Robuste Rinderrasse lebt permanent im Freien

Hauptberuflich ist er Disponent im Presswerk bei einem Sindelfinger Autohersteller. Zugleich schlägt das Herz von Carsten Mößner jedoch für die Landwirtschaft: Gemeinsam mit seinen Freunden Karl Seeger und Peter Nonnenmacher erfüllte sich der Affstätter vor acht Jahren einen Traum und gründete die Schlossberg-Rind GbR.

Von Nadine Dürr

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Friedlich und chillig: Carsten Mößner zeigt, wie entspannt die Galloway-Rinder sindGB-Foto: Holom

Friedlich und chillig: Carsten Mößner zeigt, wie entspannt die Galloway-Rinder sindGB-Foto: Holom

Seelenruhig liegen die lockig-robusten Tiere auf einer Wiese unweit des ehemaligen IBM-Schulungszentrums. Im Schatten der Bäume verdauen Blümchen, Sugarbabe und die anderen Galloways die schmackhaften Wiesenkräuter und schauen dabei zufrieden drein. Das nahende Unwetter bringt die kleine Herde nicht aus der Ruhe, im Gegenteil: „Wenn es hagelt, ist das sogar wie eine Massage für sie“, erzählt Carsten Mößner. Es ist ein friedliches, ein idyllisches Bild, das sich dem Auge da bietet. Dies ist auch den „ruhenden Polen“ unter den Muttertieren zu verdanken, für die sich Mößner anfangs viel Zeit nahm, die sich sogar anbinden lassen und demnächst Teil des Festumzugs auf dem Cannstatter Wasen sein werden. Auch Solomon, der achtjährige Leihbulle aus Schottland, der per Natursprung für frisches Blut und eine neue Genetik in der Herde sorgt, ist ein Garant für den Frieden im Sozialgefüge der Rinder: „Wenn ein Bulle in der Herde ist, ist sie ruhiger“, weiß Mößner.

Acht Jahre Erfahrung hat der Affstätter mittlerweile mit seinen Galloways. Entstanden sei die Idee zur Freiland-Tierhaltung „aus einer Bierlaune heraus“, sagt er: „Karl Seeger, Peter Nonnenmacher und ich – wir hatten alle drei Interesse an der Landwirtschaft, kommen selber aus solchen Familien. Meine Eltern sind beide aus der Landwirtschaft, ich bin es mit dem Vieh gewöhnt.“ Bereits seit 2003 hält der Affstätter mit seiner Ehefrau Pferde – mit entsprechender Grünlandnutzung. Warum also nicht mal ein paar Rinder auf die Wiesen stellen? Mößner erzählt: „Da wir drei keinen Stall hatten, sagten wir: Wir brauchen eine robuste Rasse, die man das ganze Jahr über draußen halten kann.“ So sei man auf die uralte Rinderrasse aus Schottland gestoßen, die bereits vor 7 000 Jahren die Highlands besiedelte. „Es sind schöne, ruhige Tiere ohne Hörner“, beschreibt Mößner seine Lieblinge. „Kälte macht ihnen gar nichts aus, es sind relativ gesunde Robustrinder, die nicht viel mehr als Schatten, Gras und Wasser brauchen.“ Im Sommer 2010 legte sich das Trio also über den Galloway-Zuchtverband die ersten vier Tiere aus Nordrhein-Westfalen zu, kaufte im Herbst vier weitere. „Dann sind Leute an der Weide vorbeigekommen und haben nach Fleisch gefragt“, erzählt Mößner. Die Gelegenheit, diese Nachfrage zu bedienen, ließ man sich nicht entgehen und so wuchs der Bestand über die Jahre auf mittlerweile 50 Tiere. Seit Mai 2011 deckt ein Bulle die Kühe, so dass man sich im Frühjahr 2012 über die ersten eigenen Kälbchen freuen durfte.

Werden die Tiere zur Nachzucht verwendet, können sie mit 20 bis 24 Monaten erstmals gedeckt werden, ist dies nicht der Fall, werden sie geschlachtet. Zwei Jahre lang stehen sie dann auf der Weide, ehe sie ihr Schlachtgewicht von 280 Kilogramm – beim Bullen sind es 320 Kilogramm – erreicht haben. Bei der konventionellen Haltung werden die Tiere nur 14 bis 16 Monate alt, weiß Mößner.

Auch in puncto Schlachtung macht der Nebenerwerbslandwirt einen Unterschied: „Die Tiere sind keine Gebäude gewöhnt, deshalb lassen wir sie nicht im Schlachthof, sondern in Gechingen bei einem Landwirt schlachten. Dort kommen sie in den Fangstand in eine große und lichte Schusshalle, wo nur der Schlachter und ich sind. Ich denke, das ist weniger Stress für die Tiere.“

Das Fleisch der Highland-Rinder schätzt der Affstätter sehr: „Es ist reich an Omega-3-Fettsäuren und nicht ganz so fett.“ Verkauft wird die Metzgerware in Zehn-Kilogramm-Kisten, im Sommer verarbeitet man das Fleisch auch zu Burgern und Grillwürsten. Wenn die Zuchtkühe, die bis zu 17 Jahre alt werden, ausscheiden, macht man aus ihnen Leberkäse, Brat- und Büchsenwurst, was ebenfalls auf große Nachfrage stoße. „Wir vermarkten das Fleisch komplett selber“, sagt Mößner. „Karl Seeger hat in Nufringen ein Geschäft und nach Geschäftsschluss kann man es dort abholen. Die Leute kommen und bringen Kühltaschen mit.“ Auch die Felle der Tiere bietet man zum Kauf an. Geschlachtet wird immer dann, wenn genügend Bestellungen eingegangen sind. An den Weiden aufgestellte Schilder geben dann den nächsten Schlachttermin bekannt, meist zwischen September und März. Im Jahr 2013 hatte man zum ersten Mal das Fleisch der Schlossberg-Rinder verkauft.

