„Städtegründungen waren damals in Mode“

Die Gründung der Stadt Herrenberg lässt sich bis ins 13. Jahrhundert hinein zurückverfolgen. Doch was genau ist darüber sicher bekannt und belegt? Gibt es überdies heute noch erhaltene Spuren, die auf diese Zeit verweisen?

Von Christiane Hornung

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Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

Um das Jahr 1170 herum wartete die Region mit einer noch unbebauten Landschaft auf, lediglich der Weinberg, der Herrenberg seinen Namen verleihen sollte, war bereits angelegt worden. Der Weinanbau selbst kam einst mit den Römern nach Württemberg, stagnierte dann jedoch und wurde erst von den Hirsauer Mönchen Mitte des zwölften Jahrhunderts wiederentdeckt. Zunächst einmal konnten sich lediglich die adelige Oberschicht sowie die Mönche dem teuren Weinanbau widmen, die Pfalzgrafen von Tübingen hielten ihre Leibeigenen an, die Zutaten für die edlen Tropfen auch am Trauf des Schönbuchs zu kultivieren. Flurnamen wie Mönchberg, der Grafenberg, aber auch Herrenberg, abgeleitet von „des Herren Berg“ deuten noch auf diese Begebenheit hin.

In dieser Zeit soll es sich, so beschreibt dies zumindest der Tübinger Historiker und Universitätsprofessor Sönke Lorenz, zugetragen haben, dass ein Kaufmannszug bei Möhringen überfallen wurde. Drei Straßenräuber wurden gefasst, zwei davon befanden sich im Dienste des Tübinger Pfalzgrafen, der Dritte im Bunde war den Welfen, die seinerzeit einen süddeutschen Zweig besaßen, unterstellt. Pfalzgraf Hugo indes verurteilte den Welfendiener und ließ ihn hängen, woraufhin er sich den Zorn des Herrschers einhandelte. Dieser fiel schlussendlich in das pfalzgräfliche Gebiet ein, neben Pfalzgrafenweiler bekamen Hildrizhausen und Gültstein den Zorn des Adeligen zu spüren und wurden zerstört.

Die Pfalzgrafen waren in der Folge wiederum dazu gezwungen, ihr Gebiet abzusichern, eine Aufgabe, die durch die spätere Stadt am Schönbuchrand mit ihrer Burg, den zahlreichen Soldaten und wehrhaften Männern übernommen werden konnte. Bis dato sind die genauen Begebenheiten jedoch nur Vermutungen, „es existieren keine Urkunden, nicht einmal Fälschungen, die damals gang und gäbe waren“, so Siegfried Großmann, Gästeführer im Herrenberger Fruchtkasten. Vom zeitlichen Ablauf her indes erscheint die Rekonstruktion der Anfänge der Stadt plausibel, denn zumindest die kriegerischen Begebenheiten sind im Kaiserlichen Archiv in Wien belegt. Erst ab dem 13. Jahrhundert finden sich tatsächlich schriftliche Belege Herrenbergs, rund um das Jahr 1200 muss mit dem Bau des Schlosses begonnen worden sein, dessen erste urkundliche Erwähnung auf das Jahr 1228 datiert werden kann. Die Stadt selbst ist im Jahr 1278 erwähnt, die erste Nennung eines Herrenberger Bürgermeisters lässt sich indes in das Jahr 1250 zurückverfolgen. „Städtegründungen waren damals in Mode“, fügt Siegfried Großmann hinzu.

Struktur der Stadt ist bis heute geblieben

Als das Schloss erbaut worden war, wurde schnell der Bedarf nach Handwerkern laut, die wiederum eine Stadt zum Leben und Arbeiten brauchten. Niederadeligen Familien wurde das Angebot unterbreitet, ihre Söhne nach Herrenberg zu schicken, am Marktplatz erhielt die künftige Stadtführung ihre Grundstücke, das ehrbare Handwerk siedelte entlang der drei Hauptachsen Tübinger Straße, Nufringer- und Bronngasse. Da die Landwirtschaft nichtsdestotrotz allgegenwärtig war, konnten sich die wohlhabenden Bürger Scheunen in der Spitalgasse leisten, Frosch- und Badgasse bildeten indes das Armeleute-viertel, in dem Tagelöhner und Taugenichtse hausten. Als Treiber verdingten sie sich auch im Zuge der adeligen Jagdvergnügen, wovon etwa der Name der Hirschgasse gegenwärtig erzählt. Geblieben ist die Struktur der Stadt, die im Zuge ihrer Gründung etabliert wurde, bis heute, nach der Gründung des Stifts erfuhr sie zudem eine Erweiterung durch Burgrain und Rathausgasse. Von großer Beständigkeit war die Führungselite der Stadt im Gegensatz zu den Handwerkern und Bauern jedoch nicht geprägt.

Ein weiteres Indiz für den zeitlichen Verlauf der Gründung und Besiedelung Herrenbergs liefern zudem die beiden einstigen Ansiedlungen Mühlhausen und Raistingen, von deren Existenz heute noch die beiden nach den Dörfern benannten Straßen zeugen. Dass die beiden Ansiedlungen aufgegeben wurden, hängt dabei eng mit der Stadtgründung zusammen, während die ältere Generation noch in Mühlhausen und Raistingen ausharrte, zog es die jungen Bürger nach Herrenberg, der Nachwuchs kehrte den Dörfern den Rücken. Auch hier existieren keine Urkunden über jenen Zeitraum, als die Ansiedlungen verlassen wurden, das Wissen steht und fällt mit tatsächlichen Befunden und Zeugnissen wie dem Torbogen des Mühlhausener Friedhofs, der sich bis heute nahe des Tennisplatzes erhalten hat. Bis 1330/40 wurde der Friedhof genutzt, denn erst mit der Ernennung zur Pfarrkirche erhielt die Stiftskirche das Begräbnisrecht, das die Mühlhausener Kirche zuvor innegehabt hatte. „Nach katholischer Lehre gehört der Mensch zu seiner Kirche im Leben und im Tod“, begründet Siegfried Großmann, „daher musste er auf dem Friedhof einer Pfarrkirche begraben sein.“ Auch wenn die Mühlhausener Kirche in der Folge zu einer Kapelle „herabgestuft“ wurde, blieb das Begräbnisrecht für Haslach weiter bestehen, „daher sind Mauer und Torbogen noch erhalten“.

Sicher beurkundet ist der auf Schloss Herrenberg regierende Pfalzgraf Rudolf II aus dem hochgestellten Tübinger Adelsgeschlecht für das Jahr 1228, „er konnte jedoch weder lesen noch schreiben“, so Siegfried Großmann.

Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

Nikolaus Ochsenbach zeichnete 1620 Herrenberg und das Schloss (Bilder rechts und links). Auch 1537 (oberes Bild) ist eine Darstellung Herrenbergs entstanden GB-Fotos: gb

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Erstellt:
21. August 2019

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