Soja zieht sich den Stickstoff selbst aus der Luft

Ob Sojamilch, Sojajoghurt oder Tofu – insbesondere Vegetarier und Veganer greifen beim Einkauf gern zu Soja-Produkten als pflanzliche Eiweißquelle. Soja ist als Fleischersatz gefragt. Sojaöl geht außerdem in die Herstellung von Biodiesel, wird aber auch im Haushalt als Salatöl oder Bratfett verwendet. Doch hauptsächlich landet die proteinreiche Hülsenfrucht – sie enthält rund 37 Prozent Eiweiß – als Futter in der Tierproduktion. Landwirt Helmut Kayser schätzt die Vorteile dieser Leguminose – allerdings nicht bei der Tiermast. Er setzt auch beim Fruchtwechsel auf sie und kultiviert sie in Tailfingen.

Von Simone Denu

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Helmut Kayser wartet eine seiner LandmaschinenGB-Fotos:Holom/gb

Helmut Kayser wartet eine seiner Landmaschinen GB-Fotos: Holom/gb

Weltweit werden laut Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg 350 Millionen Tonnen Soja auf 121,5 Millionen Hektar Fläche erzeugt. Rund 80 Prozent der produzierten Menge stamme aus gerade mal drei Ländern: den USA, Brasilien und Argentinien. In Verruf geriet die Sojabohne aus Südamerika, weil für ihren Anbau großflächig Regenwald abgeholzt wurde – und dies auch noch wird.

In Deutschland wird die Hülsenfrucht im Vergleich dazu in eher homöopathischen Mengen angebaut: In der gesamten Bundesrepublik sind es 48000 Tonnen (auf 19000 Hektar) und in Baden-Württemberg 18000 Tonnen (auf 7000 Hektar). „Salopp gesagt, kommt jede dritte Sojabohne, die in Deutschland erzeugt wird, aus Baden-Württemberg“, erklärt der Sprecher des Wirtschaftsministeriums angesichts der Daten. „Soja will es eher warm“, informiert er. Insofern liege der Produktionsschwerpunkt von Soja in Deutschland im Rheingraben, im Bereich Stuttgart/Heilbronn, der Region Hohenlohe, um Tübingen und am Bodensee. Im Kreis Böblingen befinde sich der Schwerpunkt im Bereich der südwestlichen Gemeinden. „Wo es milder ist, bringt Soja in Deutschland gute Erträge“, lautet das Fazit aus dem Agrarministerium. „Der Anbau von gentechnikfreien Sojabohnen bietet unseren Bauern eine wirtschaftliche Perspektive und bereichert die Fruchtfolgen und die Artenvielfalt auf den Feldern im Südwesten“, urteilt Landwirtschaftsminister Peter Hauk.

Helmut Kayser ist beim Landratsamt Böblingen als Pflanzenproduktionsberater tätig und zudem zuständig für das „Zentrale Versuchsfeld“ von Landratsamt Böblingen und Tübingen. „Hier finden auch Sortenversuche mit Soja statt“, erklärt der Agraringenieur. Auf 7,5 Hektar sind jährlich 2,5 Hektar reine Sortenversuchsflächen. Und so werden auf dem Versuchsfeld 17 landwirtschaftlich relevante Kulturen – vom Winterraps über Hafer bis zu Mais – schachbrettartig angebaut. Rund 0,2 Hektar Fläche sind der Ölpflanze vorbehalten. Der Tailfinger schätzt, dass im Kreis Böblingen auf insgesamt rund 50 Hektar Sojabohnen gepflanzt werden.

Im eigenen Betrieb hat Helmut Kayser zwei bis drei Hektar Ackerboden für die Sojabohnen reserviert. Der 65-Jährige hatte nach einer „Hackfrucht“ in der Fruchtfolge gesucht – also eine Frucht, die, wie Rüben, Raps oder Kartoffeln früher mit der Hacke bearbeitet wurde. Innerhalb dieser Auswahl hat er sich für Soja entschieden. Getreidekrankheiten, erläutert Kayser einen Vorzug, könnten beispielsweise nicht auf Hackfrüchte übertragen werden. Ein Fruchtwechsel komme der Pflanzengesundheit zugute. „Damit können die unterschiedlichen Ansprüche der Pflanzen ausgeglichen werden.“ Der Massenvermehrung von Spezialkrankheiten und Schädlingen einer bestimmten Sorte werde vorgebeugt, erläutert der Tailfinger.

