Weiße Bänder signalisieren „Ernten erlaubt“

Bänder oder Onlinebörse? Beides sind Möglichkeiten, Obstbäume zu kennzeichnen, die von jedermann abgeerntet werden dürfen, wenn es der Landwirt nicht selbst übernehmen kann. Beides findet Anwendung – und beides hat ein Für und Wider. Der „Gäubote“ hat einen Blick auf zwei Varianten geworfen. Die Onlinebörse gibt’s im Kreis Böblingen, das Bänder-System wird zum Beispiel in Pfullingen bei Reutlingen praktiziert.

Von Jacqueline Geisel

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Sich beim Spaziergang an fremdem Obst bedienen? Das ist nicht erlaubt, aber es gibt Möglichkeiten auf Bäume aufmerksam zu machen, die vom Landwirt nicht geerntet werden und freigegeben sindFoto: Holom

Sich beim Spaziergang an fremdem Obst bedienen? Das ist nicht erlaubt, aber es gibt Möglichkeiten auf Bäume aufmerksam zu machen, die vom Landwirt nicht geerntet werden und freigegeben sindFoto: Holom

Auf der Internetseite streuobstwiesen-boerse.de ist eine Karte von ganz Deutschland und den Bundesländern zu sehen. Im gesamten Gebiet können Menschen inserieren, wenn sie ihre Obstbaumwiese zum Abernten freigeben möchten, oder wenn sie eine solche suchen. Dafür geben sie einen Ort, die Art des Gesuchs, Namen und Kontaktdaten an. Das Ziel sei es, eine überregionale Anlaufstelle zu schaffen, wie Manfred Nuber, Leiter der Fachberatungsstelle für Obst- und Gartenbau beim Landratsamt Böblingen, erklärt. Hätte jeder Ort seine eigene Plattform, würde es für die Leute schwierig, diese zu finden.

Sorge vor Missbrauch

Auf Regionalität hingegen setzt beispielsweise Pfullingen im Kreis Reutlingen – hier wird ein ganz anderes System praktiziert. In diesem Jahr werden von der Verwaltung nun zum siebten Mal weiße Bänder ausgegeben. Sie signalisieren, dass das Ernten eines Baumes ausdrücklich erlaubt und erwünscht ist. Je nachdem, wie gut das Jahr aus Obstsicht lief, gibt Pfullingen bei „Ernten erlaubt“ zwischen 23 und 117 Bänder aus, wie Kurt Mollenkopf von der Gemeinde erzählt. Er ist unter anderem für das städtische Streuobst zuständig.

Für Manfred Nuber ist der Vorteil der Onlinebörse, auf die im Kreis Böblingen gesetzt wird, klar: Es wird Kontakt zwischen beiden Parteien hergestellt und so können langfristige Beziehungen, vielleicht sogar Pachtvereinbarungen, wachsen. „Nur vom Abernten leben die Bäume nicht länger“, so Nuber. Sie müssten gepflegt und eventuell neue Bäume gesetzt werden. Bänder hingegen fördern aus seiner Sicht eine gewisse Unverbindlichkeit.

Das muss aber nicht so laufen, wie Pfullingen im Kreis Reutlingen beweist. Auch hier hätten sich schon längerfristige Absprachen zwischen Eigentümer und Ernter entwickelt, so Mollenkopf. Die Bänder gibt es bei der Gemeinde. Jeder bekommt eine Nummer und es wird erfasst, auf welchem Flurstück er aufgehängt wird und welche Früchte der Baum trägt. Wer möchte, kann seine Kontaktdaten angeben. Die Gemeinde, die ihre Bäume ebenfalls mit Bändern versieht, erstelle dann eine Übersichtskarte, die „im Prinzip täglich“, so Mollenkopf, aktualisiert werde. Interessierte können sich am i-Punkt im Rathaus über erntbare Bäume informieren, in einen Verteiler aufnehmen lassen oder für ihre Bäume Bänder holen.

Einer der Vorteile ist für Kurt Mollenkopf, dass die Leute auch einzelne Bäume anstatt ganzer Wiesen freigeben können, falls sie einen Teil selbst ernten möchten. Andererseits wäre eine solche Vereinbarung nach Vorabsprache – die bei der Internetplattform laut Manfred Nuber ausdrücklich erwünscht ist – ebenfalls möglich. Beim Bänder-System allerdings können auch Bäume freigegeben werden, ohne Kontaktdaten anzugeben. Nicht immer sei das erwünscht, so Mollenkopf.

