Sorge um den Fortbestand des Zuckerrübenanbaus wächst

Bis zu 25 Prozent weniger Ernteergebnis pro Hektar erwarten die Zuckerrübenbauern im Gäu. Aufgrund des heißen und trockenen Sommers ist der Zuckergehalt der Rüben zwar höher als im Vorjahr. Die Früchte jedoch sind kleiner. Stellenweise kam eine Blatterkrankung hinzu. Der Zuckerpreis am Weltmarkt ist so tief wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Landwirte und ein Sprecher von Südzucker bedauern den Wegfall der Zuckermarktordnung im vergangenen Jahr.

Von Anke Kumbier

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Zuckerrüben werden bei Oberjesingen verladen – in diesem Jahr fällt die Ernte geringer ausGB-Foto (Archiv): Holom

Zuckerrüben werden bei Oberjesingen verladen – in diesem Jahr fällt die Ernte geringer ausGB-Foto (Archiv): Holom

„Ein ehemals sehr gutes Standbein wurde angesägt“, meint Ernst-Martin Schäberle aus Tailfingen. Er rechnet mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen bei der Rübenernte, sagt aber auch: „Das Obere Gäu ist mit einem blauen Auge davongekommen.“ Die Entwicklungen am Zuckermarkt sieht er „rabenschwarz“. Momentan seien die Preise am Weltmarkt desaströs, erklärt auch der Sprecher von Südzucker. Andere Länder wie Brasilien, Thailand und die USA setzten Marktordnungen ein, die EU hingegen nicht mehr. „Das macht sich hier in Deutschland bemerkbar.“ Zwar sei der niedrige Preis ein Jetzt-Zustand, der Sprecher geht jedoch von keinen wesentlichen Änderungen bis Anfang 2019 aus.

Weniger Rüben wegen Trockenheit

Die Nachfrage nach Zucker wachse zwar, doch die Versorgung am Markt sei immer noch höher als die Nachfrage. „Infolge der Trockenheit gehen wir von 66 Tonnen Rüben pro Hektar aus – gut 25 Prozent weniger als im Vorjahr. Der höhere Zuckergehalt wird diesen Ertragsrückgang nicht kompensieren können“, schätzt Harald Wetzler vom Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer die Lage ein. Die Preise, welche die Bauern für die diesjährige Ernte erhalten, entscheiden sich erst im Mai 2019. Anlässlich des heißen Wetters machte sich darüber hinaus verstärkt die Blatterkrankung Cercospora breit. Sie kann sich ebenfalls ertragsmindernd auswirken. Als Vorbereitung auf die Auflösung der Zuckermarktordnung in der Europäischen Union erhöhten die Landwirte ihre Anbauflächen. Ob das für den einzelnen Betrieb viel bringe, fragt sich Ernst-Martin Schäberle. Es helfe vor allem Südzucker, größere Mengen zu produzieren. Der Sprecher des Unternehmens erklärt, dass Südzucker seine Produktion, so wie andere auch, hochgefahren habe. Die Hoffnung, die dahinter steckt: Nach zwei bis drei Jahren, werden die „schlechten“ Zuckerproduzenten aussteigen. „Das Ganze ist bei diesen Preisen nicht mehr attraktiv“, meint ein Rübenanbauer aus dem Gäu. Für 2019 seien die Verträge mit Südzucker schon abgeschlossen. „Wenn es so bleibt, wird jedoch der ein oder andere die Fruchtfolge umstellen“, vermutet er. Das komme ganz auf die Gunst des Standorts an.

So aufwendig in der Pflege wie die Zuckerrübe sei keine andere Frucht. Der hohe Aufwand rechne sich irgendwann nicht mehr. „Jede kurzfristige Reaktion ist nicht zukunftsorientiert“, mahnt Wilhelm Dengler aus Sindlingen. „Wenn wir aussteigen, fehlt Südzucker die Produktionsgrundlage.“ Dann müsse das Unternehmen womöglich schließen. Vor 50 Jahren habe es noch in Böblingen eine Zuckerfabrik gegeben. Inzwischen konzentriere sich alles auf Offenau. In ganz Baden-Württemberg nehme die Rübe im Gäu eine Spitzenposition ein. „Sie ist eine der tragenden Säulen“.

Seitens der Landwirte sieht Dengler allerdings kaum Einsparungsmöglichkeiten. Der Zuckerrübenanbau sei mit den Rode- und Abfuhrgemeinschaften bereits sehr gut organisiert. „Da kann man gar nichts mehr rationalisieren“, meint er etwas hilflos. An einem Transport der Rüben mit dem Zug sei die Bahn – anders als früher – nicht interessiert.

Wilhelm Dengler bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel und erklärt, dass EU-Regionen mit schlechteren Erträgen Beihilfen erhielten, was doch wieder zu einer Wettbewerbsverzerrung führe. Tatsächlich werden in manchen Ländern Prämien für den Rübenanbau ausgezahlt. Eine Studie der Universität Wageningen (Niederlande) sieht eine negative Auswirkung dieser Prämienzahlung auf die Preisentwicklung.

Kaum Auswirkungen auf den Zuckerpreis hat hingegen die Freigabe von Isoglucose für bestimmte Lebensmittel. Dieser Zucker wird aus Stärke gewonnen, als Grundlage dienen Mais und Weizen. Bis September 2017 regelte die Zuckermarktordnung, wie viel Isoglucose produziert werden darf. Auch diese Beschränkung ist mit der Aufhebung der Ordnung weggefallen. „Das merken wir nicht“, meint der Sprecher der Südzucker AG.

Zum einen könne man Isoglucose nicht in allen Produkten einsetzen, zum anderen sei der Zuckerpreis so desaströs, dass ein Austausch nicht sinnvoll sei. In Zukunft befürchte man in dieser Hinsicht keine großen Mengenverschiebungen. Ernst-Martin Schäberle hält die Auswirkungen der Isoglucose ebenfalls für marginal.

Die Landwirte trauern der Marktordnung nach. „Sie hat für Sicherheit und Stabilität gesorgt“, betont Dengler. Nun sei die Unsicherheit groß. „Ich weiß nicht, was global passieren wird.“ Mit der Zuckerquote sei es eine schöne Sache gewesen: „Es war planbar“, hebt ein anderer Zuckerrübenanbauer hervor. Dengler stellt die Wichtigkeit der Zuckerrübe für die Zukunft hervor. „Der Zuchtfortschritt ist hoch und sie kommt mit den Klimaveränderungen zurecht.“

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Erstellt:
24. Oktober 2018

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