Von der Ehre über Pandas bis hin zu „Wednesdays for Future“
Naturschutz, Gerechtigkeit, freies WLAN und Pandas: Das sind die Themen, über die sich die Schüler des Andreae-Gymnasiums Herrenberg derzeit Gedanken machen. Zumindest wenn es um die Partei-Programme geht, die nun für das Projekt „Schule als Staat“ (Sommer 2020) bei einer Podiumsdiskussion vorgestellt wurden.
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Moderator Lukas Moschek stellt seinen Mitschülern die Parteien vor GB-Foto: Holom
Die Aula des Andreae-Gymnasiums ist fast voll besetzt. An einem halbrunden Tisch sitzen elf Schüler. Jeder hat ein Mi-krofon und ein Namensschild vor sich stehen, auf dem auch die Partei notiert ist, für die er wirbt. Moderator Lukas Moschek hat sich in Schale geworfen. Mit Anzug und Headset macht sich er bereit, seinen Mitschülern die Parteien vorzustellen, die in dieser Woche für das Schule-als-Staat-Projekt gewählt werden können. „Los Andreae“ soll der eigenständige Staat heißen, in den sich das Andreae-Gymnasium im Juli 2020 für eine Woche verwandeln soll. Und die Jugendlichen haben schon ganz konkrete Vorstellungen, wohin die Reise zumindest politisch gehen soll. So werben Micha Thomas und Anjo Babel beispielsweise für die UVP. Eine Partei, die dafür steht, Umwelt und Volk durch Politik zu vereinen. „Wir wollen uns für Umwelt, Gerechtigkeit und Mitspracherecht einsetzen“, erklären die beiden. Was das konkret bedeutet? „Wir haben uns zum Beispiel überlegt, einen Geldzuschuss für Müllvermeidung einzuführen“, so das UVP-Duo.
Nicht zu verwechseln ist die UVP mit der VUP – der Verantwortungsbewussten und Umweltfreundlichen Partei, die Micha Wolf und Sebastian Brenner zusammen ins Leben gerufen haben. „Unser Name war zuerst da“, betont Micha Wolf und stößt damit auf heftigen Gegenwind seitens der UVP. „Wir dachten uns, VUP geht ausgesprochen einfach runter wie Öl.“ Abgesehen von der Urheberrechtsfrage dieser Buchstaben-Kombination möchte sich die VUP während „Schule als Staat“ für ein „Wednesday for Future“ einsetzen. „Damit wollen wir die Fridays-for-Future-Bewegung mit einem weiteren Wochentag unterstützen“, so die beiden Parteimitglieder. Wie das konkret aussehen soll und ob man für diesen Mittwoch dann von der Arbeit in Los Andreae freigestellt wird, muss noch genauer geplant werden. „Vielleicht kann man eine Pause für die Mitarbeiter einführen, in der sie dann streiken können“, lautet hier die Überlegung. Im Vorfeld hatte die VUP einige Schwierigkeiten damit, ihre Plakate an den Mann zu bringen. Provozierende Bilder von Greta Thunberg und Donald Trump kamen bei der Schulleitung nicht so gut an, wie Micha Wolf verrät.
Propaganda-Panda-Partei
dreht sogar einen Werbeclip
Keine Mühen gescheut hat dagegen die Propaganda-Panda-Partei, die neben Werbeplakaten sogar einen kleinen Werbeclip gedreht hat. „Wir wollen Pandas schützen“, kündigen Jonas Krauss und Sebastian Jeschke, der passend in einem Panda-Kostüm gekleidet ist, an. „Denn die Tiere sind wichtig und cool, aber extrem gefährdet.“ Als Partei in Los Andreae möchten die beiden Jungs auf die Situation der Pandas aufmerksam machen, eine Spendenbox für den WWF aufstellen und vielleicht sogar WWF-Mitglieder für Vorträge in die Schule einladen. „Uns ist natürlich bewusst, dass nicht alle Mittel des Staates den Pandas zukommen können“, räumt Sebastian Jeschke ein. „Aber wir wollen einiges in Werbung für die Tiere investieren.“
Die Flamingo-Partei hat sich ebenfalls für einen tierischen Namen entschieden, richtet ihr Parteiprogramm allerdings nicht auf die Unterstützung der Flamingos. Trotzdem stehen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein für David Kienzler und Tilman Volger im Vordergrund. Die Ähnlichkeit zu den Grünen ist den beiden wohl bewusst, von Kopie kann hier aber keine Rede sein. „Wir haben uns von den Grünen inspirieren lassen“, räumt Tilman Vogler ein. „Aber natürlich wissen wir, dass uns während bei ’Schule als Staat’ Grenzen gesetzt sind.“ Von Grenzen hält die gegnerische „Lack“-Partei dagegen nicht viel. Freies WLAN für alle? Wenn es nach Partei-Vorsitzendem Alexej Jung geht, kein Problem. „Wir zapfen einfach das schulinterne WLAN an“, lautet die simple Erklärung. Und wenn das aufgrund der Überbelastung zu langsam wird? „Dann schmeißen wir einfach die Computer im Computerraum raus.“ Außerdem wirbt die Lack-Partei für einen Kommunismus, der mit Steuerfreiheit kombiniert werden soll. „Wir wollen, dass am Ende des Tages alle Einnahmen in einen Topf kommen und dann alle den gleichen Betrag ausbezahlt bekommen“, erklärt Alexej Jung. Dass dieses Partei-Programm möglicherweise etwas schwierig umzusetzen ist, bleibt natürlich den Gegnern nicht verborgen. „Wir wollen keine hohlen Versprechen geben“, stellt sich Moritz Kommer von der „Ehrenpartei“ klar gegen die „Lack-Partei“. Die Ehrenpartei setze stattdessen alles daran, Ehre zu erlangen. „Wir möchten die Politik so gestalten, dass uns nach ’Schule als Staat’ alle so toll finden, dass wir zu Ehre kommen“, schmunzelt Moritz Kommer. Ganz ernst gemeint ist diese Aussage vermutlich nicht, denn der Schüler setzt gleich hinterher: „Wir möchten unsere Erfahrungen vom letzten Mal ’Schule als Staat’ nutzen, damit diesmal alle glücklich sind.“ Zum Beispiel möchte er sich dafür einsetzen, dass nicht jeder anfangs zu wenig und am Ende des Projekts zu viel Geld übrig hat.
Nach einer knappen Stunde muss die Podiumsdiskussion dem Unterricht weichen. Ende dieser Woche soll schließlich feststehen, welche Parteien die Andreae-Gymnasiasten am meisten von sich überzeugt haben. Dem Jubel zufolge könnten die Propaganda-Pandas hier ganz gute Chancen haben. Aber das ist ja auch kein Wunder, denn wie Sebastian Jeschke lauthals betont, sind Pandas „einfach geil“.