Eine Sorge Nubers ist Missbrauch. Wer etwas holen wolle, mache einfach selbst ein Band um den Baum. Wird er beim Ernten erwischt, beruft er sich darauf. Mancher würde vielleicht seinen Nachbarn ärgern wollen und dessen Bäume mit Bändern zum Ernten freigeben. „Deswegen ist uns wichtig“, sagt Manfred Nuber, „dass Besitzer und Ernter in Kontakt kommen.“

In Pfullingen allerdings hat das Bändersystem bislang ohne solche Probleme funktioniert, erzählt Mollenkopf. Für ihn hat die Onlineplattform den Nachteil, dass nicht jeder das Internet nutze. Das Problem ist auch beim Landratsamt bekannt. Deswegen bietet die Behörde an, Gesuche, die schriftlich oder telefonisch gemeldet werden, online einzustellen. Außerdem, so Mollenkopf weiter, müssten Spaziergänger, die dann zufällig auf einen nicht abgeernteten Baum stoßen, erst einmal auf dem Smartphone nachsehen, ob die Früchte geholt werden dürfen. Mit Bändern ist das nicht nötig.

Begeistert von der Onlineplattform ist Thomas Kelemen. Vor wenigen Wochen hat der Herrenberger dort sein erstes Gesuch eingestellt. Obst – wie etwa Kirschen – sei relativ teuer, während manche ihre Bäume gar nicht abernten würden. „Ich dachte, ich probier‘ es mal“, sagt der 32-Jährige. Schon nach etwa einer Woche hat er einen Anruf bekommen. Für den Eigentümer seien es zu wenig Kirschen zum Schnapsen gewesen, verfaulen lassen wollte er sie aber auch nicht, erzählt Kelemen. Aus neun Kilogramm hat er Marmelade gemacht, fünf Kilogramm blieben sogar noch übrig. Die Ausbeute von etwa zwei Stunden Sammeln. Weit fahren musste er auch nicht, die Wiese liegt in Entringen.

Für Kelemen war seine Anzeige ein Erfolg und er würde wieder eine einstellen. Seine derzeitige will er demnächst erneuern, denn inzwischen kam kein Anruf mehr. Kelemen vermutet, dass es am Alter des Inserats liegt. Er könnte sich auch vorstellen, längerfristig mit einem Obstwieseneigentümer zusammenzuarbeiten. Sogar an einer Schulung zur Baumpflege würde er teilnehmen. „Das beste Sach‘ ist immer noch selbst gemacht“, erklärt er seine Motivation. Auch ein Bändersystem könne durchaus funktionieren, findet Thomas Kelemen. Es müsste dann nur entsprechend publik gemacht werden.

Richtig begeistert von den Bändern bei Reutlingen ist Hans-Martin Haag. Der Jettinger Gemeinderat bewirtschaftet drei eigene Wiesen, zwei Wiesen von einer Privatperson und eine von der Gemeinde. Aus dem Ertrag macht er seinen preisgekrönten Most. Die Wiese von der Gemeinde pflegt er, dafür muss er keine Pacht zahlen. Jettingen habe seine Wiesen ausgeschrieben und wer Bedarf hatte, konnte sich bei der Verwaltung melden, erklärt Haag. Dasselbe Arrangement hat er mit der Privateigentümerin. Hier hat er ihrem Mann zuvor schon beim Bewirtschaften unter die Arme gegriffen, nach dessen Tod hat er die Arbeit übernommen.

„Keine schlechte Sache“

Hans-Martin Haag bekomme manchmal Anrufe, ob er nicht Interesse hätte, eine Wiese zu übernehmen, allerdings sei sein Bedarf derzeit gedeckt. Auch als Ansprechpartner bei der Naturschutzgruppe wenden sich die Leute an ihn und er versucht dann, Kontakte herzustellen. „Ich bekomme manchmal mehr angetragen, als ich bearbeiten kann“, erzählt er.

Der Bedarf nach einem System hierfür ist aus seiner Sicht definitiv da. Und die Bändchen seien da „keine schlechte Sache“, er würde sie befürworten. Das Band müsse nur eindeutig und die Leute darüber informiert sein, damit sie wissen, was er bedeutet. Mit der Kennzeichnung wäre es für die Bürger einfach zu ernten, ohne dass man zuvor nachfragen müsse. Natürlich müsse man ordentlich ernten – für Haag eine „Sache des Anstandes“. „Wenn’s schon nix kost, kann man wenigstens sauber schaffen“, meint er.

Die Bändchen sind aus Haags Sicht sinnvoller als eine Internetseite, anonymer, eindeutiger und jeder könne entscheiden, einzelne Bäume freizugeben. Es sei dann klar, dass man jeden in Ruhe zu lassen habe, der kein Band hat.

Gekenn-zeichneter Baum bei Pfullingen: Hier ist erntenerlaubtGB-Foto: gb

Gekenn- zeichneter Baum bei Pfullingen: Hier ist ernten erlaubt GB-Foto: gb

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Erstellt:
29. August 2018

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