Wertvolle Informationen zur Frühzeit des Vereins
Der Nebringer Florian Gauß kümmert sich beim VfB Stuttgart darum, dass die Geschichte des Vereins nicht in Vergessenheit gerät. Er arbeitet beim größten Sportverein im Land als Archivar. Seit sechs Jahren pendelt er zwischen Stadion und Archivräumen.
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Florian Gauß hat sich der VfB-Geschichte verschrieben: „Dass ich schon viel mit Archiven zu tun hatte, passte wie die Faust aufs Auge“ GB-Foto: Ignatzi
Anfang dieser Woche gab der VfB Stuttgart bekannt, die Partnerschaft mit dem Unternehmen Breuninger zu verlängern. Seit 1936 unterstützt das Kaufhaus nun schon als Sponsor die Kicker aus Bad Cannstatt. Eine Info, die den meisten wohl nicht bekannt war. Aus den Tiefen des Vereinsarchivs gefischt hat die Jahreszahl Florian Gauß. Der 45-jährige Nebringer ist studierter Archäologe und seit 2013 als Archivar für die Geschichte des Vereins zuständig. „Die Archäologie war schon immer mein Steckenpferd“, erzählt er von seiner Leidenschaft für längst Vergangenes. „Ich habe schon zu Schulzeiten Bücher über das Altertum gelesen, mich hat das fasziniert.“
Es folgte das Abitur am Herrenberger Schickhardt-Gymnasium, der Zivildienst in Tübingen und das Studium der Ur- und Frühgeschichte an der Uni Freiburg. Seine Eltern unterstützten ihn in der Entscheidung, die manche als ungewöhnlich bezeichnen werden. Denn: Archäologie – was soll man damit schon anfangen? Florian Gauß fand etwas mit seinem Abschluss anzufangen. Er promovierte nach dem Magister zum Doktor und arbeitete anschließend am Landesamt für Denkmalpflege in Freiburg. Im Jahr 2009 führte ihn ein Forschungsprojekt nach Esslingen. „Damit war ich nach ein paar Jahren im badischen Ausland wieder in der Heimat“, sagt Gauß und lacht. Die württembergische Heimat hatte er als echter VfBler natürlich auch während seiner Zeit im Breisgau immer im Herzen getragen, ebenso wie seinen Lieblingsverein.
„Schon früher bin ich mit meinen Nebringer Kumpels gern mal zu Spielen gegangen“, sagt er und erinnert sich an seinen ersten Besuch im Neckarstadion: „1984 war als Zehnjähriger mein erstes Spiel – die Partie gegen den HSV“, sagt er, „also das Spiel, in dem es um die Meisterschaft ging.“ Der VfB hätte 0:4 verlieren dürfen, um dennoch Deutscher Meister zu werden. Er verlor mit 0:1 und der kleine Florian feierte mit seinen Eltern auf dem Stuttgarter Rathausplatz. „Da war natürlich eine Riesenstimmung und von da an war es um mich geschehen.“ Und das, obwohl der Fußball eigentlich gar nicht sein Sport ist. Beim Turnverein Nebringen, seinem Stammverein, war er viele Jahre als Handballer aktiv. Erst im Rückraum, dann als Kreisläufer schaffte er es bis in die württembergische Auswahl, musste dann aber studienbedingt den Rückzug antreten.
Als er 2013 die Stellenanzeige des VfB las, war natürlich trotzdem sofort klar, dass Florian Gauß sich darauf bewerben würde. „Der ausschlaggebende Faktor war neben der Liebe zum Verein, dass ich schon viel mit Archiven zu tun hatte, das passte wie die Faust aufs Auge.“ Mit einer Einladung gerechnet hatte er trotzdem nicht. Umso glücklicher war Gauß, als es nicht nur zu einem Vorstellungsgespräch reichte, sondern der Vertrag unterschrieben auf dem Tisch lag.
Von nun an übernahm er die historische Abteilung des Traditionsvereins, die bis dahin freie Mitarbeiter betreut hatten. In seinem Büro im Stadion zwischen der Cannstatter Kurve und der Gegentribüne stapeln sich die Aktenordner mit Schriftstücken und sonstigen Erinnerungen an die nunmehr über 125-jährige Geschichte des Vereins in jedweder Form. „Ich archiviere dennoch nur das, was in direktem Zusammenhang mit dem VfB steht beziehungsweise vom Verein stammt, von 1893 bis heute“, erklärt Gauß seine Tätigkeit. Dabei beschränkt er sich natürlich nicht nur auf die bloße Darstellung von Ergebnissen oder Mannschaftsaufstellungen. „Es geht darum, ein geistiges und materielles Fundament zur Wahrnehmung des Vereins als kulturelle Institution zu schaffen und die historische Entwicklung des VfB darzustellen und zu vermitteln. „Als das Auftaktspiel am Freitagabend vorbei war, war es schon Geschichte“, gibt Gauß zu bedenken. „Die Geschichte wird also laufend fortgeschrieben.“
Sein Tagesablauf ist dabei nicht in eine Form zu pressen. Wenn er morgens ins Büro fährt, kann er nicht immer sagen, was bis zum Abend passieren wird. „Es gibt Tage, da hängst du nur über Büchern, um interne oder externe Anfragen zu beantworten. Manchmal tun sich durch Kooperationen mit privaten Sammlern von VfB-Devotionalien neue Quellen auf, die wertvolle Informationen zur Frühzeit des Vereins liefern. Und dann hast du Termine mit ehemaligen Spielern, es ist extrem abwechslungsreich“, betont Gauß, der sich auch nicht beschwert, wenn er an manchen Tagen in seinem Büro sitzt und kistenweise Archivmaterial sortiert. An Spieltagen ist er ebenfalls im Einsatz. Dann trifft er Ehemalige, die zu Heimspielen eigens nach Stuttgart reisen.
Was hinter seiner Arbeit steckt, war kürzlich auf einer Ausstellung zum 125. Vereinsjubiläum im Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum zu sehen. Eine dauerhafte Ausstellung gibt es noch nicht. Warum die Grundlagenarbeit des heute in Stuttgart lebenden Nebringers dennoch von großer Bedeutung ist, erklärt er selbst: „Der Fußballsport wird als fester Bestandteil der Alltagskultur vieler Menschen als kultur- und sozialgeschichtliches Phänomen wahrgenommen. Eine besondere Rolle spielen dabei die sogenannten Traditionsvereine im Profifußball wie der VfB. Der Verein bewegt die Menschen hierzulande seit Generationen, es müssen heute aber auch hier wirtschaftliche Faktoren im Mittelpunkt stehen. Diesen vermeintlichen Gegensatz kann die Geschichte und die Tradition kitten. Sie hat eine identitätsstiftende Funktion. Und mit unserer Arbeit bewahren und vermitteln wir sie.“
