Umgang mit Coronavirus stimmt bedenklich

Mit den Pokalspielen der ersten Runde startet der Württembergische Fußballverband (WFV) an diesem Wochenende in die neue Runde 2020/21. Rechtzeitig davor hat der Verband eine Meldestelle für Covid-19-Verdachtsfälle eingerichtet.

Von Andreas Gauss

Lesedauer: ca. 3min 25sec
Pokalsieger SV Deckenpfronn bemüht sich beim Jubelbild in Dagersheim, ein wenig den Mindestabstand einzuhalten GB-Foto: Drofitsch/Eibner

Pokalsieger SV Deckenpfronn bemüht sich beim Jubelbild in Dagersheim, ein wenig den Mindestabstand einzuhalten GB-Foto: Drofitsch/Eibner

Und Thomas Proksch, Abteilungsleiter Spielbetrieb beim WFV, appelliert bezüglich des ausgegebenen Hygienekonzeptes im Zuge der Corona-Krise eindringlich an alle Clubs: „Vermutlich werden uns Entscheidungen abverlangt, die viel Fingerspitzengefühl erfordern.“ Auf Bezirksebene wurde dies am vergangenen Sonntag bei den nachgeholten Bezirkspokal-Endspielen bei den Männern und Frauen besonders deutlich. Während auf dem Kuppinger Sportplatz, dort wurde das Frauenfinale ausgerichtet, die rund 300 Besucher am Grashang entlang des unteren Hauptspielfeldes zumeist dicht an dicht standen und sich bei leichtem Nieselregen nicht selten zu zweit unter einem Regenschirm sammelten, gab es im Dagersheimer Waldstadion beim Männerfinale quasi das komplette Kontrastprogramm.

Gerhard Kerschagel, Stadionsprecher des TSV Dagersheim, wies am vergangenen Sonntag mehrmals durchs Mikrofon darauf hin, dass die Zuschauer auf der Tribüne sich so hinsetzen sollen, dass zwischen jeder Person ein Platz frei ist. Sogar persönlich ging Kerschagel vor Anpfiff durch die Reihen und wies zudem offensichtliche Familienverbünde darauf hin, dass sie sich doch auseinandersetzen und so eine Vorbildfunktion einnehmen sollen.

Das obligatorische Siegerfoto mit jubelnder Spielertraube wurde den Deckenpfronnern von Bezirkschef Richard Armbruster (Bondorf) und Pokalspielleiter Helmut Dolderer (Wildberg) mit höflichen Worten untersagt. So stellte sich der Überraschungssieger (3:1 gegen den GSV Maichingen) in drei Reihen und zum Teil mit einem knappen Meter Abstand hintereinander zum Siegerbild auf. Die Nufringer Frauen, die in Kuppingen die nach einem fulminanten Spiel die SG Grafenau/Weil der Stadt mit 5:1 schlugen und zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Pokalsieger wurden, ließen dagegen ihren Emotionen freien Lauf und stellten sich dicht an dicht in Jubelpose den Fotografen.

Freilich: Dicht besetzte Reservebänke, Torjubel mit mehreren Spielern gab es schon in den vergangenen Wochen. In den engen Abstimmungsgesprächen mit dem baden-württembergischen Kultusministerium wurde Thomas Proksch, der beim Verband als Corona-Beauftragter fungiert, schon mit solchen Fotomotiven konfrontiert. Nicht zuletzt deswegen hat der Verband bereits am 23. Juli eine digitale Schulung zum WFV-Hygienekonzept vorgenommen. Proksch zuckt auf Anfrage des „Gäubote“ mit den Schultern: „So wie gerade die öffentliche Wahrnehmung ist, mit den Partys, den Demonstrationen auf der Straße und den Jugendlichen, die sich um die Vorsichtsmaßnahmen kaum scheren, spiegelt sich das natürlich auch bei uns im Fußball wider.“ Dass momentan auf den Sportplätzen im Land eine Schere aufgeht, hat auch Helmut Dolderer beobachtet: „Es gibt Vereine, die setzen es vorbildlich um und manche tun so, als ob sie das alles nichts angeht, die kümmern sich überhaupt nicht darum.“

Auch WFV-Verbandsmitarbeiter Arne Bauer sprach in einer Pressemitteilung, die Mitte dieser Woche übers WFV-Postfach an die Vereine versandt wurde, Klartext: „Bei aller Euphorie um behördliche Lockerungen und die Rückkehr auf die Fußballplätze macht die Entwicklung der Fallzahlen in den vergangenen Wochen deutlich: Das Coronavirus ist noch da und wird uns auch weiterhin beschäftigen.“

Gerade weil jetzt viele Reiserückkehrer wieder zu ihren Fußballmannschaften stoßen, fordert der Verband höchste Aufmerksamkeit von den Vereinsverantwortlichen. Schon bei Verdachtsfällen oder wenn man erfährt, dass sich der eine oder andere Kicker in einem als Risikogebiet eingestuften Land aufgehalten hat, sollte mit dem zuständigen Gesundheitsamt Kontakt aufgenommen werden. Der Verein ist zudem verpflichtet, in einem zweiten Schritt auch den WFV über den Corona-Fall zu informieren. Dazu wurde seit Mittwoch ein Online-Meldeformular auf der Homepage des Verbands eingestellt. Thomas Proksch betont: „Auch Verdachtsfälle können, beziehungsweise müssen, gemeldet werden.“ Zudem hat der WFV eine Taskforce eingerichtet, die nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) die Situation bewertet.

Neben den geltenden Abstandsregeln und dem Betreten der Sportplätze mit Mundschutz bis zur Einnahme des Sitz- oder Stehplatzes ist vor allem die Dokumentation wichtig. Zuschauer müssen ihren Namen und eine Kontaktnummer (Handy/Telefon) oder eine Adresse angeben. Aus Datenschutzgründen sind die Vereine verpflichtet, diese in einer Anwesenheitsliste eingetragenen Angaben nach vier Wochen zu löschen. „Einige findige Vereine stellen bereits schon ein Online-Anwesenheitsformular ins Netz, das die Besucher ausgefüllt mitbringen können“, hat Thomas Proksch beobachtet. Die Spieler, die Vereinsfunktionäre und das Betreuerpersonal drumherum sind bereits durch den elektronischen Spielbericht vorab erfasst.

Manche Vereine tragen den Umgang mit Vorschriften und Anordnungen mit Fassung. Für den TV Darmsheim wäre eigentlich das Pokalerstrundenspiel am Samstag gegen den Oberligisten SSV Reutlingen das große Los gewesen. Jetzt hat der Club die Eintrittskarten für die Partie auf dem Eichelberg für beide Vereine auf jeweils 100 Personen beschränkt. Für die Zuschauer herrscht in den Warteschlangen an der Kasse und am Würstchenstand Maskenpflicht. Darmsheims Abteilungsleiter Roger Gann kann mit den Einschränkungen leben: „Es bringt nichts, jetzt Trübsal zu blasen. Die Situation im März mit dem abrupten Lockdown war doch viel schlimmer. Ich halte es für sehr wichtig, dass jetzt wieder Fußball gespielt werden kann.“

Zum Artikel

Erstellt:
7. August 2020

Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.