Gerne werde auch Raps in der Fruchtfolge angebaut. Gegenüber Raps habe Soja aber den Vorteil, dass es weniger anspruchsvoll sei. Kayser: „Pflanzenschutz und Düngung sind beim Raps sehr aufwendig.“ So sei Raps mittlerweile gegen gängige Insektizide resistent. Die Sojabohne habe hierzulande den Vorzug, „keine Probleme mit Schädlingen“ zu haben. Allerdings lasse sich eine solche Entwicklung für die Zukunft nicht ausschließen: „Die USA haben bei Soja Schädlingsprobleme.“

Sojabohnen werden spät erntereif

„Sojabohnen kommen mir vom Arbeitsablauf her entgegen“, schildert Kayser, der aus einer landwirtschaftlichen Familie in Böblingen stammt. Sommergerste und -hafer würden etwa Mitte bis Ende März gesät werden, Sojabohnen hingegen rund einen Monat später. Ähnlich verhalte es sich bei der Ernte: Das Getreide sei bereits Ende Juli oder Anfang August an der Reihe, die Sojabohnen seien erst Ende September erntereif. „Das entzerrt arbeitswirtschaftlich.“ Sojabohnen, erklärt Kayser weiter, seien recht kälteempfindlich. „Das ist auch der Grund, warum sie erst sehr spät gesät werden können.“ Aus diesem Grund erhalte man hier auch nicht „die großen Erträge, wie anderswo“. Helmut Kayser ist überzeugt, dass die Pflanzenzüchter rund um die Sojabohne aktiv werden würden und Kreuzungen schaffen würden, „die früher reif sind“. Der Agraringenieur verweist darauf, dass mit wärmeliebendem Mais ein ähnliches Problem bestanden habe: „Man konnte ihn ursprünglich hier nicht anbauen.“ Die Hauptsorte wuchs zunächst nur im Rheingraben. Durch die Züchtung neuer Sorten habe sich der Mais jedoch „unheimlich verbreitet“: Mittlerweile könne man ihn auch im Schwarzwald „auf bis zu 700 Meter hinauf anbauen“. Auch bei Soja stellte sich bereits eine Entwicklung in diese Richtung ein. „Die Sorten sind bereits früher reif und ertragsstärker.“

Zusätzlicher Pluspunkt bei der Ölpflanze: „Mit den Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln können sie Stickstoff aus der Luft binden und sich selbst mit dem Nährstoff versorgen.“ Der Agraringenieur muss keinen Mineraldünger kaufen und ausbringen. Phosphat und Kalidünger lässt er seinen Pflanzen über Pferdemist zukommen. Dieser entsteht im eigenen Betrieb: In den 80er Jahren kaufte Kayser einen Tailfinger Aussiedlerhof, der in eine „komplette Reitanlage“ mit Pensionspferdehaltung und Pferdezucht umgewandelt wurde.

Einzig nötig zur Behandlung der Sojabohnen sei ein Herbizid, so Kayser. Sowohl Soja als auch Raps würden für einen „relativ späten Lückenschluss“ auf dem Feld sorgen. „Solange die Beschattung durch die Pflanze fehlt, ist der Druck sehr groß, dass Unkraut wächst.“ Ein Herbizid komme nach der Saat zum Einsatz – allerdings nicht das „Totalherbizid“ Glyphosat, wie Kayser betont.

Überwiegend gentechnisch veränderte Sojabohnen, die resistent sind gegen das Herbizid Glyphosat, werden bei den Hauptproduzenten in Amerika angebaut: Die Sojabohnen dort seien „komplett auf Glyphosat abgestimmt“, so Kayser..

