Wie geht es weiter mit dem Amateurfußball?

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Wann können die Kicker wieder auf den Platz? Foto: Rene Weiss/Eibner-Pressefoto

Wann können die Kicker wieder auf den Platz? Foto: Rene Weiss/Eibner-Pressefoto

Vor gut anderhalb Wochen haben die drei baden-württembergischen Fußballverbände Vereine und Öffentlichkeit darüber informiert, dass aus ihrer Sicht die seit Mitte März in Folge der Corona-Pandemie unterbrochenen Meisterschaftsrunden nicht wieder aufgenommen, sondern zum 30. Juni 2020 beendet werden sollen. Zur Ermittlung der direkten Aufsteiger ist die Anwendung der Quotienten-Regel vorgesehen. Absteiger soll es aus Billigkeitsgründen nicht geben.

Vor der Befassung des Verbandsvorstands des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) und schließlich der Delegierten des Verbandstags hatten nun eine Woche lang die Vereine die Möglichkeit, sich zu den Szenarien zu äußern. Insgesamt 594 Vereine haben bis Mitte Mai von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Stellungnahmen abgegeben. Dass selbstverständlich auch die jeweiligen Vereinsinteressen unter Berücksichtigung von Tabellenpositionen Eingang in die Rückmeldungen fanden, ist legitim und überrascht nicht. Die Aufgabe des Verbandsvorstandes ist es nun, die Stellungnahmen zu sichten, auszuwerten und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

Überwältigende Mehrheit für Beendigung der Saison zum 30. Juni

Das Ergebnis des Anhörungsverfahrens lässt sich so zusammenfassen, dass sich eine überwältigende Mehrheit der Vereine dafür ausgesprochen hat, die Meisterschaftsrunden zum 30. Juni 2020 zu beenden und nicht zu einem späteren Zeitpunkt nach der Sommerpause fortzusetzen. Kritik gab es daran, dass keine Absteiger ausgewiesen werden sollen, was zu einem verschärften Abstieg und – abhängig vom noch zu beschließenden Spielmodus in 2020/21 – einem sehr dichten Spielplan führen kann, sowie daran, dass nur jeweils ein direkter Aufsteiger pro Staffel vorgesehen ist.

Die am häufig gestellten Fragen im Amateurfußball:

Warum hat die Entscheidung so lange auf sich warten lassen?

WFV: Die Entscheidung über das weitere Vorgehen in der Saison 2019/20 hat für einige Vereine weitreichende Konsequenzen, sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Dieser Verantwortung sind wir uns als Verband bewusst, weshalb eine vorschnelle Entscheidung, die nicht alle Ein-flussfaktoren berücksichtigt, keine Option darstellte.

Im Prozess der Entscheidungsfindung war es uns daher wichtig, nur Lösungen vorzuschlagen, die rechtlich haltbar sind. Nicht nur, um Haftungsrisiken für Verbände und Entscheidungsträger zu minimieren, sondern vor allem, um den Vereinen eine verlässliche Lösung zu präsentieren, die Planungssicherheit ermöglicht, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich ist.

Gleichzeitig war die Anzahl der Einflussfaktoren enorm. Einerseits bedingt durch die Verflechtungen unserer Ligen in Baden-Württemberg, zum Beispiel den Schnittstellen zu höherklassigen, überregionalen Ligen, andererseits durch sich verändernde Rahmenbedingungen, zu denen insbesondere die Corona-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg zählen, die ständig fortgeschrieben wurden.

Aus diesem Grund war es zum Beispiel wichtig, die Ergeb-nisse der Bund-Länder-Konferenzen am 6. Mai zu berücksichtigen und keine Entscheidung zu treffen, die aufgrund einer neuen Corona-Verordnung des Landes wieder obsolet wird.

Zu guter Letzt, und dies kann nicht stark genug betont werden, hat die Bewertung aller Szenarien unter dem Gesichtspunkt der sportlichen Fairness im kompletten Prozess stets einen zentralen Stellenwert eingenommen. Auch wir hätten die Saison gerne regulär beendet, was aufgrund der Corona-Pandemie aber unmöglich ist. Auf Basis dieser Erkenntnis haben wir alle alternativen Szenarien eingehend geprüft, inklusive der Folgen für Vereine und Verbände. Uns ist bewusst, dass der Vorschlag zur Saisonbeendigung unter den genannten Bedingungen nicht alle Vereine zufrieden stellen wird. Wir sind jedoch, unter Berücksichtigung aller Parameter, davon überzeugt, dass die Entscheidung im Sinne der großen Mehrheit der Vereine ist und das beste aller möglichen Szenarien darstellt.

Für wen gelten die Präsidiumsbeschlüsse?

WFV: Die Beschlüsse beziehen sich auf alle Meisterschaftswettbewerbe von der Kreisliga bis zur Oberliga (Frauen und Herren) und – mit Einschränkungen – für die Jugend gleichermaßen. Isolierte Entscheidungen für einzelne Bereiche sind grundsätzlich nicht sinnvoll, weil die Übergänge zwischen den Bereichen und Ligen fließend sind und es zu zahlreichen Folgeproblemen kommt, wenn kein einheitliches Vorgehen erfolgt.

