Vision von autonom agierenden Roboterflotten

Wo Kulturpflanzen gedeihen, da gedeiht auch das Beikraut – und oftmals viel besser als die zarten jungen Pflänzchen, die da eigentlich wachsen sollen. Im Hausgarten mit seinen überschaubaren Beetgrößen rückt der Hobbygärtner dem Unkraut am besten mit der Hacke zu Leibe und verbessert dabei gleichzeitig die Bodengare. Sind aber große Flächen zu bearbeiten, wird das manuelle Hacken schnell zur allzu zeitaufwendigen und arbeitskraftbindenden Aufgabe.

Von Jutta Krause

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Hackroboter „DINO“ einer französischen Firma: Christian Kirchhoff stellt den Roboter beim Tag der offenen Tür auf dem Ihinger Hof vorGB-Foto: siz

Hackroboter „DINO“ einer französischen Firma: Christian Kirchhoff stellt den Roboter beim Tag der offenen Tür auf dem Ihinger Hof vorGB-Foto: siz

In der Landwirtschaft wie im Gartenbau setzt man deshalb schon seit langer Zeit auf den Einsatz von Herbiziden – auf Mittel, die Pflanzen schädigen und abtöten. Aufgrund der Risiken – etwa der Gefahr für die biologische Vielfalt, der Anreicherung von Wirkstoffen im Boden und der zunehmenden Resistenzenbildung – sind diese in den letzten Jahren zunehmend in Verruf geraten. Im biologischen Anbau sind Herbizide nicht zugelassen.

Auf der Suche nach gangbaren Lösungen für den Erwerbsanbau wird deshalb seit einigen Jahren die Entwicklung von hochpräzisen Hackgeräten vorangetrieben. Wie Staubsauger- und Mähroboter in Privathaushalten oder intelligente Maschinen in der industriellen Fertigung soll ein Heer von Hackrobotern auf die Felder ausschwärmen und diese unkrautfrei halten. Perfekt programmiert, komplett autonom, mit Elektroantrieb und ermüdungsfrei, dank leistungsstarker LED-Technik, sind die Geräte sogar nachts einsetzbar – und könnten sie die mechanische Unkrautbekämpfung revolutionieren. So weit die Vision. In der Praxis ist es noch nicht ganz so weit, doch gibt es bereits funktionierende Systeme.

Weitaus gängiger als die ganz autonomen Roboter, von denen es in Deutschland erst wenige gibt, sind hochpräzise Systeme, die mit dem – per Satellit oder GPS exakt gesteuerten – Traktor übers Feld gezogen werden. Der Sindlinger Landwirt Wilhelm Dengler hat in solch ein System investiert und macht damit gute Erfahrungen. „Die Technik funktioniert nach der gleichen Logik wie die Hackmaschinen vor zehn, fünfzehn Jahren. Sie arbeitet mit Scharen, die die Kräuter und Gräser aus dem Boden schneiden. Aber die Geräte sind größer und breiter und der Traktor wird via Satellit gesteuert, so dass eine Genauigkeit bis auf ein bis zwei Zentimeter möglich ist. So präzise kann man das mit dem Lenkrad per Hand nicht machen“, erklärt er. Diese Technik funktioniert gut – allerdings nur zwischen den Pflanzenreihen. Was in den Reihen der Kulturpflanzen sprießt, bleibt stehen oder muss nach wie vor per Hand entfernt werden. „Für die Beikräuter in der Reihe gibt es nach wie vor keine gute Lösung, die Samen nehmen deshalb überhand“, erklärt Dengler.

Für Carsten Prüße, der bei dem Unternehmen KULT „Kress Umweltschonende Landtechnik“ für Lenktechnik und Robotik verantwortlich zeichnet, markieren solche „Inter-Row-Geräte“ die erste Ausbaustufe der Feldroboter. Die zweite Stufe stellen sogenannte In-Row-Systeme dar, die das Beikraut in den Reihen entfernen. Beide werden von Traktoren gezogen, wobei mit der Lenkung verbundene Kameras das Beikraut von den Kulturpflanzen unterscheiden und entsprechende Lenkbefehle erteilen. Die dritte und höchste Ausbaustufe sind autonome Fahrzeuge, die nach anfänglicher Programmierung theoretisch allein aufs Feld geschickt werden können. In Deutschland ist ihr Einsatz indes bislang nur auf eingezäuntem Gelände und mit Aufsichtsperson zulässig. Autonome Geräte in Serienreife gibt es bislang nur für die Reihenzwischenräume, In-Row-Geräte, so Prüße, „sind noch Zukunftsmusik“.

