Tragisches Ende einer Polizeikontrolle

Tragisches Ende einer Polizeikontrolle: Ein 45-jähriger Mann, der mit dem Einsatz zunächst überhaupt nichts zu tun hatte, starb am frühen Sonntagmorgen in der Raistinger Straße in Herrenberg.

Von Konrad Buck

Lesedauer: ca. 2min 59sec
Die „Stadtwerk“-Bewohner gedenken des 45-Jährigen, der in einer Wohn-gemeinschaft des Mehrgenerationenprojekts lebte GB-Foto: Bäuerle

Die „Stadtwerk“-Bewohner gedenken des 45-Jährigen, der in einer Wohn-
gemeinschaft des Mehrgenerationenprojekts lebte GB-Foto: Bäuerle

In der Idylle des Herrenberger Mehrgenerationenprojekts Stadtwerk an der Ecke Horber/Raistinger Straße deutet auf den ersten Blick nichts auf den tragischen Vorfall hin, der sich bereits am frühen Sonntagmorgen zugetragen hatte. Lediglich die Szenerie, die auf einer Rampe vorzufinden ist, lässt etwas von den tragischen Geschehnissen erahnen: Mit Blumen und Kerzen gedenken die 125 „Stadtwerk“-Bewohner eines 45-jährigen Mannes, der in einem der beiden Mehrgenerationenhäuser in einer Wohngemeinschaft lebte und am Sonntagmorgen jäh aus dem Leben schied. „Friede sei mit dir“: Diese Worte sind auf einem kleinen Kürbis eingraviert.

Gegen 5.25 Uhr nahmen zwei Beamte des Polizeireviers Herrenberg am Sonntagmorgen eine Fahrzeugkontrolle in der Raistinger Straße vor – ein Routine-Einsatz, wie es zunächst schien. Laut Polizei-Angaben kam aber unvermittelt ein unbeteiligter 45-Jähriger hinzu. Der Mann führte einen Motorradhelm mit sich, war aber zu Fuß unterwegs. Plötzlich habe er die Polizisten zunächst verbal angegangen und sie beleidigt, so schildern die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Polizeipräsidium Ludwigsburg den Gang der Dinge. Danach habe der Mann die Beamten mit dem Motorradhelm zu schlagen versucht und habe Aufforderungen ignoriert, sein Tun zu beenden. Die Polizisten hätten sich deshalb gezwungen gesehen, Pfefferspray einzusetzen, den 45-Jährigen zu Boden zu bringen und ihm Handschellen anzulegen. Danach, so geht aus dem Polizeibericht hervor, bemerkten die Einsatzkräfte, dass der Mann unter Atemproblemen litt, setzten ihn auf und nahmen ihm die Handschellen ab. Weil der 45-Jährige plötzlich kollabiert sei, hätten die Beamten unverzüglich mit Reanimationsmaßnahmen begonnen. Als die alarmierten Rettungskräfte eintrafen, setzte ein Notarzt die Reanimation fort – allerdings erfolglos. Der 45-Jährige starb noch am Einsatzort nahe seiner Wohnung. „Ich habe gesehen, wie man den Mann wiederzubeleben versucht hat. Danach lag aber ein weißes Tuch über ihm“, erzählt eine „Stadtwerk“-Bewohnerin.

Weshalb die Situation derart eskaliert ist, ist noch nicht geklärt – unklar ist, ob es sich überhaupt jemals klären lässt. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten weiter mit, dass der 45-Jährige psychisch krank gewesen sei und auch Medikamente eingenommen habe. „Ich habe gehört, dass er durchgedreht sei und rumgeschrien habe“, erzählt ein Bewohner. Der Verstorbene sei „ein sehr netter Mann gewesen, der viel Ordnung geschaffen und immer gute Laune verbreitet hat. Wir mochten ihn alle sehr gerne“, ergänzt der Bewohner. Auch die Vermieterin der WG betont, dass sie den 45-Jährigen „als netten Mann geachtet“ habe, „der aktiv war und viel auf die Beine gestellt hat“. Bei der Wohngemeinschaft, in der er lebte, handle es sich um „eine ganz normale WG“. Auch am Samstagabend habe sich der Mann nicht auffällig verhalten. Ob sich der 45-Jährige aber am darauffolgenden Tag einer psychischen Ausnahmesituation ausgesetzt sah und möglicherweise in Panik geriet, als er die Polizisten erblickte? Andere „Stadtwerk“-Bewohner berichten, der Mann habe am frühen Sonntagmorgen mit Stühlen „rumgefuhrwerkt“. Unklar ist und bleibt wohl auch, weshalb der 45-Jährige zu der Polizeikontrolle hinzustieß, obwohl die Kontrolle gar nicht ihm galt.

Staatsanwaltschaft geht von
einer medizinischen Ursache aus

Die Staatsanwaltschaft hat ein „Todesermittlungsverfahren“ eingeleitet. „Dies dient dazu, die Todesursache festzustellen“, erklärte Staatsanwältin Claudia Krauth. Das Verfahren richtet sich nicht gegen die beiden Polizeibeamten, denn derzeit deute nichts darauf hin, dass der plötzliche Tod des 45-Jährigen ursächlich mit dem Einsatz in Verbindung stünde, so Staatsanwältin Claudia Krauth: „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Polizisten etwas falsch gemacht haben.“ Am Leichnam seien auch keine Verletzungen zu erkennen gewesen, die auf Gewalt hindeuten. Eine von der Staatsanwaltschaft Stuttgart angeordnete Obduktion ergab am Dienstag, dass sich die Todesursache bislang abschließend nicht feststellen lässt. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen von einer medizinischen Ursache aus, möglicherweise Herzversagen. Die medizinischen Untersuchungen seien aber noch nicht abgeschlossen.

Die beiden Polizisten sind vorerst dienstunfähig – „unter dem Eindruck der Geschehnisse“, wie Polizei-Pressesprecherin Yvonne Schächtele auf „Gäubote“-Anfrage sagte.

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Erstellt:
18. September 2019

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