Menschen organisiert und seinen Sitz ebenfalls im Tennental hat. In diesem Jahr standen vier Ausfahrten zur Auswahl – nämlich zweimal in den Bayrischen Wald nach St. Englmar und Grafenau, in den Südschwarzwald nach Münstertal und zum „Ferienparadies Seebeck“ am Vielitzsee in Brandenburg – bei der Rückfahrt aus Brandenburg ereignete sich dann der besagte Unfall auf der Autobahn 71.

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Erstellt:
19. Oktober 2019

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