„So eine Veranstaltung ist ein Höllenritt“

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Swen Blümer schwenkt beim Finale des ADAC MX Masters in Holzgerlingen zum letzten Mal die Zielflagge GB-Foto: Oberdorfer

Swen Blümer schwenkt beim Finale des ADAC MX Masters in Holzgerlingen zum letzten Mal die Zielflagge GB-Foto: Oberdorfer

Noch etwa zwei Minuten sind im letzten Rennen der ADAC MX Masters am Sonntag zu absolvieren. Swen Blümer gibt seine blaue Flagge ab, macht sich auf den Weg zum Zielsprung, übernimmt die schwarz-weiß-karierte Zielflagge. „Mein letztes Rennen winke ich selbst ab“, sagt Blümer am Samstag, dem vorletzten Tag, an dem er seine Funktion als Rennleiter auf dem Holzgerlinger Schützenbühlring ausübt. Am Sonntag ist es dann soweit, und als der neue Titelträger Dennis Ullrich zum Zielsprung kommt, verneigt sich Blümer vor dem 26-Jährigen.

Holzgerlingen, Motocross, Schützenbühlring: Dieser Dreiklang fand bei Swen Blümer in jungen Jahren keinen Anklang, er spielte Handball. „Ich bin nie Motocross gefahren und hatte damit eigentlich nichts zu tun. Ich war als Kind mit meinen Eltern mal an der Strecke, mehr aber auch nicht“, sagt Blümer. Mitte der 80er Jahre sollte sich das aber ändern. Der KFV Kalteneck, Veranstalter der Rennen auf der etwa 1800 Meter langen Piste, suchte Streckenposten. „Mich hat mein Kumpel Uwe Lauxmann angesprochen, ob ich Lust dazu hätte“, sagt der 54 Jahre alte Blümer. Er hatte Lust, er machte mit, und seither ist er mit dem KFV Kalteneck und dem Motocross sehr eng verbunden.

„Mir hat damals die Kameradschaft im Verein unheimlich gefallen. Das war klasse, wir Jungen wurden von den Erfahrenen sehr gut behandelt und aufgenommen, da wurden keine Unterschiede gemacht“, sagt Blümer, der rasch zum Streckenposten-Obmann aufstieg und der 1991 gemeinsam mit Uwe Lauxmann die Rennleiter-Lizenz absolvierte. „Er hatte mich damals gefragt, ob ich mitmache. Ich habe halt zugesagt“, sagt Blümer. Diese Lizenz verfiel aber. Blümer hätte 1994 eine Fortbildung absolvieren müssen, hatte dafür aber keine Zeit, er heiratete, geschäftlich war der Metallbaumeister stark eingebunden. Dem Verein blieb er allerdings weiterhin erhalten.

„Mir hat dann ein Vereinsmitglied etwas ins Gewissen geredet“, sagt Blümer. Tenor: Jetzt habe man in den Kerle investiert, und er lässt die Lizenz verfallen, so sei das nicht gedacht gewesen.

Im Jahr 2004 trat Blümer eine Zeit lang beruflich kürzer, baute Überstunden ab und baute. „Ich habe zu meiner Frau gesagt, wenn ich jetzt die Lizenz nicht noch mal mache, dann mache ich sie nicht mehr“, erzählt der Holzgerlinger, der seit vielen Jahren in Ammerbuch lebt. Ohne eine Information an den Verein zu geben, meldete sich Blümer zum Lehrgang in Berlin an, bezahlte ihn aus eigener Tasche. Bei der Jahreshauptversammlung des KFV Kalteneck 2005 hatte Rainer Schmid, er war damals Rennleiter, das Thema Blümer und Lizenz nochmals angesprochen. „Rainer, ich gehe auf keinen Lehrgang mehr, ich habe die Lizenz“, antwortete Blümer damals zur Verblüffung der Vereinsmitglieder und des Vorstands.

Und zu deren Freude, denn damit war gewährleistet, dass die Nachfolge für Rainer Schmid gesichert ist. Blümer sammelte Erfahrungen in verschiedenen Läufen, komplett verantwortlich für ein Rennen war er 2007. Im MX Masters wurden damals zwei Klassen gefahren, zudem gab es einen Seitenwagen-Veteranencup. „Ich war schon nervös vor diesem Rennen. Ich wusste aber, dass ich mit Rainer Schmid und Uwe Lauxmann viel Kompetenz hinter mir habe“, sagt Blümer. Überhaupt hat Blümer von Schmid sehr viel gelernt durch einen intensiven Austausch, Blümer nahm Tipps gerne an und schaute sich Tricks gerne ab. Blümer war in seiner Funktion als Rennleiter auch als Sportkommissar bei anderen Veranstaltungen tätig. „Rainer sagte mir vor diesem Einsatz, dass er den gesamten Tag am Telefon wäre und ich ihn jederzeit erreichen könne. Ich habe das Angebot auch tatsächlich nutzen müssen, als ich mir in einer Situation nicht ganz sicher war. Nach zwei Minuten am Telefon war die Sache geklärt“, schildert Blümer, der 2007 schließlich die Rennleiter-Funktion beim KFV von Schmid übernahm.

„So eine Veranstaltung ist ein Höllenritt“, sagt Blümer über das MX Masters. Am Donnerstag vor dem Rennen hatte er im Vereinsheim „Ludlenbad“ Quartier bezogen, auf einem Feldbett geschlafen, beim Aufbau geholfen, sich um seine Aufgaben gekümmert. Der Rennleiter ist zuständig für die regelgerechte Abwicklung der Läufe, für das korrekte Verhalten der Fahrer und der Zuschauer, für das Streckenpersonal. Er muss sich um Genehmigungen kümmern, Fortbildungen innerhalb des Vereins organisieren, während der Läufe Rücksprache mit den Rennärzten halten, und das ist nur ein Auszug aus dem Lastenheft. Während des Jahres sind ebenfalls Termine wahrzunehmen. „Acht bis zehn Tage Urlaub jährlich kostet der Job“, sagt Blümer, der inzwischen auch stellvertretender Vorstand des Vereins ist.

Nun also hat er die Entscheidung getroffen, den Rennleiter-Posten abzugeben. Alexander Brodbeck wird ihn beerben, er ist ebenfalls Rennleiter und war am Sonntag für die Jugendklassen und die Youngster zuständig. In Simon Bieberle rückt ein weiteres Mitglied nach im Bereich Rennleitung. Blümer gibt die Zielflagge ab, klettert vom Zielsprung herunter. „Das war es“, sagt er. Mit dem Rennen hat er auch seinen Job an der Strecke abgewunken. THOMAS OBERDORFER

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Erstellt:
17. September 2019

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