Die Nachfrage nach der Ware habe sich auf unverändertem Niveau eingependelt, die Stammkundschaft sei der Schlossberg-Rind GbR treu. „Das Wichtigste ist den Kunden, dass es den Tieren gutgeht, sie draußen und nicht im Stall stehen – und wie sie geschlachtet werden“, sagt Mößner. Auch die Regionalität samt maximaler Transparenz – jederzeit kann man an den Wiesen vorbeigehen und sich die Tiere ansehen – überzeuge viele.

Wie stark die Kundenbindung auch von der Bio-Zertifizierung abhängt, vermag der Affstätter nicht einzuschätzen. Fest steht: „Es war von Anfang an die Philosophie des Ganzen.“ Bereits 2012 habe man das EU-Bio-Siegel beantragt, inzwischen dürfen sich die Schlossberg-Rinder auch mit dem Bioland-Zertifikat schmücken. Nicht nur lasse sich das Fleisch so besser vermarkten – in Herrenberg ist man einziger Tierhalter auf Bioland-Basis und kann so mit einem Alleinstellungsmerkmal aufwarten –, auch das Netzwerk im Verband wollen Mößner, Seeger und Nonnenmacher nicht mehr missen: „Es gibt Gruppentreffen, wo man sich austauschen kann. Das ist sehr gut, weil man mit Bio-Betrieben hier nicht so gesegnet ist.“ Veränderungen indes waren während der Umstellungszeit nicht erforderlich, wie der Nebenerwerbs-Landwirt betont: „Wir haben schon vorher nicht gedüngt und ohne Pflanzenschutz gearbeitet. Auf den Obstbaumwiesen und Hängen kann man nur Weidetierhaltung machen, die sind für die konventionelle Landwirtschaft nicht nutzbar.“ Sicherstellen müsse man als Bio-Betrieb nun lediglich, dass pro Kuh und Kalb ein Hektar Fläche zur Verfügung stehe. Auch ein etwas größerer Verwaltungsaufwand komme auf Bio-Landwirte zu samt der mindestens einmal jährlich anstehenden ganztägigen Kontrolle durch die Öko-Kontrollstelle Abcert.

Die Zeit mit den Tieren will Carsten Mößner inzwischen nicht mehr missen: „Es ist mehr als ein Hobby, es ist eine Leidenschaft. Und ein guter Ausgleich zur Arbeit. Man muss mit dem Wetter arbeiten und kriegt jede Jahreszeit mit. Außerdem mag ich das ganze Drumherum: Man kommt mit Leuten ins Gespräch und hat viele soziale Kontakte.“ Zehn bis 15 Kilometer sind der Affstätter und seine Kollegen täglich mit dem Auto unterwegs, um ihre Tierkontrollrunde auf den verschiedenen gepachteten Wiesen zu drehen.

Dabei überprüfen sie, ob die Elektrozäune noch stehen und alle Tiere da sind, ob eines von ihnen vielleicht – was selten vorkommt – Hilfe bei der Geburt benötigt. Bei Bedarf werden die Wassertanks wieder gefüllt und wenn die Wiesen abgegrast sind, lotst man die Tiere mit einem Treibgang auf eine neue Weidefläche – sehr zur Zufriedenheit der Herde. „Die Tiere sind ein bissle schleckig“, berichtet Mößner. „Über den ersten Grasaufwuchs freuen sie sich nicht so. Sie sind Feinschmecker und wissen genau, was sie wollen.“ Das gilt auch für die Bewegungsfreiheit, die den Nachwuchs hin und wieder zum Übermut verleitet: „Die Kälber sauen manchmal fünf Minuten im Kringel rum – mit gehobenem Schwanz.“

Dem Affstätter ist die Freude an diesem Schauspiel anzusehen. Ganz auf die Landwirtschaft umsatteln will er dennoch nicht: „Es ist gut so, wie es ist. Ich freue mich, wenn ich ins Geschäft darf und auch, wenn ich nach Hause zu den Tieren komme.“ Zudem gefällt ihm das Modell des Zusammenschlusses mit den Kollegen: „Dadurch, dass wir es gemeinsam machen, hat man auch mal Zeit für Urlaub.“ Mittlerweile indes ist Peter Nonnenmacher ausgestiegen, man kümmert sich jetzt zu zweit um die Tiere. „Wir werden in dem Stil weitermachen und sehen, wie wir es zu zweit hinbringen“, kündigt Mößner an.

Ein wenig erweitert hat der Hobby-Landwirt seine Tierhaltung mittlerweile aber doch. Sein jüngstes Steckenpferd ist das Federvieh: Gleich 40 Hühner fanden in einem selbst gebauten Hühnermobil in Affstätt eine neue Heimat.

Mit zwei Kühen, die er vor einen alten Leiterwagen spannt, ist Carsten Mößner am Sonntag, 30. September, beim großen Festumzug zum 200-jährigen Cannstatter Volksfest und 100. Landwirtschaftlichen Hauptfest mit dabei. Die beiden Galloways kennen den Auftrieb schon: Sie liefen bereits 2011 beim Umzug mit. Mößner startet im Rahmen des Züchterstammtisches Baden-Württemberg des Bundesverbands Deutscher Galloway-Züchter. Der Festumzug beginnt um 11 Uhr. Vom Königsplatz führt die Strecke durch Cannstatter Gassen auf den Wasen.

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Erstellt:
12. September 2018

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