„Papa und Mama arbeiten zu Hause und sind immer da“

Früh aufstehen, kräftig mit anpacken, harte Arbeit, statt Freizeit: So oder so ähnlich würden vor allem viele ältere Menschen, die auf einem Bauernhof aufwuchsen, wohl ihre Kindheit beschreiben. Wie aber ist das heute, im 21. Jahrhundert? Der „Gäubote“ hat nachgefragt. Ein Gespräch mit den Kindern von Ingwart und Christa Rinderknecht von den Jettinger Höhenhöfen ist zwar sicher nicht repräsentativ, aber doch allemal sehr interessant.

Von Jutta Krause

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Begeistertvom Landleben (von links): Anna (mit Kuh Roxi), Naemi, Eva-Maria und Boas.Christa Rinderknecht füttertdie TiereGB-Foto: kr

Begeistert vom Landleben (von links): Anna (mit Kuh Roxi), Naemi, Eva-Maria und Boas. Christa Rinderknecht füttert die Tiere GB-Foto: kr

Es ist ein schöner, warmer, Nachmittag. Anna (12), Naemi (11), Eva-Maria (8) und Boas (6) sitzen vor dem Haus; der zehnjährige Silas ist nicht zu Hause. Christa Rinderknecht gesellt sich dazu, auch sie ist gespannt darauf, was ihre Kinder über das Landleben zu sagen haben. Gleich zu Beginn des Gesprächs wird klar: Alle vier lieben es, auf dem Bauernhof aufzuwachsen, sie genießen die Vorteile in vollen Zügen und scheinen zumindest bislang kaum Nachteile zu erkennen. Stattdessen schwärmen sie davon, wie viel Platz sie zum Spielen haben, von der Weite, die sie umgibt und dem Leben mit den Tieren, von denen sie umgeben sind.

Schon der erste Satz sagt alles: „Es ist schön. Wir haben viel mehr Platz als andere Kinder und wir haben Tiere. Das ist gut“, erklärt Anna, die als Älteste auch zuerst das Wort ergreift, bestimmt. „Schon allein, weil jeder sein Lieblingstier hat“, fügt ihre kleine Schwester Eva-Maria hinzu. Sie selbst hat ein Faible für ihre Lieblingskatze, Anna hat die Kuh Roxi ins Herz geschlossen („die hat ’ne krumme Nase, aber ich hab’ sie trotzdem gern“), Naemi liebt alle Katzen und dazu den Wachhund Matrix, auch wenn er definitiv kein „Spielhund“ ist und Boas liebt „alle Tiere, auch Hühner find ich gut“. Er geht gerne mit zum Solarhühnerhaus, um dort die gefiederten Eierproduzenten zu füttern oder Eier einzusammeln. „Mir gefällt alles!“, erklärt der Sechsjährige bestimmt. Kein Wunder, bis er vor kurzem zum Schulkind wurde, konnte er sich an vielen Tagen aussuchen, ob er lieber mit Papa Ingwart auf dem Traktor mitfahren, seine Mutter bei ihrer Arbeit begleiten oder sich selbst beschäftigen wollte – etwa draußen spielen oder in seiner Werkstatt Steine bearbeiten. Denn, nennt Naemi einen weiteren Vorzug der Landwirtschaft aus Kindersicht: „Papa und Mama arbeiten hier. Sie müssen zur Arbeit nicht wegfahren, sind also immer da.“ Das, ergänzt Christa Rinderknecht, habe zudem den Vorteil, dass die Familie bei den Mahlzeiten immer vereint ist und gemeinsam essen kann.

Auch im Kuhstall sind Christa Rinderknechts Kinder öfter mit dabei, aber – und das ist ihr wichtig – stets auf freiwilliger Basis. Im Haushalt, erklärt sie, habe jedes Kind seine Aufgaben, aber die landwirtschaftlichen Tätigkeiten sollen ihnen nicht als Last aufgebürdet werden. Denn Christa und Ingwart Rinderknecht wollen, dass ihr Nachwuchs den Kontakt mit den Tieren möglichst unbeschwert und keinesfalls als Pflichtübung erlebt. „Ich versuche schon, sie in die Arbeit zu integrieren, etwa bei den Hühnern, wo anfangs jeder seinen eigenen Hahn bekommen hat. Auch in den Stall gehen alle mal mit. Aber das ist freiwillig und soll auch so bleiben“, betont die Mutter.