Ausnahmeregelungen sind im Jugendbereich denkbar, zum Beispiel im Fall von Qualifikationsstaffeln. Auch die geplante Umstellung auf das Spielsystem 1-3-9 im Jugendbereich muss gesondert bewertet werden. Konkrete Vorschläge werden aktuell erarbeitet und zeitnah veröffentlicht.

Warum werden dann nicht auch die Pokalwettbewerbe beendet?

WFV: Ausgenommen von der Saisonbeendigung zum 30. Juni sind die Pokalwettbewerbe. Sowohl im WFV-Pokal als auch für die Verbandspokalwettbewerbe der Frauen und der Jugend sowie die Bezirkspokalwettbewerbe. Hier wollen wir uns die Möglichkeit offen halten, die Wettbewerbe nach dem 30. Juni sportlich zu beenden. Dafür gibt es mehrere Argumente: Erstens ist die Anzahl der verbleibenden Partien überschaubar und es können individuelle Lösungen mit den betroffenen Mannschaften gesucht werden.

Zweitens ist eine sportlich faire Ermittlung eines Siegers, wie sie in den Meisterschaften über die Quotienten-Regelung erfolgen soll, im Pokal nicht möglich. Vor allem aber sind die Pokalwettbewerbe nicht in Ligastrukturen eingebettet, sondern können isoliert betrachtet werden. Eine spätere Beendigung hat damit keinen Einfluss auf die Saison- und Kaderplanung der betroffenen und aller anderen Vereine.

Wie ist der weitere Ablauf bis zur endgültigen Entscheidung?

WFV: Die verantwortlichen Gremien der Landesverbände haben ihre Beschlussfassung im Anschluss an die Bund-Länder-Konferenzen vom 6. Mai binnen einer Woche finalisiert. Am 12. Mai wurde die Beschlussfassung zunächst den Vereinen, anschließend den Medien und der Öffentlichkeit präsentiert. Die Vereine wurden gebeten, ihre Bewertungen und Argumente bis zum 19. Mai an die Landesverbände zu kommunizieren. Diese Rückmeldungen werden berücksichtigt bei Erarbeitung der Anträge des Verbandsvorstandes an die Delegierten des Verbandstages.

Warum muss noch ein Verbandstagsbeschluss gefasst werden?

WFV: Verbandstage sind die höchsten Gremien unserer drei Fußball-Landesverbände in Baden-Württemberg. Aufgrund der Tragweite der Entscheidung über die Saisonbeendigung ist es aus unserer Sicht sowohl inhaltlich als auch rechtlich geboten, die endgültige Entscheidung dem Verbandstag zu überlassen. In allen drei Verbänden soll je ein Verbandstag am 20. Juni in Württemberg, Baden und Südbaden tattfinden – in welcher Form wird in den kommenden Tagen geklärt.

Wer sind die Delegierten des Verbandstags, die nun entscheiden?

WFV: Den Beschluss werden die bereits anlässlich der Bezirkstage 2018 gewählten Delegierten fassen. Nach unserer Satzung sind diese für drei Jahre im Amt und damit auch stimmberechtigt, soweit zwischen den ordentlichen Verbandstagen Beschlüsse zu fassen sind.

Warum stimmen nicht direkt die Vereine rechtsverbindlich und endgültig ab?

WFV: Die Mitgliederversammlung, also der Verbandstag ist laut Satzung das höchste Organ im Verband, bei der Delegierte die Mitgliedsvereine repräsentieren. Bei Großvereinen und Verbänden sind Delegiertensysteme üblich und ein probates Mittel, weil eine Willensbildung unter Beteiligung aller Mitglieder in der Praxis sinnvoll kaum möglich ist. Im Rahmen der Wahl der Delegierten bei den Bezirkstagen durch die Mitgliedsvereine kann zudem wieder deren Mitgliederzahl angemessen gewichtet werden. Konkret hat dort jeder Verein je angefangene 100 Mitglieder über 18 Jahre eine Stimme. So ist gewährleistet, dass die Meinung eines Vereins mit vielen Mitgliedern und Mannschaften stärker berücksichtigt werden kann als die eines Vereins mit beispielsweise nur einer Mannschaft. Auch das ist einer der Vorteile des Delegiertensystems, wie es in unserer Satzung angelegt ist.

Warum soll es nur direkte Aufsteiger geben?

WFV: Gemäß unserer Spielordnung haben alle Meister ein direktes Aufstiegsrecht. Die Zweitplatzierten hingegen verfügen lediglich über eine Aufstiegschance und das Recht an Entscheidungs- und Relegationsspielen teilzunehmen, um letztlich im sportlichen Vergleich mit dem besten Nichtabsteiger der übergeordneten Spielklasse Auf- und Abstieg auszuspielen. Leider ist es aufgrund der aktuellen Pandemie und der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg aber nicht möglich, bis zum Saisonende beziehungsweise in absehbarer Zeit diese Spiele auszutragen. Es gibt auch kein überzeugendes anderes Verfahren, um aus den Zweitplatzierten verschiedener Staffeln und dem bestplatzierten Nichtabsteiger den sportlich Besten zu ermitteln.

