Wegbereiter für faire Handelsstrukturen

„Gäubote“-Weihnachtsaktion: „Eine Welt mit Zukunft“ war die Vision des Vereins „Partnerschaft Dritte Welt“ schon bei seiner Gründung – jetzt erfährt er Unterstützung von „Miteinander – Füreinander“.

Von Jutta Krause

Lesedauer: ca. 4min 16sec
Fairer Handel hat sich der Verein „Partnerschaft Ditte Welt“ auf die Fahnen geschrieben – auch in seinem neuen Laden am Herrenberger Marktplatz. GB-Foto: Schmidt

Fairer Handel hat sich der Verein „Partnerschaft Ditte Welt“ auf die Fahnen geschrieben – auch in seinem neuen Laden am Herrenberger Marktplatz. GB-Foto: Schmidt

Mit seinen bunt dekorierten Schaufenstern ist der Weltladen am Herrenberger Marktplatz ein echter Hingucker. Für viele ist der Laden, in dem nur fair gehandelte Produkte verkauft werden, seit seinem Umzug mitten in Herz Herrenbergs deutlicher ins Blickfeld gerückt. „Manche Besucher fragen uns sogar, ob wir neu sind und denken, dass es erst seit kurzem einen Weltladen in Herrenberg gibt“, erzählt Katja Klaus, Vorstandsmitglied des Vereins „Partnerschaft Dritte Welt“, der den Weltladen betreibt und sich mit allerlei Veranstaltungen und Aktionen für den fairen Handel stark macht. Dabei wurde in der Gäustadt bereits 1974 einer der ersten Weltläden in ganz Deutschland eröffnet und der dahinterstehende Verein gehört hierzulande zu den Wegbereitern der Fairtrade-Bewegung.

Für Solidarität
und Gerechtigkeit

Schon in den Jahren zuvor hatten sich im Haus der Begegnung Menschen zusammengefunden, die sich nicht mit Ungleichheit und Ungerechtigkeit abfinden, sondern etwas dagegen tun wollten. Empört über Menschenrechtsverletzungen, Rassismus, Apartheid, Kriege, Hungersnöte, sowie eine Weltpolitik, die Armut und Ausbeutung in den Entwicklungsländern perpetuierte, Militärregimes durch Waffenexporte unterstützte und die Unterdrückung von Freiheitsbewegungen in Südamerika und Afrika stillschweigend mit ansah, schlossen sich im Spätherbst 1973 rund 20 Menschen zusammen. Sie träumten von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität weltweit, einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und der Selbstbestimmung der Völker. Gemeinsam überlegten sie, wie sie sich aktiv und spürbar für die Länder im globalen Süden einsetzen könnten. Sollten sie einen Laden gründen oder lieber ausschließlich politische Informationsarbeit leisten? Darüber wurde intensiv und kontrovers diskutiert, bevor im Januar 1974 ein gemeinsam erarbeitetes Grundsatzpapier fertig war. Im März folgte die Vereinsgründung. Gründungsmitglieder von „Partnerschaft Dritte Welt“ waren unter anderem der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, der im ersten Jahr das Amt des zweiten Vorsitzenden bekleidete, sowie Paul Binder, der als Leiter des Hauses der Begegnung und Kommunalpolitiker unermüdlich für soziale Themen eintrat. Im darauffolgenden Oktober eröffnete der junge Verein im Wohnhaus in der Stuttgarter Straße 6 den Weltladen. Für das ehrenamtliche Ladenteam stand die Information über Herkunft, Produktion und Handel der Waren im Vordergrund. „Unterschriften sammeln, ist wichtiger als Umsatz machen“, habe es damals geheißen, erinnert sich Ursula Stickel, die dem Verein 1987 beitrat. Unterschriftenlisten lagen stets bereit und zum bunten Poncho aus Bolivien oder dem fairen Kaffee aus Nicaragua gab es die Information und Aufklärung gratis mit dazu. Es wurde großen Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter gut informiert waren, weshalb die Teilnahme an den Montags-, später Mittwochstreffen obligatorisch war. Dort wurde auch kontrovers diskutiert, ob die „reine Lehre“ der Veränderung durch Aufklärung und Schaffung eines Problembewusstseins besser sei oder ob den Kooperativen im globalen Süden durch höhere Verkaufsquoten mehr geholfen wäre.

