Wenn Ernährung zum „Game-Changer“ wird
Handball: Ernährungsberaterin Aleksandra Keleman stellt den Zweitliga-Frauen der SG H2Ku Herrenbergihre „Superstarformel“ vor. Die Nahrungsmittelverträglichkeit wird für Sportler immer wichtiger
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Für die 28-jährige Ernährungsexpertin Aleksandra Keleman ist auch die Art der Nahrungsaufnahme wichtig: „Jede Gabel sollte zu Brei gekaut werden“ GB-Foto: gb
Ein Video änderte alles. Als die damals 21-jährige Aleksandra Keleman auf einem Yotube-Beitrag den Basketballstar Dirk Nowitzki über die Vorzüge von „Müsli mit Mandelmilch“ schwärmen sah, dachte sie nur: „Da muss doch was dran sein.“ Zu der Zeit – im Jahr 2014 – lebte die Studentin für Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität in Darmstadt schon seit drei Jahren als überzeugte Veganerin – „auch wenn meine Mutter das sehr septisch aufgenommen hat“. Einen kleinen Videoschnipsel mit dem bereits 2006 die Ernährung umstellenden Nowitzki zeigte die Frankfurterin unlängst den Zweitligaspielerinnen der SG H2Ku Herrenberg.
Im Nebenraum der Mensa in der Herrenberger Markweghalle stellte Aleksandra Keleman die Vorzüge veganer Ernährung vor – auch und gerade für Leistungssportler. Denn Aleksandra Keleman hat – zu ihrer eigenen Überraschung – ein Nischenthema besetzen können, wie noch keine vor ihr in Deutschland. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wurde im Jahr 2014, gerade als sich Keleman in ihrer Freizeit für die Ernährungsweisen von Spitzensportlern zu interessieren begann, Weltmeister in Brasilien. Keleman: „Erfreut stellte ich fest, dass auch Pflanzenmilchprodukte im Turnierverlauf verwendet wurden.“ Inzwischen hat Keleman über eine eigene Homepage und direkten Kontakt mit Spitzenathleten aus allen Bereichen wie Radsport, Handball, Leichtathletik oder Eishockey das ungewöhnliche Geschäftsmodell einer Ernährungsberaterin für erfolgsorientierte Sportler etabliert. Die 28-Jährige berät Fußball-Bundesligisten und betreut mittlerweile auch eine ambitionierte Facebook-Gruppe, die sich als Sportarten-übergreifende Plattform mit dem Schwerpunkt basische Ernährung für Höchstleistung verstehen. Die Formel ist einfach, so Keleman: „Eine basisch-vegane Ernährung führt zu schnellerer Entsäuerung der Muskulatur und damit zu kürzeren Regenerationszeiten.“ Das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren wurde ebenso angesprochen, wie die Bedeutung von Steinsalz oder die Zufuhr von Vitamin B12, das bei der Regeneration von Muskeln hilft und deshalb ganzjährig für Sportler eminent wichtig ist. Kelemans Credo: Gute Ernährung kann für Sportler zu einem „Game-Changer“ werden, selbstbewusst nennt sie ihre Ernährungsphilosophie „Superstarformel“, so lautet auch die dazugehörige Internetseite.
SG-Physiotherapeut Jürgen Beierlein ist im Internet auf Keleman aufmerksam geworden und hat die Ernährungsexpertin für den rund zweistündigen Beitrag nach Herrenberg verpflichtet. Das solle aber nun nicht bedeuten, so SG-Geschäftsführerin Katja Rhotert, dass alle Spielerinnen sich nun ausschließlich vegan – also ohne Fleisch und tierische Produkte – ernähren sollen. Im Zuge der erstmals auch für den Zweitligisten verpflichtenden sport-medizinischen Untersuchung vor einer Saison, hat sich der Handballclub dazu entschlossen über den Verein und seine Mannschaften ein Art Gesundheitsnetzwerk zu knüpfen. Dazu spielt die Behandlung bei Verletzungen durch Ärzte und Behandlungen durch Physiotherapeuten ebenso eine Rolle wie die Ernährung. Rhotert: „Die Krankenkasse, die bei uns im Jugendbereich als Sponsor auftritt, weist uns immer wieder auf die richtige Ernährung gerade bei Kindern und Jugendlichen hin.“
Von daher sollten mit dem Vortrag von Aleksandra Keleman Impulse gegeben werden. Schnell wurde klar, dass Keleman auch an der Art der Nahrungsaufnahme durch die Handballsportlerinnen interessiert ist. „Euer Körper ist euer Kapital“, lautete eine der griffigen Formeln. Und: „Die meisten essen viel zu schnell.“ Da die Verdauung schon im Mund beginne, so Keleman, sollte „jede Gabel erst mal zu Brei gekaut werden“. Mit dem klaren Ansatz auf tierische Milchprodukte grundsätzlich zu verzichten, eröffnete die 28-Jährige ein breites Spektrum an Ernährungsweisen, die, was den Nahrungsmitteleinkauf angeht, längst nicht so kompliziert ist, wie man es auf den ersten Blick vermuten könnte.
Frisch zubereitet, selber kochen sind allerdings Maximen, die Sportlerinnen, die unter der Woche vier Mal abends vom Arbeitsplatz oder dem Studienort in die Herrenberger Markweghalle zum Training hetzen, nur bedingt einhalten können. Spezielle Smoothies – eher zum Löffeln, statt zum Trinken – schlug Keleman vor, mit entsprechenden Rezepten. Oder etwa: „Jeden Tag sollte man etwas Gekeimtes essen.“ Also Müsli aus gekeimten Buchweizen oder Sprießkornhafer, gekeimte Leinsamen oder gekeimte Chiasamen, alles in speziellen Gläsern. Bei allen Speisen ist aber das zu vermeiden, was oftmals beim Genuss von deftiger Hausmannskost nicht nur Sportler überkommt, das Gefühl von Müdigkeit. Nicht gut, wenn man zwei, drei Stunden später in der Sporthalle Höchstleistung bringen sollte.