„Wir brauchen Humor“

Seine Spezialität ist die Verwandlung. Andy Ost aus Hanau verwandelt sich nicht selbst, er verwandelt die Lieder, die jeder kennt, und das ist komisch. Sein Publikum im Herrenberger Mauerwerk ist eher klein, dabei unterhält der singende Komödiant vorzüglich.

Von Thomas Morawitzky

Lesedauer: ca. 2min 35sec
Andy Ostjault und knurrt gerne wieHerbertGrönemeyerGB-Foto: gb

Andy Ost jault und knurrt gerne wie Herbert Grönemeyer GB-Foto: gb

Ein wenig darf man stutzen, wenn Andy Ost sich die Gitarre greift und ein Lied singt, das aus der Perspektive eines jungen Songwriters erzählt vom Immer-wieder-Auftreten und der Hoffnung darauf, an diesem Abend seine „beste Version“ zu singen. Meint der Kabarettist, der eben noch röhrend Songs von Herbert Grönemeyer eine sehr lustige Sinnverschiebung verpasste, das etwa ernst, oder nimmt er das aus Tagebüchern geschöpfte Pathos der jungen Liedermacher auf die Schippe? Man wird es vielleicht nie erfahren.

Andy Ost, geboren 1980, hatte schon im Alter von neun Jahren einen Auftritt als Büttenredner; dem Mainzer Karneval sollte er späterhin die Treue halten. Er ließ sich von der Lufthansa zum Piloten ausbilden, spielt seit 2010 abendfüllende Kabarettprogramme, nahm ein Musikalbum auf in Los Angeles, das gelobt und kaum verkauft wurde. Selbstverständlich erhielt er Kabarettpreise, besitzt eine starke Stimme, noch stärkere Ironie, und war vor Jahren schon einmal zu Gast im Mauerwerk.

Er beginnt mit dem Verweis auf die Transzendenz des Augenblicks, die erhabene Ruhe der völligen Gegenwärtigkeit. Osts Meditationshilfe hierbei: die zwei Säulen seines Lebens, Musik und Kabarett. „Wenn man lacht“, sagt er, „dann ist man einfach nur ganz da, man macht nichts anderes.“ Das kann dem braven Zeitgenossen selbst die Angst vor Donald Trump und allen seinen Doppelgängern nehmen: „Wir brauchen Humor.“ Je weiter Andy Ost vo-ranschreitet bei der Ausarbeitung dieser These, desto sympathischer wird er. Er plaudert vom Alltag, erzählt, über den ganzen Abend hin nebenbei von einer weiteren Säule seines Lebens, davon, wie er Vater einer Tochter wurde, davon, wie er im Kreissaal das Bewusstsein verlor, und er zersingt tapfer die Ohrwürmer, mit denen jedermann groß wurde, greift kräftig in die Tasten des Pianos.

Herbert Grönemeyer kommt gleich zweimal unters Kabarettrad. Ost genießt es, den Gesangsstil des wütenden Mannes aus Bochum boshaft albern bellend zu imitieren. Richtig schön wird es aber, wenn er den Grönemeyer-Hit „Sie mag Musik, nur wenn sie laut ist“ auf ein veganes Mädel zuschneidert: „Sie macht Musik, nur wenn sie Kraut isst“. Ja, dann bebt die Tür, ganz derbe Winde rütteln an ihr.

Auch Bon Jovi, Westernhagen, Elton John, selbst Freddie Mercury kommen unters Messer des schnellsprechenden Spaßmachers. „Bohemian Rhapsody“ wird zur nicht minder rhapsodischen Anrufung der Großmutter, die neuerdings auf einer sozialen Plattform gemeldet ist und dort nun Likes verteilt: „Ommmaa … früher hast einen Brief geschickt …“

Schräge Begebnisse und
Alltägliches wortgewandt serviert

So funktioniert das Kabarett des Andy Ost: Den übergroßen Gefühlen der Rocksongs schiebt er als clever wortgewandter Texter Alltägliches unter – der Effekt ist fabelhaft, und zwischendurch serviert der Sänger viele herzig schräge Begebnisse aus dem wahren Leben. Dann greift er wieder an, singt (man ahnt es erst nur) mit einer Melodie von Phil Collins vom schwer erkämpften Auszug: „Ich nahm meinen Mut zusammen und mein Herz in die Hand und schrie: Mutter, ich zieh aus!“ Oder er eifert Udo Lindenberg nach und schmettert, wie sehr harte Männer leiden, werden ihre Beine von resoluten Frauen enthaart.

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Erstellt:
25. Oktober 2019

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