Krise führt fast zur
Schließung des Ladens

Mitte der 1990er Jahre kam es zu einer tiefen Krise, die Aufgabe des Ladens – oder gar des Vereins – stand im Raum. „Wir machen weiter, wenn es uns gelingt, neue Leute zu gewinnen“ – lautete das Fazit einer Krisensitzung im November 1997. Georg Stickel, der damalige Vorsitzende, startete eine Umfrage unter den Mitgliedern, wer zu welchen Diensten bereit sei. „Da kam so viel zurück, dass wir beschlossen, weiterzumachen. Wir gewannen auch neue Mitglieder hinzu, die dann lang im Verein aktiv waren und zum Teil heute noch dabei sind“, erinnert er sich. Ein weiterer Meilenstein war der Umzug des Ladens in die Stuttgarter Straße 12 im Frühjahr 2002. Das neue Domizil war zwar nur ein paar Häuser vom alten entfernt, doch sorgten die beiden großen Schaufenster und der größere, hell und freundlich wirkende Verkaufsraum für eine deutlich höhere Besucherfrequenz, die sich auch in höheren Umsätzen niederschlug. Die politische Arbeit kam dabei keineswegs zu kurz: Passanten konnten auch im gegenüberliegenden Schaufenster, das regelmäßig mit Informationen rund um fairen Handel und globale Gerechtigkeit bestückt wurde, Wissenswertes erfahren. Auch Straßenaktionen mit Musik und Verköstigung, Vorträge sowie Besuche von Produzenten aus den Ursprungsländern brachten erhöhte Aufmerksamkeit für den fairen Handel mit sich. 2013 erhielt der Verein die Paul-Binder-Medaille für besonders herausragende Verdienste im sozialen Bereich. 2014 wurde das 40-jährige Jubiläum groß gefeiert – auch Gründungsmitglied Horst Köhler gab sich dazu die Ehre. 2015 wurde Herrenberg zur „Fairtrade-Stadt“.

Ob es um Kampagnen wie die zum Lieferkettengesetz geht oder um die Unterstützung diverser Projekte, die Menschen im globalen Süden Perspektiven geben und die jedes Jahr mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden bedacht werden – ob mit Vorträgen, Unterschriftenaktionen oder der ehrenamtlichen Organisation des Weltladens: Seit fast einem halben Jahrhundert setzt sich der Verein Partnerschaft Dritte Welt für die Ziele ein, die den Gründern am Herzen lagen und trägt seinen Teil dazu bei, die Welt ein wenig gerechter zu machen. In dieser Zeit ist der Fairtrade-Gedanke mehr ins Bewusstsein gerückt und das Angebot an fair gehandelten Waren hat sich deutlich vergrößert. Der Weg zu wirklich fairen Wirtschaftsstrukturen ist indes noch sehr weit. „Der Anteil an fairen Produkten hat zwar zugenommen, doch ist der Eine-Welt-Gedanke immer noch wenig in den Köpfen. Nur etwa jede sechste von hundert Tassen Kaffee ist inzwischen fair“, erklärt Georg Stickel und fügt hinzu: „Dabei ist Kaffee nach wie vor der Renner im Weltladen.“

Eine Welt mit Zukunft

Eine Welt mit Zukunft: Die diesjährige „Gäubote“-Weihnachtsaktion in Kooperation mit dem Arbeitskreis „Miteinander – Füreinander“ steht unter diesem Leitmotiv. Die Spenden kommen – wie immer – direkt und unbürokratisch Menschen dem in der Weihnachtsaktion unterstützten Projekt zugute: Dieses Jahr geht es um die Unterstützung von Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika insbesondere über den fairen Handel und das Engagement des Vereins „Partnerschaft für die Dritte Welt“, der zahlreiche Projekte in den Ländern der sogenannten Dritten Welt fördert. Diese Arbeit gilt es nachhaltig zu sichern.

Gerne veröffentlicht der „Gäubote“ auch bei dieser Weihnachtsaktion Ihren Namen und Wohnort, wenn Sie spenden – sowohl in der Printausgabe als auch auf dem Online-Portal www.gaeubote.de. Hierzu müssen Sie allerdings ausdrücklich Ihre Zustimmung geben. Auf dem Überweisungsvordruck kreuzen Sie deshalb das Kästchen hinter dem „Ja“ an, wenn Sie wünschen, dass Ihr Name genannt wird, wenn Sie von einer Veröffentlichung abzusehen gedenken, machen Sie Ihr Kreuzchen hinter dem „Nein“. Bei Überweisungen, auf denen das Einverständnis nicht ersichtlich wird, verzichten wir auf die Namensnennung. Hierfür bitten wir um Verständnis.-gb-

Ein Bild aus alten Tagen: Die damals Verantwortlichen des Weltladens in der Stuttgarter Straße in Herrenberg. GB-Foto (Archiv): gb

Ein Bild aus alten Tagen: Die damals Verantwortlichen des Weltladens in der Stuttgarter Straße in Herrenberg. GB-Foto (Archiv): gb

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Erstellt:
9. Dezember 2021

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