Wie etliche seiner Kollegen wäre Wilhelm Dengler durchaus an Robotern interessiert – vorausgesetzt, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und die Technik ist ausgereift. Auch Friedrich Rapp, der seinen Gemüsehof in Bondorf nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet, wartet bereits darauf, dass autonome Geräte auf den Markt kommen, die in seinem Betrieb eingesetzt werden können.

Im Augenblick ist das Hacken in seinen teilweise sehr empfindlichen Kulturen noch größtenteils Handarbeit. Die würde er gern deutlich reduzieren. Allerdings will er dabei auf Geräte setzen, die unerwünschten Pflanzen per Hochfrequenzstrom den Garaus machen. „Hochfrequenz hat den Vorteil, dass sie den Boden nicht verändert. Hacken bringt vor allem die nächsten Samen in Stellung“, ist seine Meinung. Bislang muss er noch warten. „In diesem Bereich wird viel entwickelt, aber bisher gibt es zwar viele Ankündigungen, aber keine Vorführungen.“ Erst vor kurzem war er bei einem Event an der Uni Aachen, die in diesem Bereich forscht. „Da stand ein Roboter, der noch fast nichts kann.“

Egal ob Hacke oder Strom zum Einsatz kommen – die Technik, die mit optischen Sensoren Kulturpflanzen von Unkraut unterscheidet, braucht sehr leistungsstarke Rechner. Um die mechanische Beikraut-Bekämpfung optimal zu gewährleisten, muss schon beim Säen oder Pflanzen auf hohe Präzision geachtet werden. Entscheidend für den Erfolg ist auch der richtige Zeitpunkt für die Maßnahme. Die Kulturen dürfen noch nicht zu hoch und buschig sein. Roboter setzen zudem einen – relativ weiten – Reihenabstand von mindestens 60 Zentimetern voraus.

Zwar sind inzwischen schon erste Roboter auf dem Markt, noch gilt es indes, einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die sieht Christian Kirchhoff, der die Entwicklung als Geschäftsführer der Firma Kress Umweltfreundliche Landtechnik an vorderster Front mitverfolgt, vor allem bei den rechtlichen Implikationen. „Da fehlt es noch am rechtlichen Rahmen. Wichtige rechtliche Fragen sind bislang ungeklärt und keiner traut sich an die Versicherungsfrage“, erläutert Kirchhoff, der Feldroboter beim Tag der offenen Tür auf dem Ihinger Hof bei Renningen vorstellte. Alle großen Agrarmaschinenbauer seien mit dem Thema befasst, aber überall werde es als „Zukunftsprojekt“ gehandelt. „Jeder wartet auf die selbstfahrenden Autos und dass mit ihnen die versicherungstechnischen Fragen gelöst werden.“

Unterdessen habe das Nachbarland Frankreich in Sachen Feldroboter die Führung übernommen. Dort, weiß Kirchhoff, sind die Rahmenbedingungen für derlei Entwicklungen günstig, Landwirte seien der Technologie gegenüber aufgeschlossen und auch die Politik habe sich hinter das Thema gestellt. Angesiedelt ist die Indus-
trie vor allem im technologischen Hotspot Toulouse. In Frankreich, so Kirchhoff weiter, befasse man sich schon lang mit Möglichkeiten der Herbizidreduzierung, hierzulande sei das bis vor kurzem noch kein Thema gewesen.

Agrarrobotik wird kommen, davon ist er überzeugt, doch über den Zeitrahmen will er keine Aussagen treffen. Bis die Vision von autonom agierenden Roboterflotten, welche die Felder bearbeiten, während der Landwirt sich anderswo anderen Tätigkeiten widmet und nur via Laptop überprüft, ob alles rundläuft, Wahrheit werden kann, scheint es noch ein weiter Weg.

Vision von autonom agierenden Roboterflotten

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Erstellt:
14. November 2018

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