Warum werden die Aufsteiger nach der Quotientenregel ermittelt?

WFV: Um die Aufsteiger zu ermitteln, schlagen die Verbandsgremien die Anwendung einer Quotienten-Regelung vor. Diese besagt, dass die Anzahl der Punkte durch die Anzahl der Spiele geteilt wird, womit ein durchschnittlicher Punkteschnitt pro Spiel berechnet wird. Sollten mehrere Mannschaften exakt denselben Quotienten erreichen, wird zunächst die Tordifferenz, dann die Anzahl der geschossenen Tore herangezogen, wobei beide Werte wiederum in Relation zu den bereits absolvierten Partien gesetzt werden.

Ein alternatives Szenario sieht die Wertung der Vorrundentabelle vor. Dagegen spricht, dass jedes absolvierte Spiel ein sportliches Argument ist und die Vereine näher an das reguläre Saisonende und somit eine faire sportliche Bewertung führt. Die Nicht-Berücksichtigung von bereits absolvierten Partien birgt höhere rechtliche Risiken als die Berücksichtigung aller Spiele unter Anwendung der Quotienten-Regelung. Zudem gibt es Staffeln, in denen aufgrund von witterungsbedingten Ausfällen noch nicht alle Hinrundenspiele absolviert sind.

Warum soll es keine Absteiger geben?

WFV: Aus Billigkeitsgründen erscheint es geboten, davon abzusehen, Vereine auf Grundlage einer Quotienten-Regelung absteigen zu lassen. Der Abstieg in eine tiefere Liga ist ein deutlich gravierenderer Einschnitt als das Verpassen einer Chance zum Aufstieg über eine Relegationsrunde, deren Ausgang zudem ungewiss ist. Ein Zwangsabstieg auf Grundlage geänderter sportlicher Wertungen soll deshalb vermieden werden.

Wie wirkt sich eine Saisonbeendigung zum 30. Juni auf das Vereinswechselrecht aus?

Soweit die Saison zum 30. Juni beendet wird, bleibt es dabei, dass sich die Wechselperiode I vom 1. Juli bis 31. August direkt anschließt. Auch an den Wechselmodalitäten wird sich dann nichts mehr ändern. Modifiziert haben wir bereits die Regelung, wonach Spielern sechs Monate nach ihrem letzten Spiel beziehungsweise nach Vertragsbeendigung auch ohne Zustimmung des abgebenden Vereins ein Spielrecht für einen neuen Verein zu erteilen ist. Es soll verhindert werden, dass sich Spieler nach einer längeren Spielpause aufgrund der Aussetzung des Spielbe-triebs sofort einem neuen Verein anschließen können, ohne dass der abgebende Verein bei versagter Zustimmung eine Entschädigung beanspruchen kann. Der besonderen Situation wird dadurch Rechnung getragen, dass die Frist seit der Aussetzung des Spielbetriebs am 12. März gehemmt ist.

Was passiert, wenn eine Mannschaft auf ihr Aufstiegsrecht verzichtet beziehungsweise nicht aufstiegsberechtigt ist?

WFV: Gemäß unserer Spielordnung (§ 42 Nr. 11) geht das Aufstiegsrecht auf den Verfolger über. Dieses Recht steht allenfalls noch der in der Tabelle viertplatzierten Mannschaft zu.

Werden die Meisterwimpel ausgegeben?

WFV: Die Meisterwimpel sollen, wenn der Verbandstags-Beschluss feststeht, nach Rücksprache mit dem Staffelleitern an die Meistermannschaften übergeben werden.

Ist ein freiwilliger Abstieg möglich?

WFV: Dieser ist nach der Spielordnung nicht vorgesehen, kann aber unter den besonderen Bedingungen und nach Rücksprache mit dem Verbands-Spielausschuss und dem Bezirksspielleiter erfolgen.

Wann können die Mannschaften für das Spieljahr 2020/21 gemeldet werden?

WFV: Der Vereinsmeldebogen wird spätestens am 25. Mai geöffnet und soll am 12. Juni schließen. Im Jugendbereich bleibt dieser noch länger geöffnet, voraussichtlich bis zum Beginn der Sommerferien. Darüber werden wir noch gesondert informieren.

Wann und wie beginnt die neue Saison?

WFV: Regulär beginnt die Saison 2020/21 am 1. Juli 2020. Es ist aufgrund der Corona-Verordnungen der Landesregierung derzeit nicht absehbar, wann Mannschaftssport wieder möglich ist. Der Beirat des Württembergischen Fußballverbandes soll ermächtigt werden, auf Lockerungen hinsichtlich der Regelungen für Mannschafts- und Kontaktsportarten kurzfristig zu reagieren und Entscheidungen zum Spielmodus zu treffen.

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Erstellt:
27. Mai 2020

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