Nur noch eigene Tonne wird geleert

Der oberste Müllmann im Landkreis Böblingen geht Ende April in den Ruhestand. Wolfgang Bagin leert in Zukunft nur noch die Tonnen seines privaten Zuhauses. Seit 1992 war er Werkleiter für den Bereich Technik und Verwaltung, seit 2014 Gesamtleiter des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB).

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Wolfgang Bagin (vorne links) mit Landrat Roland Bernhard bei einem MüllabfuhrterminGB-Foto: gb

Wolfgang Bagin (vorne links) mit Landrat Roland Bernhard bei einem MüllabfuhrterminGB-Foto: gb

„Wolfgang Bagin hat ganz maßgeblich unseren Eigenbetrieb zum leistungsfähigsten kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb in ganz Baden-Württemberg mitentwickelt. Kaum ein Land- oder Stadtkreis bietet das komplette Programm – Müllabfuhr, Entsorgung und Erfassung von Wertstoffen – in eigener Regie an“, lobt Landrat Roland Bernhard den scheidenden Betriebsleiter.

Wolfgang Bagin hat beinahe 29 Jahre den AWB in verantwortungsvollen Positionen geführt. „In puncto Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit war der AWB immer ein Tempomacher, der Entwicklungen sehr früh erkannt und Lösungen umgesetzt hat“, so der Landrat. Das Ende der Deponien in der zweiten Hälfte der 90er Jahre hat viele Möglichkeiten eröffnet. Die Kreisdeponien in Sindelfingen und Böblingen wurden saniert, damit sie die Umwelt nicht durch Sickerwasser und Treibhausgase belasten, der Standort Leonberg folgt bald. Abfall ist seither in großen Teilen kein Müll mehr, sondern Wertstoff für Recycling und Rohstoff für Strom- und Wärmeerzeugung.

Erzeugung von
regenerativer Energie

„Die Biogasanlage in Leonberg ist eine von mehreren technischen Anlagen, die regenerative Energie produziert. Dass die Anlage letzten Sommer abbrannte, gehört zu den ganz wenigen beruflichen Erfahrungen, auf die ich lieber verzichtet hätte“, meint Wolfgang Bagin. Der Landkreis Böblingen hat jedoch vereinbart, die Anlage bis 2023 gemeinsam mit dem Landkreis Esslingen wieder am selben Standort aufzubauen mit einer deutlich höheren Kapazität also zuvor. Bagin bleibt auch im Ruhestand weiterhin Geschäftsführer der Bioabfallverwertung GmbH Leonberg.

Über sein Tochterunternehmen – der Naturstrom Landkreis Böblingen GmbH – hat der AWB unter Geschäftsführer Bagin in insgesamt elf Fotovoltaikanlagen zur Erzeugung von regenerativer Energie auf Einrichtungen des Landkreises und des AWB investiert. Die größte Anlage befindet sich auf der Südböschung der ehemaligen Kreismülldeponie Böblingen.

Auch die Wertstofferfassung mittels 31 Wertstoffhöfen im Landkreis ist eine Besonderheit, bei der, laut Landrat Bernhard, die Vorteile für den Gebührenzahler deutlich überwiegen: „So sortenrein wie wir erfasst kein anderer Landkreis die verschiedenen Wertstoffe. Die höheren Erlöse dafür geben wir eins zu eins an die Haushalte im Landkreis weiter. Und besser für die Umwelt ist es auch.“

Zur Entwicklung der Rechtssetzung in Deutschland hat der AWB Böblingen mit Initiative von Bagin auch mit zwei richtungsweisenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beigetragen. Zum einen war es die Durchsetzung der Grundgebühr für Gewerbebetriebe. Zum anderen war es ein entscheidendes Urteil von 2015, das die Mitbenutzungspflicht der Dualen Systeme an der kommunalen Altpapiertonne entschied und die Grundlagen für die entsprechenden Festlegungen im neuen Verpackungsgesetz vorgab.

Das berufliche Engagement Bagins reichte über die Kreisgrenzen hinaus. Im Verband Kommunaler Unternehmen war er stellvertretender Vorsitzender des bundesweit tätigen Leitauschusses der Sparte Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit und im Vorstand der Landesgruppe Baden-Württemberg seit 2005 tätig und von 2008 bis 2011 der Landesgruppenvorsitzende. Noch weiter trug ihn eine Initiative der Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Austausch mit der tunesischen Stadt El Guettar brachte für Bagin ganz neue Perspektiven. Dort leistet der AWB seit 2016 Hilfe beim Aufbau von abfallwirtschaftlichen Strukturen.

In seiner gesamten beruflichen Karriere hielt Wolfgang Bagin dem Landratsamt Böblingen die Treue. Vor seiner Aufgabe beim AWB war er in der Kernverwaltung Leiter der Kämmerei, des Baurechtsamtes und des Kommunalamtes. „Nach nun 52 Jahren im öffentlichen Dienst ist die Zeit reif in den Ruhestand zu gehen“, so Wolfgang Bagin.

Die Leitung des Abfallwirtschaftsbetriebes hat bereits seit dem 1. April der Erste Landesbeamte und Landrats-Vize, Martin Wuttke übernommen. Er führt den AWB gemeinsam mit Thomas Koch, dem Werkleiter für Abfalllogistik, Recycling, Entsorgungsanlagen und mit Wolfgang Hörmann, Werkleiter für Betriebswirtschaft, Verwaltung, Kommunikation. -gb-

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Erstellt:
18. April 2020

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