Sie selbst ist ebenfalls in der Landwirtschaft aufgewachsen, und musste auch in jungen Jahren stets mit anpacken. Aber sie hatte schon immer ein Faible für die landwirtschaftlichen Tätigkeiten und hat es nicht als Last empfunden. „Mein Vater war berufstätig und ist bereits mit 47 Jahren verstorben. Da waren die anfallenden Aufgaben ganz klar unter uns Kindern verteilt. Aber ich fand es immer toll, dass man sich weitgehend selbst versorgen kann und zumindest im Sommer immer aus dem Vollen schöpfen kann bei Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten.“ Auf ihrem Hof auf den Jettinger Höhenhöfen betreiben die Rinderknechts einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchvieh, Hühnern und einem Hofladen und sind auch in Sachen Fleisch, Wurst, Milchprodukte und Käse weitgehend autonom. „Ich habe die Landwirtschaft schon immer geliebt!“, schwärmt Christa Rinderknecht. „Nach der Schule hab ich zwar einen kaufmännischen Beruf erlernt, ich wollte aber immer zurück in die Landwirtschaft, habe eine landwirtschaftliche Lehre angeschlossen.“ Auf dem eigenen Hof ist sie ganz in ihrem Element, gibt ihr Wissen und ihre Begeisterung auch im Rahmen der Initiative „Lernort Bauernhof“ an Schulklassen weiter und wünscht sich, dass ihre Kinder die Freiheit haben, ganz ohne Zwang eine ähnliche Neigung in sich zu entdecken. Noch ist dazu viel Zeit, noch sind sie jung und genießen die spielerischen Entfaltungsmöglichkeiten ihres Zuhauses in vollen Zügen.

„Wir können im Sommer Wasserschlachten machen und im Winter Schneemänner. Wir haben ein großes Trampolin in der Scheune, auf dem kann man auch spielen und sogar übernachten. Unten auf der großen Wiese haben wir ein Spielhaus, da kann man auch schlafen“, schwärmt Anna. „Manchmal kommen auch Freunde zu uns zum Spielen, die finden es hier noch interessanter als wir“, ergänzt Eva-Maria. Anna verweist auch auf die schöne Landschaft und die Pferde des Nachbarn, mit denen sie und Naemi manchmal ausreiten. Der einzige Nachteil, der ihnen einfällt: „Man wohnt ein bisschen abseits, hat einen weiteren Weg zur Schule oder zu Freundinnen“, erklären die beiden Ältesten. Doch mit dem Fahrrad sind diese Entfernungen gut zu überwinden und im Winter werden sie auch mal mit dem Auto ans jeweilige Ziel chauffiert.

„Ihr habt auch Fahrzeuge, die sonst keiner hat, weil man damit in der Stadt nicht so einfach fahren könnte“, schiebt Christa Rinderknecht ein. Wie zum Beweis biegt Boas um die Ecke mit einem Kettcar-Traktor, der in einem Mietshaus in der Stadt schon an „Parkplatzproblemen“ scheitern würde. „Ich werd’ Landwirt“, erklärt Boas im Brustton der Überzeugung. Die anderen sind sich da noch nicht ganz so sicher. Doch das Leben mit Tieren würde keiner von ihnen missen wollen. „Auf dem Hof lernen die Kinder früh den Umgang mit und die Liebe zu den Tieren“, erzählt Christa Rinderknecht. „Sie finden es spannend, wenn es Nachwuchs gibt und sind oft fast live dabei, wenn ein Kälbchen auf die Welt kommt.

Sie wissen, wie der Lebenskreislauf funktioniert, auch, dass manchmal was schiefgehen kann.“ Eine gute Vorbereitung auf das Leben.

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Erstellt:
17. Oktober 2018

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