Scharfe Kritik an Gäubahn-Kappung in Vaihingen
Anfangs - und Endstation Vaihingen: Auf dieses Szenario müssen sich Gäubahn-Fahrgäste in einigen Jahren einstellen. Bei einem bahnpolitischen Gespräch zwischen den Bürgermeistern Bernd Dürr (Bondorf) und Johannes Buchter (Gäufelden) sowie dem Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) stießen die Pläne auf großes Unbehagen. Auch der barrierefreie Umbau des Nebringer Bahnhofs war ein Thema.
Lesedauer: ca. 3min 39secDas Problem ist brisant und hat auch schon in den Räumen Horb, Freudenstadt und Rottweil Proteste ausgelöst – also dort, von wo aus die Fahrgäste bislang bequem und ohne Umstieg zum Stuttgarter Hauptbahnhof gelangen können: Wegen Bauarbeiten für Stuttgart 21 – konkret: die S-Bahn wird an die Station Mittnachtstraße angeschlossen – enden und beginnen die Intercity- und Regionalzüge in einigen Jahren in Stuttgart-Vaihingen, und zwar nicht nur für ein halbes Jahr, wie anfangs kommuniziert wurde, sondern deutlich länger über den nun für Ende 2025 geplanten Betriebsbeginn des Schienenknotens Stuttgart hinaus. Geschuldet ist dieses Problem den Verzögerungen im Abschnitt Flughafen/Filder, den die Gäubahn-Züge nach Fertigstellung von S21 nutzen. „Der Ausbau am Flughafen dauert zwei Jahre länger als der neue Tiefbahnhof“, verdeutlicht Matthias Gastel, der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion (Wahlkreis Nürtingen mit Waldenbuch und Steinenbronn).
Wie lange die Gäubahn-IC- und RE-Züge in Vaihingen beginnen und enden werden, ist noch offen. Matthias Gastel rechnet mit „mindestens zweieinhalb Jahren. Ich gehe aber von drei oder mehr Jahren aus“, prognostiziert der Bahn-Experte. Teilweise war auch schon von fünf Jahren die Rede, was Dr. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium, aber im Herbst 2018 in einem Brief an den Böblinger Landrat Roland Bernhard dementierte: „Auch wenn die DB bedauerlicherweise nicht angeben kann, bis wann die Anbindung der Gäubahn über den Flughafen fertiggestellt werden kann, gehen wir davon aus, dass Ihre Befürchtung einer Unterbrechung der Gäubahn von fünf Jahren nicht eintritt.“ Lahl verweist darauf, dass die Deutsche Bahn die Gäubahn-Züge ursprünglich sogar in Böblingen kappen lassen wollte. Im Vergleich dazu sei für die Fahrgäste ein Umstieg in Vaihingen vorteilhafter, weil sich dort Anschlüsse zu den S-Bahn-Linien 1, 2 und 3 sowie zu Stadtbahnen ergeben. Gleichwohl konterkariere die Unterbrechung das Bemühen, die Gäubahn attraktiver zu gestalten, räumt Dr. Uwe Lahl ein.
Auch im Oberen Gäu beäugt man die Gäubahn-Kappung mit Argwohn. „Wenn die Gäubahn in Vaihingen abgekoppelt wird, wird es für sie strukturell schwierig“, befürchtet Bondorfs Bürgermeister Bernd Dürr. Sein Gäufeldener Amtskollege Johannes Buchter sprach sogar von einem „politischen Versagen“ angesichts der Gesamtgemengelage mit Feinstaub, Fahrverboten und dem zwischen Sindelfingen-Ost und Hulb geplanten Autobahn-Ausbau, der die Verkehrsprobleme während der Bauarbeiten weiter verschärfen wird. „Es geht nicht, dass man in Anbetracht des Diesel-Fahrverbots eine ganze Region abhängt“, kritisierte die Gäufeldener Grünen-Gemeinderätin Almuth Keitel die Gäubahn-Unterbrechung. Das Bondorfer Grünen-Mitglied Andreas Ruoff ergänzte: „Die Bahn macht sich mit diesen Planungen noch weniger Freunde, für Pendler wird das eine Qual.“
Die mehrjährige Gäubahn-Kappung in Vaihingen könnte man vermeiden, wenn man einen einstelligen Millionenbetrag investiere, um die IC- und RE-Züge weiterhin auf der oberirdischen Trasse in den Stuttgarter Kessel zu führen, informierte Matthias Gastel. Bei diesem Szenario würden die Züge aber wie bisher auf oberirdischem Terrain enden. „Das wäre ein Riesen-Politikum“, sagt Gastel, denn dann würde die hitzige Debatte wieder auflodern, ob es angezeigt wäre, einen „Kombi-Bahnhof“ mit einem ober- und unterirdischen Teil zu bauen.
Andere Zukunftsperspektiven sehen für die Gäubahn etwas verheißungsvoller aus: Ab 2025 bestellt das Land mit Metropolzügen einen Halbstundentakt zwischen Eutingen und Stuttgart, ab 2030 sollen auch die Fernverkehrszüge auf der Gäubahn stündlich verkehren.
Zu Beginn des Gesprächs empfingen die Bürgermeister und Grünen-Vertreter den Bundestagsabgeordneten am umgebauten Bondorfer Bahnhof. „Es ist viel gemacht worden. Es lief nicht alles reibungslos, aber wir sind zufrieden mit unserem barrierefreien und modern ausgebauten Bahnhof“, sagte Bernd Dürr. Die Gemeindeverwaltung hat allerdings eine Stolperfalle beanstandet und bei der DB den Wunsch geäußert, die Szenerie nachzubessern: Am Gleis 1 gibt es einen Höhenunterschied in Form einer Stufe. Anfang Januar stürzte dort eine Person und musste ärztlich versorgt werden. Der Bürgermeister informierte den Abgeordneten auch darüber, dass die Gemeinde für 1,6 Millionen Euro den Fußgängersteg zum Bereich Reuter Steig verlängern und damit die bestehende Lücke schließen will. Zudem soll der Bahnhofsvorplatz barrierefrei ausgebaut werden.
Während also der Bondorfer Bahnhof in neuem Glanz erstrahlt, fristet die Nebringer Station weiterhin ein tristes und ödes Dasein – von der Barrierefreiheit ganz zu schweigen, denn zu den Gleisen kann man dort nur über eine Treppe gelangen. „Unser Pech ist, dass unser Bahnhof aus Sicht der DB regelkonform ist“, sagte Bürgermeister Johannes Buchter. In Bondorf war die Bahn dagegen zu Umbaumaßnahmen gezwungen, weil die Fahrgäste die Gleise nicht mehr ebenerdig überqueren durften. In Kürze soll aber ein neues Bahnhofs-Sanierungsprogramm aufgelegt werden, an dem sich Land und DB innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren mit jeweils 150 Millionen Euro beteiligen, wie Matthias Gastel erklärte.
Dabei gibt es zwei Kategorien – für kleinere Stationen mit unter 1000 Fahrgästen pro Tag und für größere Bahnhöfe mit über 1000 Ein- und Aussteigern pro Tag. „Wir haben knapp über 1000“, merkte Johannes Buchter an. Möglicherweise wären die Erfolgsaussichten aber größer, wenn Gäufelden knapp unter 1000 Ein- und Aussteigern läge, verwies Matthias Gastel auf eine möglicherweise kuriose Konstellation: Mit unter 1000 Fahrgästen pro Tag wäre der Nebringer Haltepunkt nämlich eine größere Station unter den kleineren statt (bei über 1000) eine kleinere unter den größeren.