Im Jahr 2014 kam das EU-Gesetz zum Tragen, wonach fünf Prozent der Ackerfläche eines Landwirts, sofern er über eine Ackerfläche von mehr als 15 Hektar verfügt, als Greening-Fläche ausgewiesen werden musste. Damit können Landwirte Ökopunkte für Subventionen sammeln. Allerdings habe es aus Sicht von Kayser in diesem Jahr einen „Dämpfer“ gegeben: Auf sogenannten ökologischen Vorrangflächen, für die besonders viele Ökopunkte verteilt werden, dürften jetzt keine Herbizide mehr eingesetzt werden. „Da werden einige beim Sojaanbau abspringen“, vermutet Kayser. Denn, sagt er: „Ohne Pflanzenschutz lässt sich die Sojabohne nur schwer bewirtschaften.“ Für seinen eigenen Anbau der Ölpflanze spiele die Gesetzesänderung keine Rolle: „Bei mir passt Soja in die Zuchtfolge – darum kann ich auch mit dem Herbizid behandeln.“ Um Greening und Ökopunkte sei es ihm bei seiner Wahl, Soja anzubauen, schließlich nicht gegangen. Kayser hat keine Verwendung für Sojabohnen auf seinem Hof – er verkauft sie über die BayWa.

Elisabeth Kenntner-Scheible, Betriebsleiterin auf dem Hofgut Mauren (Ehningen), hingegen nutzt die proteinreiche Pflanze als Futtermittel. Zunächst bezog sie das Soja fürs Tierfutter aus Südamerika. Da auf dem Hof aber gentechnikfrei erzeugtes Futter verwendet werden sollte, setzte der Familienbetrieb schließlich auf den eigenen Sojaanbau. „Wir haben auf zwei Hektar ganz klein damit angefangen“, schildert Kenntner-Scheible. Jetzt wird auf 13 bis 15 Hektar Soja angepflanzt. Seit drei Jahren muss nichts mehr zugekauft werden. Bei den Legehennen kommen 20 bis 25 Prozent Soja neben Weizen in die Futtermischung, bei den Hähnchen sind es etwas weniger, bei den Schweinen liegt der Sojaanteil mit 15 Prozent, der der Gerste zugemischt werde, etwas darunter. „So haben wir einen Einblick in das, was die Tiere fressen.“

Mittlerweile wird auf dem Hofgut die Vollbohne verarbeitet – was der Tiergesundheit zugutekomme. Damit das Eiweiß von den Tieren aufgeschlossen werden könne, müssten die Bohnen „getoastet“ werden. Dazu wird auf ein Unternehmen aus Schöntal zurückgegriffen, das Landwirte mit einem „Mobilen Sojatoaster“ anfährt, der etwa zwei bis drei Tonnen Sojabohnen pro Stunde „toasten“ kann. Das bedeutet: In dem „Toaster“ werden die Bohnen vor Ort auf 120 Grad erhitzt und in einen mitgeführten Silo weitergeleitet, in dem sie rund eine Dreiviertelstunde „gleichmäßig durchziehen“ müssen, wie Rainer Möhler, einer der Chefs der Sojatoasterei, schildert. Im Anschluss werden die Bohnen, die durch die Erhitzung auch ihre Bitterstoffe verlieren, abgekühlt. „Anschließend sind die Bohnen bis zu einem Jahr lagerfähig.“

Auf dem Hofgut Mauren wird Ende Dezember oder Anfang Januar getoastet. Einmal pro Monat wird mit einer ebenfalls mobilen Schrotmühle die Sojabohne geschrotet. „Dadurch wird das Futter immer frisch gemacht.“

Auf rund 50 Hektar Fläche werden Sojabohnen im Kreis Böblingen angepflanzt

Auf rund 50 Hektar Fläche werden Sojabohnen im Kreis Böblingen angepflanzt

Soja zieht sich den Stickstoff selbst aus der Luft

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Erstellt:
9. Mai 2018

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